Montaigne entdeckt das Innere beim Reisen

Michel de Montaigne: Tagebuch der Reise nach Italien über die Schweiz und Deutschland von 1580 bis 1581
Michel de Montaigne: Tagebuch der Reise nach Italien über die Schweiz und Deutschland von 1580 bis 1581

Italien, Deutschland und die Schweiz aus der Sicht eines Franzosen aus dem 16. Jahrhundert, das ist eine interessante Konstellation. Zum einen weil die Nationalstaaten damals noch nicht einmal als Idee in den Köpfe war, zum anderen weil der Autor Michel de Montaigne präzise und amüsant zu formulieren wusste. Vor allem aber, weil in diesem Text, in diesem Tagebuch zu beobachten ist, wie sich das Ich, wie sich die Beschreibung von eigenen Gemütszuständen und die Beobachtung des eigenen Körpers bei Krankheiten in den Tagebüchern Raum nehmen. Das ist in dieser Zeit tatsächlich neu. Und so ermöglicht Montaignes Tagebuch einen Einblick in die frühsten Momente der Moderne.

Die Andere Bibliothek hat den Band jetzt herausgegeben. Das ist einerseits gut, weil er deshalb wieder verfügbar ist. Es ist aber auch ärgerlich, weil das Besondere dieser Reihe dadurch aufgeweicht wird. Denn der exakt gleiche Band ist schon vor einigen Jahren bei Eichborn erschienen. Derselbe Text, dieselbe Übersetzung, nur die Gestaltung ist anders. Da das Ziel der Anderen Bibliothek eigentlich das Entdecken von Büchern und Texten ist, die schon lange nicht mehr verfügbar sind oder gar noch nie in Deutschland oder gar überhaupt noch nie erschienen sind, ist das wirklich ärgerlich.

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Die Reportagen von Albert Londres verblüffen durch Aktualität

Albert Londres: Ein Reporter und nichts als das
Albert Londres: Ein Reporter und nichts als das

Albert Londres kannte ich bislang nicht. Dass er ein großer französischer Journalist in den Zwischenkriegsjahren war, wusste ich nicht. Aber jetzt habe ich „Ein Reporter und nichts als das“ gelesen. „Die Andere Bibliothek“ hat wieder einmal Texte zugänglich gemacht, die in Deutschland bislang nicht verfügbar waren. Drei Bücher haben Christian Döring als Herausgeber und Linda Vogt als Lektorin in einem Band zusammengefasst. Und alle drei sind Reportagen von großer Klarheit.

„China aus den Fugen“ ist im Mai 1922 erschienen und schildert die Situation zehn Jahre nach der Abdankung des letzten Kaisers. „Ahashver ist angekommen“ ist eine Reise durch das jüdische Leben in Westeuropa, den Ghettos Osteuropas und im Palästina der Zionisten in den Jahren 1929 und 1930. Und „Perlenfischer“ ist das Ergebnis einer Recherche zwischen dem Golf von Oman und dem Golf von Aden im Jahr 1931. Jedes dieser Bücher ist ein erstaunlicher Reportageband. In ihrer Fülle sind sie ein fulminantes Zeugnis davon, was dieses Genre kann.

Das wird vor allem bei „Ahashver ist angekommen“ deutlich. Londres beginnt in London, sich auf die Suche nach dem Leben und dem Denken der Juden zu machen. Er lernt die reichen und die armen Juden kennen. Er besucht Talmud-Schulen und spricht mit Zionisten, die eine jüdische Zukunft nur in Palästina sehen. Von dort macht sich Londres auf den Weg über Westeuropa ins östliche Mitteleuropa, in die Tschechoslowakei, nach Polen und Russland. Er erlebt die kaum vorstellbare Armut der Juden in den Karpaten oder dem Lemberger Ghetto. Er reist zusammen mit Menschen, die sieben Sprachen fließend sprechen, aber es nicht schaffen sich aus den furchtbaren Zuständen ihrer Heimatorte zu befreien. Er lernt Wunderrabbis kennen und überall sieht er Fotografien von Theodor Herzl, dem Begründer des Zionismus. Londres erfährt, was die Juden Europas bewegt, wie unterschiedlich sie denken – und wie antisemitisch die Gesetzgebung Polens war, wie diskriminierend Tschechen, Slowaken, Rumänen, Ukrainer oder Russen mit der Minderheit in ihrer Mitte umgingen. Londres hört überlebenden der Pogrome in Russland zu. Und so versteht er immer besser, warum sich ein Teil der Juden in den tiefen Glauben flüchtete und ein anderer sein Heil in der Auswanderung ins Land der Vorväter in Palästina suchte.

