Sven Regener lässt Herrn Lehmann keine Ruh

Sven Regener: Wiener StraßeDieser Humor läuft sich nicht tot. Wer schon nach „Herr Lehmann“ dachte, so etwas amüsantes lässt sich nicht fortsetzen, wurde schon mit „Neue Vahr Süd“ eines besseren gelehrt. „Der kleine Bruder“ war auch köstlich. Und jetzt das: „Wiener Straße“. Ein Roman über die Zeit, die zwischen Herrn Lehmanns Zeit in Bremen und Ende der 1980er-Jahre liegt.

Sven Regener hat sich seine Helden noch einmal angeschaut und überlegt, was sie so in der Zeit dazwischen getrieben haben könnten. Wir erleben sie in der Wiener Straße, natürlich in Kreuzberg, wo Herr Lehmann und Chrissie eine WG mit Karl Schmidt und H.R.Ledigt begründen wollen. Und auf der Suche nach Geld sind. Herr Lehmann putzt dafür. Chrissie will unbedingt bei Onkel Erwin Kächele in der Kneipe bedienen. Karl Schmidt tut das schon und will das verhindern. H.R.Ledigt widmet sich seiner Kunst. Im November 1980 rücken sie in die Wohnung über dem Café ein – und sehen nichts. Denn die Wohnung ist vollkommen schwarz gestrichen. Der Vormieter war wohl lichtscheu. Die Nachmieter aber sind eher arbeitsscheu.

Element of Crime am Lagerfeuer

Element of Crime
Element of Crime

Märkische Oderzeitung: Herr Regener, die CD klingt ein bisschen, als würden sich alte Herren zum Lagerfeuer treffen.

Sven Regener: Wir haben nie Teenie-Pop gemacht. Eine Band mit einem sehr eigenen Stil spielt auch fremde Songs in diesem Stil.

Begibt sich Element of Crime auf Traditionssuche?

In der Summe klingt das vielleicht so. Aber jedes Lied ist unter ganz anderen Umständen aufgenommen worden. 1996/97 etwa hat Polydor den Tribute-Sampler „We love The Bee Gees“ herausgebracht. Wir haben mitgemacht, weil es reizvoll war.

Der Einstieg in die CD mit Freddie Quinns „Heimweh“ wirkt amüsant.

Das passiert mit solchen Songs, wenn sie den Element of Crime-Sound bekommen.

„My Bonnie is over the Ocean“ klingt auch nach Lagerfeuer.

Das Lied ist für Leander Haußmanns Film „NVA“ entstanden. In dem Film ist das eine ganz wichtige Szene. In der Stube singen ihn die Soldaten, bevor der eine von ihnen in die Strafzelle muss.

Würden Sie gern wieder mit großem Orchester spielen?

Das haben wir bei „Fallende Blätter“ auf der CD „Romantik“ gemacht. Aber das ist nicht so interessant. Das ist nur sinnvoll, wenn es wirklich gut zum Song passt – und wenn man es sich vom Budget her leisten kann.

Und was halten Sie von Balkanelementen?

Bläser sind ja nicht unüblich bei uns. Das kann dann schon mal so einen Balkaneinschlag bekommen. Aber das ist nicht immer so beabsichtigt. Das Entscheidende ist auch nicht, dass man immer neue musikalische Möglichkeiten angräbt, sondern dass man neue Songs hat. Ein Lied ist stärker als alles andere. Wenn es gelingt, ein Lied von Freddy Quinn so zu spielen, dass es ein Song von Element of Crime wird, dann ist das interessant.

Der Autorensong macht Element of Crime aber aus.

Ja. Deshalb haben wir diese Coversongs ja nicht auf den regulären Alben veröffentlicht. Wir hatten nur vier Cover-Versionen auf zwölf Alben. Ich würde auch keine Tournee damit machen.

Arbeiten Sie an neuen Texten, Projekten, Büchern?

Wir haben ab Februar eine Tournee, dann noch Festivals. Neue Sachen fangen wir immer erst danach an.

Das ist eine komfortable Situation.

Wenn man anfängt, dem Druck nachzugeben ständig etwas Neues abliefern zu müssen, dann ist das immer schlecht, auch für junge Künstler.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie Ihren Stil entwickelt hatten?

Das erste halbe Jahr. Schon auf der ersten Platte ist alles da, was uns ausmacht. Natürlich haben wir danach neue Türen aufgemacht, weitere Möglichkeiten gefunden. Aber immer im Rahmen dieses stilistischen Gerüsts.

MOZ-Interview…

Element Of Crime auf dem Weg zum Mittelpunkt der Welt

Draußen wird es immer früher dunkel. Die Nächte werden länger. November-Depression stellt sich bei manchen ein. Das ist genau der richtige Moment für das neue Element of Crime-Album. „Mittelpunkt der Welt“ heißt die CD, die konsequent den melancholischen Sound der Band fortführt.

Wer also eine Neuerfindung von Sven Regeners Combo erwartet, wird enttäuscht. Aber genau das ist ja das Schöne. Alle zehn Lieder klingen so vertraut: die vielen Moll-Akkorde und die Bläsersätze zur Verstärkung der nachdenklichen Texte. Sven Regener (44) ist der einzig würdige Erbe Rio Reisers (1950 bis 1996). Zwar erlebt der deutsche Text einen Boom, doch diese lyrische Kraft, diese Poesie in der Schilderung des Alltags beherrscht
keiner so wie er. Das gilt für den Nachklang der großen Liebe, für die Desillusionierung des
älter Werdenden, die Regeners Texte bestimmen.

Textlich und musikalisch ist „Finger weg von meiner Paranoia“ der Höhepunkt der Platte. Da bündelt sich das Spiel mit musikalischen Stilen mit einem Becken dominierten
Rhythmus und einem wunderbar lakonischen Text zu einer Hymne an die Eigenständigkeit – auch in der Verarbeitung aller Narben, die einem das Leben so
zufügt.