Am Anfang steht eine verschwundene junge Frau in den Abruzzen. Und eine Ich-Erzählerin, die als Autorin von diesem Thema so gepackt wird, dass sie sich ihm nicht mehr entziehen kann. Dacia Maraini hatte also keinen Krimi geschrieben, als sie „Gefrorene Träume“ vorlegte. Das Buch ist eine große Familiensaga aus den Abruzzen – und ein Roman übers Schreiben.
Dem Buch tut genau dieser Teil nicht gut. Er lenkt von der großen Geschichte ab. Von den Wurzeln der Colomba Minna, der verschwundenen jungen Frau, die bis ins 19. Jahrhundert nach Sizilien und immer wieder in das Bergdorf in der Nähe von Avezzano reicht. Diese ist an sich wunderbar erzählt. Wobei sie auch immer wieder mythisch aufgeladen wird. So entsteht ein Dickicht aus Bezügen, die auch die historische Dimension der Landschaft aufgreift. Die verbinden in den Wäldern der abruzzischen Berge den Kampf der Marser gegen die Römer mit der Gegenwart genauso wie die zwei Jahrzehnte Faschismus und die deutsche Besatzung.
Das ist schon arg viel, was der Leser da an Ebenen, Zeitbezügen und Erzählperspektiven im Blick haben muss. Insofern ist der Roman überfrachtet. Aber die eigentliche Familiensaga ist spannend, erzählt von der archaischen Gesellschaft in Italien und den Umbrüchen in den vergangenen 120 Jahren. Maraini weiß um die Armut,den Glauben, die Zwänge, denen die Frauen ausgesetzt waren. Sie hat im Blick, wie sich existenzielle Erfahrungen über Generationen vererben. Und sie kann packend davon erzählen, wie in einem Dorf die informellen Kommunikationsformen das Leben dominieren. Die Abruzzen, diese immer wieder von Erdbeben geschüttelte Hochgebirgslandschaft, bringt sie dem Leser so sehr nahe.
Aber dafür muss man sich eben auch durch die unsägliche Geschichte des Schreibens durchkämpfen. Und leider auch immer wieder verwirren lassen. Etwa wenn die Lust an literarischen Bezügen mit Maraini durchgeht. Das hat dann schon etwas von Bildungshuberei. Und dennoch kann einen das Buch auch packen, dann will man wissen, wie sich die Geschichte von Großmutter Zaira und ihrer verschwundenen Enkelin weiter entwickelt. Vor allem aber ist man neugierig auf ihren Vater, der vor den Faschisten nach Australien flüchtete, oder auf die starken Frauen. Ein Buch also, dass man in den Abruzzen sehr gut lesen kann. Ich Eichwalde aber, würde ich es zügig weglegen.
In Fontamara, einem fiktiven Bergdorf der Abruzzen, herrscht Armut. Die Cafoni, die Bergbauern, kämpfen in de späten 1920er-Jahren um ihre Existenz, weil die kleinen Grundstücke nicht genug Ertrag abwerfen. Außerdem hält der Kapitalismus in Person eines römischen Geschäftsmannes Einzug in die noch immer feudal geprägte Region.
Jedes Jahr das gleiche Problem. Ungelesene Bücher stapeln sich. Da liegen aktuelle Romane, historische Texte und politische Literatur. Aber sind das die richtigen Bücher für den Urlaub? Sind sie zu schwer? Und haben sie irgendetwas mit dem Reiseziel zu tun?
„Fallensteller“ heißt das aktuelle Buch von Saša Stanišić. Es enthält eine Reihe von Erzählungen. Nach dem großen Roman
Nur noch vier Tage, dann wissen wir, ob die Briten weiterhin Europäer sein wollen oder nur noch Insulaner. Die Debatte um den Brexit hat alles, was ein Thriller benötigt; inzwischen mit der Labour-Abgeordneten Jo Fox leider auch ein Mordopfer. Als der Journalist Andrew Marr seinen Thriller „Der Premierminister“ schrieb, war ein tatsächlicher politischer Mord noch unvorstellbar. Umso lustvoller hat er darüber geschrieben.
Stephan Wackwitz ist ja nicht nur mit einem Roman über die Goethe-Institute – „Walkers Gleichung“ – bekannt geworden. Er arbeitete auch für den Vermittler deutscher Kultur im Ausland. Unter anderem in Krakau, New York und Tiflis. All diese Stationen hat er literarisch verarbeitet. „Die vergessene Mitte der Welt“ ist eine hervorragende Sammlung von Essais über den Kaukasus, die in seiner Zeit in Tiflis entstanden ist. Unter anderem hat er 2012 dort einen friedlichen Machtwechsel erlebt, der nur durch den Druck der demokratischen, westlichen Kräfte auf der Straße stattfinden konnte. Sämtliche Texte sind zwischen 2011 und 2013 entstanden.
Sie kann es nicht mehr lassen. Zwar ist Lynn Sherr Zeit ihres Lebens auch geschwommen, doch seit sie als Frau von fast 70 Jahren damit begonnen hat, sich auf eine Durchquerung des Hellespont vorzubereiten, ist das Schwimmen für sie immer wichtiger geworden. In ihrem siebten Lebensjahrzehnt hat sie daran gearbeitet, ihren Stil zu verbessern. Sie ist auf spezielle Trainigscamps gegangen, um bei großen Schwimmtrainern mehr über sich, über das Wasser und das Schwimmen zu erfahren. Und sie hat das alles in einer Kulturgeschichte des Schwimmens zwischen zwei Buchdeckeln zusammengefasst. Entstanden ist dabei ein Buch, das nicht nur Erstaunliches über das Schwimmen erzählt, sondern vor allem Lust darauf macht, ins Wasser zu springen und loszuschwimmen.
Lasik Roitschwantz ist ein Jude aus Homel. Sein ganzes Leben lang will der gelernte Schneider ankommen und ein ganz normales Leben führen. Und wenn das nicht klappt, dann wäre er schon mit regelmäßigen Mahlzeiten zufrieden. Aber Lasik Roitschwantz ist einer von denen, die in jedes Fettnäpfchen tappen, einer von denen, die stärkeren und mächtigeren Menschen den Spiegel vorhalten und deshalb aus deren Blick geräumt werden müssen.