Wer diese Reportage heute, nach der Shoa, liest, erschrickt zwangsläufig. Nicht nur, weil hier eine Welt auflebt, die durch die Mordmaschinerie der Nazis vernichtet wurde. Nein, man erschrickt auch, weil der Hass auf die Juden als ein europäisches Phänomen geschildert wird. Denn das diskriminiert werden, ja das ermordet werden, gehörte für die Juden auch in den 21 Jahren zwischen 1. und 2. Weltkrieg zum Alltag.

Sein Besuch im englischen Mandatsgebiet, in dem sich die Zionisten niederlassen durften, ist ebenfalls von einer ungeheuren Hellsichtigkeit. Londres beschreibt die Konflikte mit den Arabern, er schildert auch dort einen Pogrom gegen die Juden – und er beobachtet verblüfft, wie sie die jüdischen Einwanderer in den Dienst des Aufbaus eines jüdischen Staats stellten, ohne auf die einstige Stellung in Europa zurückzublicken. Wer etwas über das Entstehen des Nahost-Konflikts erfahren will, ist hier richtig. Denn Londres zeichnet bei seiner Reportage aus den Jahren 1929 und 1930 genau die Konfliktlinien nach, die noch heute entscheidend sind. Und er erfasst die Mentalität eines Volkes, das sich aus der Diskriminierung und Verfolgung befreit, um den eigenen Staat zu schaffen. Londres schafft es dabei, immer Distanz zu wahren. Ihn begeistern der Wille und die Zielstrebigkeit. Aber er versteht auch die Araber. Er nimmt keine Partei, sondern schafft es nur Kraft seiner Beobachtung und seiner klaren und prägnanten Stils, aufzuklären. Ein Meisterwerk eben.

Reinhard Blomert rettet Adam Smith vor der FDP

Reinhard Blomert: Adam Smiths Reise nach Frankreich oder die Entstehung der Nationalökonomie
Reinhard Blomert: Adam Smiths Reise nach Frankreich oder die Entstehung der Nationalökonomie

Für die FDP ist Adam Smith eine Art Säulenheiliger. Für die Vertreter des Vulgär-Kapitalismus ist der schottische Philosoph und Ökonom derjenige, auf den man sich guten Gewissens berufen kann, wenn man sein Gewissen bei der Mehrung des Vermögens abschalten will. Adam Smith ist der, der sagte, dass der Markt alles regelt, derjenige, der den Eingriff des Staates in die Wirtschaft ablehnte, weil die Wohlstandsmehrung des Einzelnen nicht behindert werden dürfe, denn nur so könne der Wohlstand aller gemehrt werden.

So haben wir Adam Smith im Kopf. So wird er uns immer wieder vorgehalten, wenn uns nicht einleuchten will, dass der Staat schlechter wirtschaften soll als beispielsweise Opel oder die Banken, Versicherungskonzerne und Fonds, die die Alterversorgung Hunderttausender in nur zehn Jahren zweimal ruiniert haben. Nun ist niemand gezwungen, den radikalen Markt gut zu finden. Das Wählen der FDP ist auch kein Muss, sondern ein Akt der freien Wahl. Vor allem aber stimmt nicht einmal der Bezug auf Adam Smith in dieser vereinfachten und radikalen Form.

