Heimat (22) – Der DDR-Polizeiruf „Draußen am See“

Am Zeuthener See
Am Zeuthener See

Wenn einen ein alter, nur mäßig überzeugender Polizeiruf 110 daran hindert ins Bett zu gehen, dann muss er im Zuschauer etwas Besonderes auslösen. „Draußen am See“ zeichnet sich weder durch Thrill, Action oder gar Humor au. Im Gegenteil: Gestelzte Dialoge, langsame Schnitte und eine in Teilen ans Absurde grenzende Handlung sind eigentlich Garanten fürs sofortige Ausschalten.

Dennoch hab eich den DDR-Krimi geschaut. Denn er zeigt den Zeuthener See so, wie er 1983 aussah. Die Insel zwischen Zeuthen und Schmöckwitz Werder hat noch keinen Ring aus Holzpfählen, um zu verhindern, dass das Naturschutzgebiet von Bootsfahrern gestört wird. Die Uferlinie ist noch nicht ganz so verbaut wie heute – vor allem in Schmöckwitz. Aber dennoch ist es die Uferlinie, der ich beim Paddeln folge. Der Kohlekahn, mit dem man in der Fahrrinne immer rechnen muss oder das Bootshaus Roll mit seinen vielen Stegen.

Dass der DDR-Polizeiruf einmal für mich Heimat-Fernsehen sein könnte, hätte ich mir nie vorstellen können. Und doch sind die Bilder vom Zeuthener See genau das. Sie lösen ein frohes Erkennen zutiefst vertrauter Anblicke aus. Und das so sehr, dass sich bestimmt die Recherche lohnt, ob noch mehr Filme hier am See gedreht worden sind.

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“

Schnittstellen in der Natur

Bei meiner externen Festplatte nervt die Schnittstelle. Ob es das Kabel oder die Buchse ist, weiß ich nicht. Sicher ist nur, dass ich nicht mehr an die Daten komme.

In der Natur finden sich auch ganz viele Schnittstellen. So wie hier im Wald auf Schmöckwitz-Werder. Sie zeugen davon, dass Schnitte mit Sägen oder Bruch durch Wind Bestehendes zerstört hat. Bei meiner Festplatte ist das nicht viel anders. Auch da existieren die Daten noch. Aber die kaputte Schnittstelle verhindert, dass ich an sie komme. Und so sind die Daten für mich das, was die Bäume, die es nicht mehr gibt, für die zurückgebliebenen Stümpfe sind: Erinnerungen an etwas Verschwundenes.

Eine tückische Falle beim Laufen

Seilfalle für Läufer auf dem Schmöckwitzer Werder
Seilfalle für Läufer auf dem Schmöckwitzer Werder

Die Luft macht sich in den Lungen ganz tief breit. Sie riecht nach Aufbruch. Die Haut spürt das erste Mal Temperaturen von mehr als 20 Grad. Die Augen finden überall ganz helles Grün, wo vor einer Woche nur braun war. Und die Ohren lauschen auf das Knacken der Knospen und auf das aufgeregte Zwitschern der Vögel.

Die Gedanken lassen sich ganz von diesem Frühlingsgefühl einnehmen. Andere wollen sich nicht fassen lassen. Sie verschwinden gleich wieder, weil ein neuer Eindruck dieser erwachenden Natur an diesem Abend beim Laufen alles  Schwere sofort vertreibt.

Seilfalle für Läufer auf dem Schmöckwitzer Werder
Seilfalle für Läufer auf dem Schmöckwitzer Werder

Die Schritte sind bei diesem Lauf am Schmöckwitzer Werder noch recht  schwer. Die vergangenen Wochen blieben die Laufschuhe meist noch im Schuhregal. Und die Rippenprellung vor einem halben Jahr hat die Kondition auch nicht wirklich gefördert. Und dennoch fühlt sich alles gut an.

Doch dann erfasst das Auge einen schmalen Strich kurz übe rdem Boden. Sofort sticht Schmerz in die Rippe. Mit dem rechten Fuß springe ich rechtzeitig noch ab, um über die gespannte Schnur zu springen. Dann bleibe ich stehen. Das Herz rast, der Rippenschmerz entpuppt sich als Phantomschmerz. Aber der Kopf ist hellwach.

