Der erschütternde Euthanasie-Roman von Barbara Zoecke

Dieses Buch ist die vielleicht erstaunlichste Neuerscheinung des Jahres: „Die Stunde der Spezialisten“ von Barbara Zoeke. Da ist zum einen die unglaublich klare Sprache. Da ist das kunstvolle Weben des Erzählungsgeflechts. Und da ist eine Geschichte, die den Leser emotional so mitnimmt, dass selbst Tränen fließen. Barbara Zoeke hat einen Roman geschrieben, der es schafft, ohne Kitsch, ohne Oberflächlichkeit, ohne jede Übertreibung auskommt. Vielmehr ist es die gekonnte Zurückhaltung, die dem Leser in manchem Moment fast den Atem raubt. 

Wenn dem Arzt der Anstand fehlt

„Das Melanom ist der gefährlichste Krebs.“ Da sagt der Hautarzt mit dem nötigen ernst. Lediglich zwei oder drei andere wären vergleichbar fatal. Deshalb sei die Vorsorge auch so wichtig. Das leuchtet ein. Deshalb lässt man sich die Haut vom Spezialisten absuchen. Mit dem bloßen Auge macht das der Herr im weißen Kittel. Denn die Benutzung einer Lupe würde 15 Euro extra kosten.

Nun mag es schon absonderlich sein, dass die Gebührenordnung für Kassenärzte die Verwendung der Lupe nicht vorschreibt. Vielleicht wird sie sogar bewusst ausgeschlossen, weil das die Ärztelobby durchgesetzt hat. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass der Arzt ernsthaft darauf verzichtet sie einzusetzen. Wie würde er denn reagieren, wenn der Handwerker sagt: „Elektrische Bohrmaschine kostet extra. Wir bohren von Hand!“

Wahrscheinlich würde genau dieser Arzt am Verstand des Handwerkers zweifeln. So wie ich am Anstand des Weißkittels. Wenn das Melanom so gefährlich ist, wie er und die Fachliteratur es sagen, dann müsste er die Suche danach doch so ernst nehmen, dass er dafür nicht die Hand extra aufhält.