Das beschreibt Reinhard Blomert, der eine Ehrenrettung von Adam Smith in seinem Buch „Adam Smiths Reise nach Frankreich“ versucht. Vor allem will er verhindern, dass Adam Smith weiterhin so vereinfachend als Marktliberaler dargestellt werden kann und somit von den Philipp Röslers, Guide Westerwelles und Rainer Brüderles missbraucht werden kann. Denn auf der von Blomert beschriebenen Reise lernte Smith sehr wohl, dass Zölle im Einzelfall sinnvoll sein können. Er tauschte sich mit allen wichtigen Aufklärern von Voltaire bis Rousseau und den Enzyklopädisten aus lernte, von ihrem Denken zu lernen.

Blomert schreibt das gut verständlich. Allenfalls bei den großen Frankreich-Passagen hat die Entdeckung dieser versunkenen historischen Welt für den Autor eine so große Magie, dass der eigentliche Anlass der Entdeckungsreise manchmal aus den Blick zu geraten scheint. Aber selbst das ist lesenswert in diesem wunderschön gestalteten Buch. Angesichts des unablässigen Stroms an Wirtschaftsmeldungen, die der aufgeklärte Bürger verfolgen muss, um guten Gewissens seine Stimme bei der Bundestagswahl im Herbst abgeben zu können, ist es zudem hilfreich, sich etwas mit der Theorie der Ökonomen zu beschäftigen.

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Reinhard Blomert: Adam Smiths Reise nach Frankreich, Die Andere Bibliothek: 34 Euro

Les Yeux D’la Tête erfreuen das Lido

Les Yeux D'la Tête im Lido
Les Yeux D’la Tête im Lido

Was genau mich im Lido erwarten würde, wussten ich nicht. Irgendeine Mischung aus Frankreich und Balkan glaubte ich. Und tatsächlich war da viel Frankreich zu hören, auch immer wieder Balkan, aber auch Andalusien und jiddisches Osteuropa. Alles verpackt in einen eigenen Sound, der die vielen Einflüsse nicht demonstrativ vor sich herträgt, sondern zu einer sehr schönen, innigen und abwechslungsreichen Musik verbindet. Eine Musik, die mich genauso wie das restliche Publikum angenehm treiben und tanzen und träumen ließ.

Die sechs Pariser beherrschen ihre Instrumente und sind wunderbar aufeinander eingespielt. Vor allem die beiden Sänger mit ihren Gitarren schaffen es sofort mit dem Publikum zu kommunizieren. Das versteht zum Großteil kein Französisch und so versuchen sie mit einem herzlichen Pariser Englisch zu erklären, was sie da spielen. Aber das ist überflüssig. Denn die Musik, die ihre besondere Note durch das Akkordeon und das Saxophon bekommt, spricht für sich. Ihre Ironie wird genauso verstanden wie ihr Ernst oder ihre Innigkeit.

Les Yeux D’la Tête ist eine schöne Entdeckung, die nun häufiger auch daheim erklingen wird. Es ist halt doch immer wieder richtig, in Konzerte zu gehen, auch wenn man nicht genau weiß, was einen erwarten wird. Hier kann man mal reinhören…

Das gilt auch für die Vorband. Yukazu kommt aus Kreuzberg und stimmt die eigenen Lieder ebenfalls auf Französisch an. Dazu spielt ein Kontrabass, eine Klarinette, Gitarre, Schlagzeug und ein Akkordeon. Ergänzt um die beiden Stimmen der Sängerinnen ergibt das eine Hommage an Frankreich, die Sehnsucht weckt.

Yukazu im Berliner Lido
Yukazu im Berliner Lido

Eveline Hasler erinnert an den großen Fluchthelfer Varian Fry

Eveline Hasler: Mit dem letzten Schiff
Eveline Hasler: Mit dem letzten Schiff

Varian Fry war eine außergewöhnliche Persönlichkeit. In Zeit größter Not setzte er sich großer Gefahr aus, um Menschen zu retten. Schriftsteller, Maler, Wissenschaftler, die vor den Nazis nach Frankreich geflohen waren und 1940/41 versuchten über Marseille den Sprung ins sichere Amerika zu schaffen. Varian Fry kam ist nach Marseille gekommen und hat mit legalen Mitteln Visa für die USA beschafft- und mit illegalen Mitteln Pässe und Ausreisegenehmigungen für seine Schützlinge. Zu ihnen gehörten Heinrich Mann, Franz Werfel, Lion Feuchtwanger, Hannah Arendt, Walter Mehring oder Max Ernst. Am Ende waren es mehr als 2000 Menschen.

