Sie wissen alles: Kritik an Facebook wegen mangelndem Datenschutz

Facebook erhitzt die Gemüter. Kurz nach der Ankündigung von Marc Zuckerberg, das ganze Leben der Facebook-Mitglieder abbilden zu wollen, verklagt der Wiener Student Max Schrems (23) das Unternehmen wegen Verstoßes gegen den Datenschutz. Denn Facebook sichert sogar gelöschte Daten.

Max Schrems ist einer von mehr als 800 Millionen Menschen, die sich bei Facebook registriert haben. In Deutschland waren es im August mehr als 20 Millionen, die sich auf der Plattform von Firmengründer Marc Zuckerberg vernetzten. 1,2 Millionendavon sind Berliner.

Vor wenigen Tagen waren erstmals mehr als 500 Millionen Menschen weltweit gleichzeitig auf der Seite aktiv. Die dezentrale Kommunikation in Echtzeit auf Facebook und beim Kurzmitteilungdienst Twitter hat die Revolutionen und Aufstände in Tunesien, Ägypten und anderen arabischen Länder maßgeblich beschleunigt und verstärkt. Facebook ist weder aus dem privaten noch aus dem öffentlichen Leben wegzudenken.

Der damit verbundenen Verantwortung wird das Unternehmen aber nicht in allen Dingen gerecht. Vor allem am Datenschutz hapert es. Wie groß die Verstöße gegen die Datenschutzbestimmungen in Europa sind, hat Max Schrems aufgedeckt. Zusammen mit einigen anderen Studenten hat er die Initiative „Europa gegen Facebook“ gegründet.

Schrems war als Student in den USA und hat dort eine Arbeit über den Datenschutz bei Facebook geschrieben. Als Nutzer, der den leichten Austausch von Links, Texten, Bilder und Videos über die Seite schätzt, war er angesichts des Ergebnisses erschrocken: „Ich habe analysiert, wie sich Facebook so gut wie nicht an die europäischen Datenschutzbestimmungen hält.“

In Irland hat Schrems einen Hebel gefunden, der Facebook sehr schmerzt. Da die europäische Niederlassung dort ihren Sitz hat, beantragte er die Herausgabe seiner Daten. Er bekam eine CD zugeschickt, auf der mehr als 1200 DinA 4-Seiten mit Chat-Protokollen, Verweisen, Statusmeldungen und Einladungen zu Veranstaltungen gespeichert waren. Als er das Material genauer ansah, entdeckte er, dass Facebook selbst Daten, die er selbst gelöscht hatte, noch immer aufbewahrt.

Einige Wochen vor Schrems hat der Datenschutzbeauftragte Schleswig Holsteins auf das Problem aufmerksam gemacht. Thilo Weichert sagt. „Wir können nur glaubhaft Datenschutz im Kleinen durchsetzen, wenn wir auch bei struktureller massenhafter Missachtung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung tätig werden.“

Zentrales Problem dabei ist der „Like-Button“. Diese geniale Idee erlaubt es den Facbook-Nutzern, ihren Bekannten im Netzwerk ganz unkompliziert Artikel oder Fotos zu empfehlen. Dazu muss ein Nutzer wie der Autor dieses Textes nur auf den „Like-Button“ klicken. Schon erscheint bei all seinen Freunden der Hinweis: „Andreas Oppermann gefällt der markierte Artikel“. So machen Empfehlungen schnell die Runde. Auf diesem Weg wurde das in dieser Woche verstorbene Opossum Heidi zum Medienstar. So bekannten sich innerhalb weniger Tage nach der Atomkatastrophe von Fukushima Hunderttausende Deutsche zu einem schnellen Ausstieg aus der Atomkraft. Und auf diesem Weg werden Informationen über spontane Demonstrationen im Nahen Osten verbreitet. Da die Information von Freunden und Bekannten kommt, ist sie besonders glaubwürdig. Der Pferdefuß beim „Like-Button“ ist aber, dass das dazu nötige Cookie (Mini-Informationsspeicher der von der Internetseite auf dem Rechner des Nutzers hinterlegt wird) auch Informationen über das Surfverhalten sammelt, wenn man den Button gar nicht nutzt. Dazu muss man nicht einmal bei Facebook eingeloggt sein.

