Veit Heinichen bleibt Proteo Laurenti treu

Veit Heinichen: Die ZeitungsfrauAls Veit Heinichen seinen Proteo Laurenti das erste Mal auf Ermittlungstour durch Triest schickte, war die Mischung aus Krimi und dem literarischen Entdecken einer historisch höchst spannenden Region eine starke Mischung. Nicht umsonst wurden die Krimis auch fürs Fernsehen mit Henry Hübchen als Commissario adaptiert. Doch der jüngste Krimi aus der Feder Heinichens lebt fast nur noch von der Beschreibung der Region, des Karsts, der Stadt Triests und den Hinweisen auf gute Winzer und Lokale. Der Fall selbst entwickelt keine unbedingte Spannung, die das Weglegen des Buches zu einer Qual machen würde.

Sven Regener lässt Herrn Lehmann keine Ruh

Sven Regener: Wiener StraßeDieser Humor läuft sich nicht tot. Wer schon nach „Herr Lehmann“ dachte, so etwas amüsantes lässt sich nicht fortsetzen, wurde schon mit „Neue Vahr Süd“ eines besseren gelehrt. „Der kleine Bruder“ war auch köstlich. Und jetzt das: „Wiener Straße“. Ein Roman über die Zeit, die zwischen Herrn Lehmanns Zeit in Bremen und Ende der 1980er-Jahre liegt.

Sven Regener hat sich seine Helden noch einmal angeschaut und überlegt, was sie so in der Zeit dazwischen getrieben haben könnten. Wir erleben sie in der Wiener Straße, natürlich in Kreuzberg, wo Herr Lehmann und Chrissie eine WG mit Karl Schmidt und H.R.Ledigt begründen wollen. Und auf der Suche nach Geld sind. Herr Lehmann putzt dafür. Chrissie will unbedingt bei Onkel Erwin Kächele in der Kneipe bedienen. Karl Schmidt tut das schon und will das verhindern. H.R.Ledigt widmet sich seiner Kunst. Im November 1980 rücken sie in die Wohnung über dem Café ein – und sehen nichts. Denn die Wohnung ist vollkommen schwarz gestrichen. Der Vormieter war wohl lichtscheu. Die Nachmieter aber sind eher arbeitsscheu.

Neu entdeckter Klassiker aus den USA: Sister Carrie

Theodore Dreiser: Sister CarrieIlija Trojanow hat recht: „Sister Carrie ist kein Meisterwerk im üblichen Sinn, sondern ein roher Diamant.“ Das schreibt der Schriftsteller in seinem Nachwort über den erstmals in der vollen Länge in Deutsch erschienen Roman von Theodore Dreiser. Die Geschichte einer jungen Frau, die bettelarm vom Land ins wachsende Chicago kommt, um hier Fuß zu fassen, nimmt Geschlechterrollen und Moral in den Blick, ohne zu verurteilen. Vielmehr ist Dreiser bereit, das Handeln seiner Figuren zu akzeptieren und zu verstehen. Als Autor musste er dafür einen hohen Preis zahlen: Der Roman wurde nur gekürzt und geglättet veröffentlicht.

„Und erlöse mich“: Das verstörende Debüt von Konstantin Sacher

Dieser Roman verstört. Seine drastische Sprache, seine expliziten Szenen, seine Spannung zwischen Egoismus und Glaube – all das ist stark. Aber „Und erlöse mich“ von Konstantin Sacher nervt auch. Die Lebensbeichte eines jungen Theologie-Studenten, der sich selbst zwischen Exzess, Sex und Suff sucht, berührt den Leser aber auf jeden Fall; egal ob sich mit dem Protagonisten identifizieren können oder nicht.

Der erschütternde Euthanasie-Roman von Barbara Zoecke

Dieses Buch ist die vielleicht erstaunlichste Neuerscheinung des Jahres: „Die Stunde der Spezialisten“ von Barbara Zoeke. Da ist zum einen die unglaublich klare Sprache. Da ist das kunstvolle Weben des Erzählungsgeflechts. Und da ist eine Geschichte, die den Leser emotional so mitnimmt, dass selbst Tränen fließen. Barbara Zoeke hat einen Roman geschrieben, der es schafft, ohne Kitsch, ohne Oberflächlichkeit, ohne jede Übertreibung auskommt. Vielmehr ist es die gekonnte Zurückhaltung, die dem Leser in manchem Moment fast den Atem raubt. 