Diesem Varian Fry, amerikanischer Journalist und später auch Lehrer, setzt die Schweizerin Eveline Hasler mit ihren neuen Roman „Mit dem letzten Schiff – Der gefährliche Auftrag von Varian Fry“ ein kleines Denkmal. Das ist richtig und gut, auch wenn sich Hasler nicht ganz entscheiden kann, ob sie einen Roman oder doch eher eine biographische Skizze schreiben will. Der Verlag Nagel & Kimche nennt dies dokumentarischen Roman. Das stimmt insofern, als dass sie sich aus der Fülle des vorhandenen Materials über das Emergency Rescue Committee bedient, um ein sehr glaubwürdiges Buch zu schreiben. Aber der Roman kommt dabei dann doch etwas kurz.

Das ist aber nicht unbedingt schlimm. Vor allem für all jene, die noch nichts über Varian Fry oder gar dessen autobiografischen Bericht „Auslieferung auf Verlangen“ gelesen haben. Für sie ist Haslers Buch ein packender Text über Mut, Verzweiflung, Grausamkeit und die Kraft der Hoffnung und der rettenden Tat in einer eigentlich ausweglosen Situation. Ihnen öffnet sie einen neuen Blick auf den menschenverachtenden Irrsinn des Nationalsozialismus und die Kollaboration französischer Behörden, die in ihren Lagern die Deportation derer vorbereiteten und organisierten, denen es gelungen war, zwischen 1933 und 1940 Deutschland in Richtung Freiheit in Frankreich zu verlassen.

Aber für all jene, denen all dies bekannt ist, denen die Schicksale Varian Frys und seiner Schützlinge bekannt sind, erzählt sie nichts Neues. Und da, wo die Form des Romans die Kraft hätte, auszuschmücken, sich in das Denken und Fühlen der Betroffenen zu versetzen, also mit Phantasie und literarischer Kraft etwas Neues zu Formen, da bleibt Eveline Hasler seltsam bedeckt. Anders als Sabine Friedrich in ihrem großen Roman über den deutschen Widerstand – „Wer wir sind“. Das ist schade. Aber angesichts des wichtigen und an sich schon sehr dramatischen Stoffes, nicht so schlimm, dass es Leser vom Griff nach diesem Roman abhalten sollte.

Eveline Hasler: Mit dem letzten Schiff – Der gefährliche Auftrag von Varian Fry. Nagel & Kimche

de Sades Schädel hat eine tödliche Faszination

Der Schädel des Marquis de Sade
Der Schädel des Marquis de Sade

Er ist widerlich. Er ist abstoßend. Er ist faszinierend und er ist auch anziehend. Dieser Marquis de Sade, der am 2. Dezember 1814 in einer Irrenanstalt gestorben ist, gehört zu den historischen Figuren, die in jeder Generation neu entdeckt und verdammt wird. Alle setzen sich mit dem Lüstling und Philosophen, mit dem Revolutionär und Irrenhaus-Insassen auseinander.

Der mittlerweile verstorbene französischsprachige Autor Jacques Chessex aus der Schweiz hat das in seinem letzten Roman getan. Wobei Roman für die 127 Seiten eigentlich nicht der richtige Begriff ist. Das Buch handelt vom Schädel des Marquis, der nach seinem Tod ein Eigenleben entfaltet hat. Denn schon sein letzter Arzt hatte fest im Blick zu untersuchen, ob sich an und im Schädel die Abartigkeiten des Sadisten, Sodomisten und vor allem unbändigen Freigeistes materialisiert ablesen lassen. Deshalb bemächtigt er sich des Schädels, um ihn zu sezieren.