Verstärkt wird das ganze noch durch Fanpages und Apps, wie sie inzwischen auf den meisten Internetseiten zu finden sind. Sie verknüpfen den Nutzer der Seite mit Facebook. All diese Informationen nutzt das Netzwerk wiederum, um Werbung auszuspielen, die genau zu den Interessen des Nutzers passt. In den USA haben Facebook und das Online-Warenhaus Amazon einen Vertrag geschlossen, der es dem Händler ermöglicht, nicht nur die persönlichen Daten von Menschen auszulesen, die gleichzeitig bei Facebook und Amazon registriert sind, sondern auch von dessen Facebook-Freunden.

All das verstößt gegen den europäischen Datenschutz. Schrems will mit Hilfe der irischen Behörden dagegen vorgehen.

In Deutschland engagiert sich vor allem Thilo Weichert: „Bevor Plugins und Fanpages von Facebook datenschutzkonform genutzt werden können, muss sich das Unternehmen noch gewaltig bewegen.“ Er fordertdeutsche Webseiten-Betreiber auf, den „Like-Button“ zu verbannen.

Aber für Marc Zuckerberg ist Datenschutz Vergangenheit. Sein Ziel ist totale Transparenz. Immer mehr Menschen sehen darin vor allem Vorteile.

Dieser Text ist am 30. September 2011 in der Märkischen Oderzeitung erschienen…

Wehe der Impuls ist falsch

Diabolos
Diabolos

Ganz vorsichtig wird das Diabolo in Schwung versetzt. Die rechte Hand hebt den Stock mit dem Seil immer wieder an. Die linke Hand stabilisiert mit dem anderen. Der Ablauf gelingt eigentlich immer. Dann dreht sich das Diabolo immer schneller. Es ist in Schwung und macht sich durch eine Straffung des Seils auf zu Höhenflügen. Einmal, zweimal, dreimal, immer wieder.

Es ist ein Genuss, diese fliegende Freude zu sehen. Es ist schön, diese Höhenflüge auszulösen. Manchmal ist es atemberaubend, in welche Höhen es abhebt. Dann landet es auf dem Seil, bekommt einen neuen Impuls von der rechten Hand. Das Diabolo wird wieder schneller und kann abheben.

Doch manchmal kommt es ins Trudeln. Es genügt ein falscher Impuls, eine minimal falsche Bewegung der führenden Hand und schon wird aus dem kribbeligen Höhenflug ein böser Absturz. Dann knallt das Diabolo auf den Boden. Es versucht noch einmal abzuheben, aber der Aufprall dämpft alle Bewegungsfreude. Dann bleibt es liegen. Und sieht irgendwie verloren aus.

Internetsucht ist nichts als eine ABM für Forscher

Das Internet ist für viele Menschen ein Teil des Lebens. Für eine nicht unbeträchtliche Zahl sogar so sehr, dass sie das Internet süchtig macht, behaupten Forscher. Dazu muss man vier Stunden am Tag im Netz sein. Außerdem muss man bei Abstinenz gereizt sein. Und seine Offline-Sozialkontakte vernachlässigen, um als süchtig zu gelten. Jeder kennt Menschen, die ständig online sind, die ihre Mails unterwegs abrufen oder via Facebook und Twitter der Welt mitteilen müssen, wo sie gerade sind.

Aber sind die alle süchtig? Sind die Jugendlichen, die über Facebook und via Skype den Einstieg ins Flirten finden, wirklich gefährdet oder abhängig? Oder ist es nicht vielmehr so, dass sie in ihrer Verliebtheit nur auf jedes Wort, auf jede Statusmeldung des Angebeteten warten? Wenn sie dann via Skype chatten oder mit Video telefonieren, erobern sie sich einen Raum, der es ihnen ermöglicht, sich behutsam zu nähern. Diese Jugendlichen schützen sich durch Distanz vor Verletzungen. Die reale Annäherung erfolgt dann schon noch. Um die geht es ja schließlich.