In Zeithain setzt Michael Roes Hans Hermann Katte ein Denkmal

Michael Roes: Zeithain Die geplante Fahnenflucht von Kronprinz Friedrich und Leutnant Katte ist ein Stoff, der alles enthält, was einen guten Roman ausmacht. Wenn Michael Roes sich damit auseinandersetzt, wird ein facettenreiches, faszinierendes und phantasievolles Buch daraus. Und je weiter man in den 800 Seiten kommt, umso erschütternder wird „Zeithain“.

„Oder Florida“ – der Nachwende-Bildungsroman von Christian Bangel

Christian Bangel: Oder Florida
Christian Bangel: Oder Florida

Lange bevor die Republik geschockt auf die Wahlerfolge der AfD geschaut hat, suchten junge Ostdeutsche nach ihrer Identität. „3. Generation Ost“ nannten sie sich. Sie wollten verstehen, was sie von ihren gleichaltrigen Westdeutschen unterscheidet. Ohne die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie funktioniert das nicht. Umso besser, dass Christian Bangel jetzt einen tragisch-witzigen Roman geschrieben hat, der seine eigene Biografie als Material genau in diesem Sinne nutzt. Und dennoch sehr viel Spaß macht.

Christian Bangel ist 1979 in Frankfurt (Oder) geboren. Die prägenden Jahre seines Erwachsenwerdens sind von einer enormen Freiheit geprägt. Aber auch von den Ängsten der Eltern vor Arbeitslosigkeit, seinen eigenen Ängsten von der Gewalt der Neonazis und der Ungewissheit, was aus der eigenen Heimatstadt wohl werden wird. das einzig Gewisse war die Ungewissheit. Starke Menschen nutzen das, indem sie ihren Freiraum aktiv nutzen. Andere suchen Halt bei neuen Autoritäten.

Martin Schäuble denkt Trump gnadenlos zu Ende

Was passiert, wenn Mauern zur Abschottung von Flüchtlingen und Migranten gebaut werden? Wie fühlt es sich an, wenn Fremde konsequent ausgegrenzt werden? Und wo endet die Ideologie und beginnt die Menschlichkeit? Für Martin Schäuble sind es diese Fragen, die ihn dazu gebracht haben, den Thriller „Endland“ zu schreiben.

Da, wo derzeit die offene Oder die Grenze zu Polen ist, gibt es in seinem Roman eine Mauer. Ganz so, wie sie Donald Trump zwischen den USA und Mexiko angekündigt hat. Diese Mauer soll Flüchtlingen den Weg nach Deutschland verwehren. Die neue deutsche Regierung von der „Nationalen Alternative“ hat die Wahlen gewonnen und sofort damit begonnen, das eigene Programm umzusetzen. Anton, der Soldat, findet das in Ordnung. Auch ihm sind Flüchtlinge suspekt. Deshalb stört es ihn auch nicht, wenn er an der Grenze zum Einsatz muss, um Flüchtlinge zu jagen.

„Der Zusammenhang“ von Leonardo Sciascia ist ein Labyrinth

Als Leonardo Sciascia seinen „sizilianischen Kriminalroman“ „Der Zusammenhang“ 1971 veröffentlichte, war die Mafia noch alles andere als ein gängiger Stoff für Literatur und Film. Aber der Sizilianer Sciascia wusste, was die Ehrenwerte Gesellschaft war. Er kannte die Mechanismen, mit denen sich die Ehrenmänner Einfluss und Macht sicherten. Und er wusste, wie das Geschwür Mafia den Staat befiel und aussaugte. Stoff genug also für einen guten Krimi.

Sören Bollmann schockt mit einem Serienmörder an Viadrina-Studentinnen

Sören Bollmann: Angst in der halben St<adtSören Bollmann hat als Krimi-Autor seine Erfüllung gefunden. Schon zum dritten Mal schickt er seinen Frankfurter Kommissar Matuszek zusammen mit dessen Słubicer Kollegen Miłosz auf Mörderjagd. Diesmal steht ein Serienmörder im Mittelpunkt des Buches. Der verbreitet Angst und Schrecken vor allem an der Viadrina, der Frankfurter Universität. Denn die drei ersten Opfer sind allesamt Studentinnen.