Chessex orientiert sich an historischen Begebenheiten. Er schildert den Insassen und Wüstling, der seinen sexuellen Passionen dank gut gefüllter Schatullen immer ausleben konnte. Er erzählt von den pathologischen Experimenten. Und er forscht dem Schädel nach. denn nicht nur der Arzt erliegt dem Totenkopf. Immer wieder bemächtigen sich unterschiedliche Mensches des Knochenstücks. Und immer wieder geschehen Unglücke in seiner Nähe; meist tödliche. Der erste Ausländer als Prix-Goncourt-Preisträger formt so eine Reihe von Episoden zu einer Erzählung über die Strahlkraft und Faszination des Marquis de Sade, die im nekrophilen Glauben an dessen Schädel gipfelt. Das passt natürlich zu dem Mann, der zu den schillerndsten Figuren der Aufklärung gehört.

Chessex verdichtet und verknappt historische und fiktive Begebenheit so sehr, dass dabei ein erstaunliches Porträt de Sades entsteht, obwohl der nur im ersten Viertel des Buches als Person beschrieben wird. „Der Schädel des Marquis de Sade“ ist ein faszinierender, abstoßender und dennoch fesselnder Solitär. Ein Buch, das schnell, in einem Zug gelesen wird und den Leser seltsam erregt und verwirrt zurücklässt.

Martin Prinz erwandert sich die bäuerliche Kultur der Alpen

2500 Kilometer quer durch die Alpen. Auf den Weg von Triest in Italien nach Monaco hat sich der österreichische Journalist Martin Prinz gemacht. Zu Fuß wollte er nicht nur seine körperlichen Grenzen kennenlernen, sondern vor allem auch die unserer Lebensweise. Der Alpenraum ist eine von Menschen belebte und geformte Kulturlandschaft. Das betrifft natürlich nicht die Gipfel und Gletscher.

Aber die Bergwiesen und Almen, die jeder Tourist mit den Alpen in Verbindung bringt, gibt es nur, weil Menschen seit Jahrhunderten Landwirtschaft betreiben. Der Rückgang der bäuerlichen Kultur birgt die Gefahr, dass sich die Alpen insgesamt verändern. Insofern war die Wanderung in 161 Tagen mehr als eine Suche nach dem eigenen ich. Für Prinz war der lange Weg vor allem eine Recherchereise, bei der die Langsamkeit der Fortbewegung erste die Erkenntnis beförderte.

Denn egal ob in Italien, Slowenien, Österreich, Deutschland, der Schweiz oder Frankreich, überall entdeckte Prinz eine ähnliche Struktur der einstigen bäuerlichen Landwirtschaft – und dieselben Folgen deren Rückgangs. Denn da, wo heute Städter die ehemaligen Bauernhöfe als Wochenendhaus nutzen, werden aus ehemaligen Weiden wieder Wälder. Damit verändert sich nicht nur das Landschaftsbild, es verschiebt sich die gesamte ökologische Struktur. Und mit dem Rückgang der bäuerlichen Eingriffe wachsen auch die Gefahren von Lawinen und Muren. Denn die Bauern sichern das Land nicht mehr. Eine Aufgabe, die von den Wochenendpendlern auch nicht übernommen wird. Martin Prinz gelingt es in seinem Buch diese Zusammenhänge sehr anschaulich darzustellen. Wesentliches Stilmittel dabei sind seine Schilderungen des Laufens, Kletterns und Ausruhens.

Er nimmt den Leser auf die Wanderung mit, lässt ihn die Strapazen und Gefahren erleben. Dadurch werden die Eindrücke unmittelbarer und die Schlussfolgerungen zum Thema Natur und Mensch plausibler. Lediglich der dritte Erzählstrang ist mitunter nervig. Die Trennung von der Mutter seines Kindes und das Finden einer neuen Liebe mag für Prinz ein bedeutender Teil der langen reise sein. Für den Leser ist das aber unerheblich. Dieser lange Weg zu ihm selbst nimmt dutzende Seiten ein, die gern hätten gestrichen werden können. Sie blähen das ansonsten gut und informativ geschriebene Buch auf und schmälern gleichzeitig die Leselust.