Inzwischen gibt es viele Berufe, bei denen vier und mehr Stunden Internetnutzung täglich Pflicht sind. Ob Börsenbroker oder Nachrichtenjournalist, wer auf Informationen angewiesen ist, kommt ohne Internet nicht aus. Wenn er dann einmal offline ist, dann kann er durchaus gereizt sein. Das ist dann aber auch nichts anderes als bei jenem, der seine Zeitung zum Frühstück braucht, um gut gelaunt in den Tag starten zu können.

Etliche Aspekte der „Internetsucht“ sind nichts als normale menschliche Phänomene. Natürlich gibt es Menschen, die vor allem in Onlinerollenspielen die Kontrolle über sich und die Zeit verlieren. Ihnen muss wie anderen Spielsüchtigen geholfen werden.

Aber nur weil sich immer mehr Kommunikation im Netz abspielt, heißt das noch lange nicht, dass das Netz krank macht. Diese Studien strahlen den Charme von kulturpessimistischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die in Auftrag gebende Drogenbeauftragte und die beauftragten Forscher aus. Sonst müsste auch die Sportsucht von Leistungssportlern untersucht werden, die vor lauter Training alte Sozialkontakte aufgeben. Oder die Büchersucht von Bibliophilen, die stundenlang ohne Sozialkontakt vor sich hin lesen.

Fundstück im Antiquariat (3): Kostbarkeit bei Alfred Polgar

Alfred Polgar: Schwarz auf Weiss
Alfred Polgar: Schwarz auf Weiss

„Polgars neuer Auswahlband ›Schwarz auf Weiß‹ (bei unserm gemeinsamen Verleger Ernst Rowohlt erschienen) enthält Kostbarkeiten über Kostbarkeiten. Und ist gut geschrieben.“ Das hat Kurt Tucholsky über meinen heutigen Fund im Antiquariat geschrieben: Alfred Polgars „Schwarz auf Weiß“. Dass ein kleiner Artikel in diesem Buch für mich eine weitere Kostbarkeit sein würde, konnte Tucholsky nicht wissen. Aber mich hat es sehr gefreut, beim Durchblättern der tadellosen Erstausgabe auf diesen Artikel zu stoßen. Zwar hat es der einstige Besitzer des Bandes nicht für nötig erachtet, uns mitzuteilen, in welchem Blatt der Text erschien.

Dafür hat das Blatt im Buch selbst seine Spuren hinterlassen: Akkurat wie der Artikel gefaltet ist, hat es sich auf die Seiten eingeprägt. Das leicht farbige Zeitungspapier hat sich auf das Buchpapier übertragen – und das auf insgesamt sechs Seiten. Das wirkt wie Buchkunst. Und ist deshalb eine ganz besondere Kostbarkeit im Band mit „Kostbarkeiten über Kostbarkeiten“.

Weitere Fundstücke im Antiquariat:
Walter Mehrings Autograph
Ludwig Börnes Verhaftung
Kostbarkeiten bei Alfred Polgar
Ein Theaterzettel von 1931
Die Verlustanzeige von Karl Frucht
Andreas Oppermann erinnert 1860 an Palermo

Angezogen von Krisen und Kriegen

Lutz Kleveman © Kleveman, Lutz
Lutz Kleveman © Kleveman, Lutz

Gute Journalisten haben Neugier, Empathie und Leidenschaft. Bei Kriegsreportern kommt noch Abenteuerlust hinzu. Das zumindest meint Lutz Kleveman, der zehn Jahre aus allen Krisengebieten der Welt berichtete. Seine Erfahrungen hat er in einem Buch gebündelt.

