„Und erlöse mich“: Das verstörende Debüt von Konstantin Sacher

Dieser Roman verstört. Seine drastische Sprache, seine expliziten Szenen, seine Spannung zwischen Egoismus und Glaube – all das ist stark. Aber „Und erlöse mich“ von Konstantin Sacher nervt auch. Die Lebensbeichte eines jungen Theologie-Studenten, der sich selbst zwischen Exzess, Sex und Suff sucht, berührt den Leser aber auf jeden Fall; egal ob sich mit dem Protagonisten identifizieren können oder nicht.

Das liegt offensichtlich an der Art des Schreibens. Die schonungslose Selbstanklage nimmt den Leser gefangen. Sacher schafft es zudem, dass sich die Geschichte konsequent weiterentwickelt. Sie stockt nicht, verheddert sich nicht in sinnlosen Erzähltsträngen und bleibt immer nachvollziehbar. Der Ich-Erzähler aus finanziell sehr gut ausgestattetem Elternhaus ist ein Schnösel wie so viele andere, die in ihrer Jugend Bestätigung in Alkohol und dem Sammeln von Sexpartnerinnen suchen. Letzteres entwickelt sich zwar erst im Laufe des Buches, dafür aber umso heftiger.

Im Kern geht es um den inneren Konflikt des jungen Mannes. Auf der einen Seite ist ihm die Religion, das Christentum mit seiner Nächstenliebe sehr wichtig. Auf der anderen schafft er es nicht, seine innere Mitte zu finden. Deshalb schlägt er über die Stränge. Zunächst belastet ihn die Trauer um den Tod der Freundin. Später kommt er seelisch nicht mit seinen Exzessen zurecht. Und dennoch sehnt es ihn nach Sex, nach hartem, vornehmlich Analsex. Und dann wieder nach Nähe. Aber die kann er nicht zulassen. Vor ihr läuft er davon. Oder besser vor ihr flieht er mit dem Porsche der Eltern nach Spanien. Er stürzt sich in neue Abenteuer, bis er es tatsächlich in eine einigermaßen stabile Beziehung schafft.

All das erinnert etwas an die Road Trips der Beatniks. Nur dass die Sexualität viel brutaler beschrieben wird. Außerdem waren die Beatniks von tiefen existenziellen Sorgen geprägt. Aber der Theologie-Schnösel nicht. Und genau hier beginnt das Problem, weswegen der Roman eben auch nervt. Die Radikalität der Selbstzerstörungs-Tour wirkt immer etwas aufgesetzt. Wobei das auch an der permanenten Ich-Perspektive liegen kann. Die ist ja eigentlich dazu da, um dem Leser die Identifikation zu ermöglichen. Aber da sie jede Distanz raubt, kann sie eben auch den gegenteiligen Effekt erzielen. Wer Schwierigkeiten hat, sich in die Gefühlswelt des Theologie-Studenten zu versetzen, für den ist der Roman nicht nur die von Sacher gewünschte Zumutung. Er will dem Leser den existenziellen Trip ja zumuten, um auch seine theologischen Zweifel nahezubringen. Aber man muss auch lesen wollen. Und genau das wird durch die radikale Ich-Perspektive erschwert.

Und dennoch wird jeder, der die ersten 20, 30 Seiten gelesen hat, zu Ende lesen. Denn „Und erlöse mich“ entwickelt einen Sog, der deutlich stärker ist als gewöhnliche Bücher. Selbst wenn man die Botschaft nicht teilt, ist das Lesen des Buches ein Gewinn. Denn hier ist ein Autor, der Potenzial hat!

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