MOZ-Rezension…

Sarah Wiener entdeckt die Küche für uns

Sarah Wiener, Quelle: pr
Sarah Wiener, Quelle: pr

Sarah Wiener (46) ist gern unterwegs. Schon mit 17 trampte sie quer durch Europa. Ihre Leidenschaft Kochen hat sie zum Beruf gemacht. Für den Sender arte war sie kreuz und quer durch Frankreich unterwegs, um im Land der Feinschmecker bei herausragenden
Köchen deren Rezepte kennenzulernen. Dabei musste sie Tiere schlachten, Käse machen und Weintrauben pressen.

Frau Wiener, wo schmeckt es besser? In Österreich oder Frankreich?

So pauschal kann man das natürlich nicht sagen! Ich komme aus Österreich und liebe die
österreichische regionale Küche sehr – die österreichische Mehlspeisenküche hat  Weltklasse und ist meiner Meinung nach ungeschlagen. Andererseits ist Frankreich ein so vielfältiges und klimatisch unterschiedliches Land, dass wirklich jeder etwas finden kann, was er liebt. Besonders natürlich auch alles, was aus dem Meer kommt.

Warum? Wird die österreichische Küche nicht unterschätzt?

Österreich ist ein kleines Land. Die Küche hat aber einen sehr guten Ruf – und das zu Recht.

Aber mit Arte waren Sie in ganz Frankreich unterwegs, um zu kochen. Welche Aufgabe war die schwerste?

Die Tiere zu schlachten, hat mir schon etwas zu schaffen gemacht – und manchmal das  frühe Aufstehen, um dann körperlich hart zu arbeiten, wie auf dem Fischkutter oder Käse herzustellen.

Vielen Leuten sind Innereien ein Gräuel. Wie erklären Sie denen, dass zwischen Leber und  Herz echte Leckereien stecken?

Einfach probieren – und dann nochmal.

Gibt es etwas, vor dem Sie sich richtig ekeln?

Verdorbenes Fleisch und lebendige Tiere hinunterzuwürgen.

Was ist der Unterschied zwischen den beiden Büchern „Meine kulinarische
Reise durch Frankreich“ und „Frau am Herd“?

Das erstere ist ein Reisebericht mit allen französischen Rezepten und meinen eigenen Erfahrungen. Das letztere ist ein reines Kochbuch mit Warenkunde, quer durch Europa, mit den unterschiedlichsten Rezepten, die ich alle sehr mag und die relativ gut  nachkochbar sind.

Und auf was sollten wir alle beim Einkaufen Ende November unbedingt achten?

Worauf Sie auch in den anderen Monaten achten sollten: Frische, Saisonalität wenn möglich, kleine Produzenten und Fleisch aus artgerechter Tierhaltung.

 

Dieses Interview ist am 28. November 2008 in 20cent erschienen.


Baru zeichnet ein scharfes Bild vom Rechtsradikalismus

Es hat relativ lange gedauert, bis die Comics des Franzosen Baru (eigentlich Hervé Barulea, 59) in Deutschland angekommen sind. Sein 1995 in Frankreich erschienener Band „Autoroute Du Soleil“ ist ein Beispiel dafür.

Das 430 Seiten dicke Buch ist aber noch immer aktuell. Es erzählt die merkwürdige
Freundschaft eines Lothringers mit einem jungen Araber, die auf der Flucht vor den Schlägern der rechtsradikalen Front National sind. Baru zeichnet das Bild einer
Gesellschaft, in der Migranten nicht willkommen sind, weil die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist. Das erinnert auch an manche Ecke im Osten Deutschlands. Aber Baru belässt es nicht bei einfachen Erklärungen. Seine Figuren leben. Und überzeugen deshalb.

Baru: AUTOROUTE DU SOLEIL. CARLSEN VERLAG. 19,50 EURO