Lutz Kleveman ist Mitte 20, als er sich entschließt, etwas erleben zu wollen. Nach dem Studium in Frankreich und England fängt er beim „Daily Telegraf“ als freier Journalist an. Um Geschichten verkaufen zu können, geht er in Länder, in denen die Redaktion keine Korrespondenten hat. Das sind vor allem Krisen- und Kriegsgebiete.

Im Spiegelsaal von „Clairchens Ballhaus“ in Berlin-Mitte berichtet Kleveman von seinem Weg. Inzwischen ist er 37 und „Herbergsvater“, wie er selbst sagt. Das elterliche Gut im Landkreis Cuxhaven hat er von der Landwirtschaft auf Tagungen und Seminare umgestellt. Auf dem ersten Blick ist vom Kriegsreporter nicht viel geblieben.

Aber wenn er beginnt zu erzählen, wie unverwundbar er sich fühlte, weil der Journalist Kleveman mit Warlords und einfachen Menschen sprechen konnte, dann wird klar, dass noch immer diese Leidenschaft in ihm brennt. „Wenn ich jetzt als Tourist reise, merke ich doch, dass ich mit niemandem mehr ins Gespräch komme. Das war schon geil als Journalist“, resümiert er seine aktive Zeit. In seinem Buch „Kriegsgefangen“ hat er diese zu Papier gebracht.

In ihm schildert er seinen Weg durch die Krisen und Kriege in Ex-Jugoslawien, Liberia und die Elfenbeinküste, Tschetschenien, den Irak, Afghanistan, Kolumbien, Nordkorea und Burma, Laos und Vietnam. Aber er reiht seine Erlebnisse nicht nur aneinander. Vielmehr verknüpft er sie mit der Frage, warum es ausgerechnet ihn, der als vierter Sohn weder Zivildienst noch Wehrdienst leisten musste, in den Krieg zog.

Dabei blickt Kleveman in die Familiengeschichte. Er begibt sich auf seine „Deutsche Spurensuche“, als er sich mit den Briefen seines Großvater aus der russischen Kriegsgefangenenschaft im 1. Weltkrieg beschäftigt. Dessen Bruder wiederum war der erste Verwundete 1914. Der zweite Bruder ist als Generalstäbler gefallen. Und der Großvater hat im 2. Weltkrieg entschieden, welcher Bauernsohn der Umgebung unabkömmlich war und wer an die Front musste – auch noch als ihm längst klar war, dass der Krieg verloren ist.Das Militärische ist also überall. So wie im Traditionszimmer des Gutes, in dem Waffen, Uniformen und Büsten von Soldaten aufbewahrt waren.

Lutz Kleveman: Kriegsgefangen
Lutz Kleveman: Kriegsgefangen

Zwar wird bei der Buchvorstellung in „Clairchens Ballhaus“ nicht vollständig klar, weshalb es den nachgeborenen Enkel in die Kriegsgebiete zog. Aber es wird deutlich, dass ihn die Gewalt faszinierte. „Wir sprechen immer von sinnloser Gewalt. Aber das stimmt nicht. Gewalt ist ein Weg, Dinge durchzusetzen,“ sagt Kleveman. Vor allem da, wo die staatliche Ordnung zusammengebrochen ist, müsse man immer bedenken, dass Gewalt für diese Menschen sinnvoll sei.

Solange er selbst keine Gewalt am eigenen Körper erlebte, machte sie ihn nur neugierig: „Egal ob Dealer oder Soldaten, die Jungs waren in meinem Alter. Ich fand es interessant, sie zu beobachten und zu beschreiben.“ Und dabei ein so ganz anderes Leben zu entdecken, als es in Deutschland gelebt wird.

Der Schatten des Großvaters, der Klevemans ältere Brüder noch für Klimmzüge wie in einer privaten Kadettenanstalt in den Garten befohlen hatte, ist übermächtig. Davor flieht er. Wie überhaupt vor Deutschland. Beim „Daily Telegraf“ schaffte er es monatelang, seine Herkunft zu verleugnen. Dass er für die totale Abgrenzung von der eigenen Familiengeschichte ausgerechnet in die kriegerischen Fußstapfen des Großvaters tappte, ist ihm erst in Afghanistan klar geworden.

Als er dann in Vietnam durch Verbrecher das erste Mal selbst verletzt wird, ist ihm klar, dass das Dasein als Kriegsreporter enden muss. So wie er es seiner Mutter versprochen hatte. Die letzte Reise wird die auf den Spuren des Großvaters an die Stationen der Gefangenschaft. Es wird dadurch auch eine Reise zu ihm selbst, auf der er Frieden mit der Familie und den Deutschen schließt.

„Kriegsgefangen“ beschreibt die Gefangenschaft des Großvaters. Viel mehr aber schildert es die Last, die Kleveman stellvertretend für viele Nachgeborene erforscht. Es geht um den Krieg, der noch immer nachwirkt, der Familien noch immer gefangen nimmt – im speziellen Fall natürlich auch anhand von zehn Jahren Erlebnissen zwischen Kindersoldaten, Drogendealern und Warlords.

Lutz Kleveman: Kriesgefangen. Siedler Verlag, 22,99 Euro

Der Text ist am 11. September 2011 in der Märkischen Oderzeitung erschienen…

Heimat (7): Weintrauben und Weinlaub

Wein in Eichwalde

Bild 1 von 12

Wein in Eichwalde

In diesem Jahr ist es ein Kreuz: Ein Frost im Mai hat den Winzern im Heimatstädtchen einen Großteil ihrer Trauben geraubt. Und bei mir am Haus sorgt der ständige Regen und die wenige Sonne dafür, dass die Trauben noch immer sauer sind. Die ersten fallen, ohne dass sie ihre Reife erreicht haben. Sogar das Weinlaub von zweien der vier Rebstöcke blättert ab, bevor es die schöne gelbe und rote Farbe bekommt, weshalb ich den Wein vor allem pflanzte. Diese Farben im Herbst sind eine Erinnerung an die Weinberge Hammelburgs. Zu einem vollständigen Jahr gehört dieses bunte Laub wie der Federweißer. Spannend ist übrigens, dass die beiden Rebstöcke aus Hammelburg viel besser gedeihen als die aus Eichwalde und Berlin. Obwohl sie genauso (wenig) gepflegt werden wie die anderen beiden.

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“

Glänzende Geschäfte auf der IFA

Messen, auf denen Unterhaltungselektronik im Fokus steht, haben es schwer. Das revolutionär Neue wird kaum noch präsentiert. Wie auch? Im Prinzip ist alles erfunden, was das Leben unterhaltsamer macht. Es geht nur noch um Verbesserungen oder neue Verknüpfungen.

Doch selbst diese eher evolutionären Schritte faszinieren die Massen. Sie strömten in die Messehallen unterm Funkturm. Da standen sie vor noch flachereren Fernsehern, vor Tablets oder Smartphones, die im Kern nur können, was Apple mit iPad und iPhone schon vor Jahren vorgelegt hat.

Viel wichtiger als das Interesse der Besucher ist deshalb auch der rein geschäftliche Teil der Messe. Die Lagerhallen der Händler waren leer. Jetzt werden sie in der Gewissheit auf ein grandioses Weihnachtsgeschäft gefüllt.

Aussteller verzeichnen Bestellrekorde, weil die Deutschen wieder Geld ausgeben. Nach drei Jahren Finanz- und Eurokrise haben sie offensichtlich ein großes Bedürfnis, technisch wieder auf den neusten Stand zu kommen. Von Krise oder Rezession war auf der IFA nichts zu hören. Im Gegenteil.

Erneut gelesen: Walter Mehrings Exilerinnerungen

Walter Mehring: Wir müssen weiter
Walter Mehring: Wir müssen weiter

Das eigentliche Manuskript umfasste 800 Seiten. Doch Walter Mehring hat sein Spätwerk verloren. Irgendwo zwischen Zürich und München ist der Koffer verschwunden. Die „Topographie der Hölle – Reportagen der Unter-Weltstädte“ konnte nicht mehr erscheinen. Lediglich das erweiterte Inhaltsverzeichnis und einige Textfragmente haben überdauert. Aus diesen hat Christoph Buchwald, der Herausgeber der Werkausgabe, noch zu Lebzeiten mit Walter Mehring diesen Band „Wir müssen weiter – Fragmente aus dem Exil“ geformt.

Es besteht aus gut 100 Seiten Prosastücken und 50 Seiten oder 1001 Versen der „12 Briefe aus der Mitternacht“, einem Gedichtzyklus, der zwischen 1938 und 1941 entstanden ist. Die Prosa sind die Fragmente des eigentlich viel größeren Buches. Jede Zeile dieser Erinnerungen verdichtet die Erfahrungen des Exils zu einer Erfahrungs- und Gedankenwelt, bei der jedes wichtige Wort mehr als nur eine Bedeutung trägt. Dieses Komprimieren der Erfahrungen und Erinnerungen ist trotz der knappen Form oftmals aussagekräftiger als Dutzende Seiten anderer Autoren. Es gibt Passagen, in denen Mehring mit viel Glück und Dusel durch Grenzkontrollen kommt, Inhaftierungslagern entkommt und Verhaftungen zuvorkommt. Verrückt daran ist, dass diese Begebenheiten verbürgt sind.

Mehring erinnert da an Grimmelshausens Simplizissimus. Nur sind die Erlebnisse alles andere als lustig. Vor allem wenn man sich einmal vorstellt, wie wir heute mit Flüchtlingen, Asylbewerbern und Staatenlosen umgehen. Mehring lässt mich nicht los. Sowohl das Leben wie auch die Bücher sind unglaublich. Vor gut 25 Jahren habe ich den Band das erste Mal gelesen. Und danach noch einige Male. Ich werde es auch wieder tun. Da bin ich sicher. Das gilt nicht nur für die Prosa, sondern auch die „12 Briefe aus der Mitternacht“, die in der strengen Form zum eindringlichsten und besten zählen, was im Exil über die Situation in kleinen Hotels und den Tod der Freunde – in diesem Fall Ernst Toller, Erich Mühsam, Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky, Joseph Roth, Ödon von Horvath, Ernst Weiß, Theodor Lessing, Walter Hasenclever, Carl Olden – geschrieben wurde.

Mehr über Walter Mehring gibt es im Walter Mehring Blog

Die Hängematte – ein seltenes Sommergefühl

Meine Hängematte.
Meine Hängematte.

Die Sonne steht schon tief. Dennoch kann sie noch Kraft entwickeln. Und Wärme, wie sie in diesem Sommer so selten war. See oder Hängematte ist die Frage. Es wird das schöne schaukelnde Gefühl. Das einzig blöde an so einer Hängematte ist das auslaufende Schaukeln. Man nimmt Schwung, schwingt von rechts nach links und genießt das flaumige Gefühl im Bauch. Aber er dauert nicht lang, dann lässt genau das nach. Denn der Schwung verebbt.

So liegt man in der Matte und grübeltg, wie es sich wieder herstellen lässt. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Aufsetzen und Schwung holen wie beim Schaukeln. Das Problem: Man muss aufhören zu liegen. Oder aber man muss rechtzeitig eine Stange, einen Rechen oder etwas vergleichbare langes neben sich gelegt haben. Dann kann man Schwung holen wie ein stakender Kahnfährmann im Spreewald; nur liegend.

Der Nachteil: Beim Aufheben der Stange darf man nicht aus der Matte kippen. Und wirklich erholsam ist das Bewegen der Hängematte auch nicht. Aber eigentlich sind das Luxusprobleme. Wobei es schon Luxus ist, sich die Zeit zu nehmen und einfach zwischen den Bäumen zu liegen und etwas zu schwingen. Also Luxus im Luxus. Schön, wenn man solche Sorgen hat.