Und der Ärger und die Wut über diejenigen, die hier eine Stolperfalle für Läufer und Radler gespannt haben. Wer macht so etwas? Wer freut sich darüber, wenn andere stürzen, sich eventuell Rippen prellen oder noch schlimmer Knochen brechen? Das Seil ist in gut 15 Zentimeter Höhe gespannt. Genau so, dass eigentlich jeder stürzen muss.

Ich hatte noch einmal Glück, habe die Knoten gelöst und die Schnur weggeschmissen. Beim nächsten Lauf werde ich noch mehr auf den Boden schauen. Und mich ständig daran erinnern müssen, dass ich mich nicht von Grün und Zwitschern und Wärme ablenken lassen darf.

Ein fremder Frühlingsgruß

Am Zeuthener See am ersten richtig warmen Abend.
Am Zeuthener See am ersten richtig warmen Abend.

Fürs Wochenende war noch Schnee angekündigt, doch der Frühling ließ sich nicht vertreiben. Am Tag nach Ostern klettern die Temperaturen auf 19 Grad. Selbst am Abend ist es noch richtig warm, für den Läufer in seiner Laufjacke sogar zu warm.

Ihm kommen ständig Menschen auf dem Weg am See entgegen. Sie trauten eher der Wettervorhersage als dem eigenen Temperaturempfinden. In dicken Winterjacken trotten sie eher, als dass sie  fröhlich dem Frühling entgegen schreiten. In ihre Gedanken versunken, die Jacken bis oben verschlossen, wirken sie an diesem Abend wie aus einer anderen Welt.

Erst das „Hallo“ des Läufers schreckt sie aus ihrer abgekapselten Welt auf. So ist dann auch ihr Blick. Aber nur im ersten Moment. Dann macht sich ein Lächeln in ihren Augen breit – und sofort danach im ganzen Gesicht. Der fröhliche Gruß des fremden Läufers holt sie aus dem Winter. Ihre Köpfe tragen sie jetzt oben. Ihre Schritte werden fester. Und das alles nur wegen eines Grußes am ersten Frühlingsabend.

Frisches Ostermoos an Weihnachten

Weihnachten 2011: Bei elf Grad schimmert das Moos wie eigentlich an Ostern. Zartes Grün macht sich breit, wo Schnee sein sollte. Im Wald auf Schmöckwitz Werder erinnert gar nichts an Winter. Lediglich einige Spaziergänger, die dick vermummt frische Luft im Wald suchen, erinnern an die Jahreszeit. Obwohl die Temperaturen keine Mützen, keine Schals und keine Handschuhe erfordern.

Bin ich spießig?

Am Morgen danach sieht es fast immer so aus. Wobei sich das „danach“ nicht auf eigene Feiern bezieht, sondern auf Abende, die zu viele Menschen an den Badewiesen in Eichwalde oder Schmöckwitz gefeiert haben. Neulich haben Kinder in Eichwalde 70 Bierflaschen eingesammelt und das Pfand ergattert. 70 Flaschen am nächsten Morgen!

Diese Flaschen waren wenigstens ganz. Aber allzu oft sind sie auch nur noch Scherben. Da kommen dann all die Badefreunde am nächsten Tag und müssen genau darauf achten, dass sie in keine Scherbe treten. Oder die Kinder aus der Eichwalder Waldkita, die einmal in der Woche einen Strandtag haben. An all sie denkt von den Feiernden niemand. Ist es jetzt spießig, sich darüber zu ärgern? So wie es vielleicht spießig ist, dass in Kreuzberg nicht mehr jeder lärmende und besoffene Tourist von allen Anwohnern herzlich begrüßt wird? Ich weiß es nicht, glaube aber nicht, dass das spießig ist. Ich denke eher, es ist Wut über den mangelnden Respekt, den die Dreck-Hinterlasser und Lärm-Verursacher ihrer Umwelt gegenüber haben.

Umwelt meint damit beides: Natur und Menschen, die daneben wohnen oder am nächsten Tag auf dem gleichen Stück Strand liegen wollen. Mit etwas Respekt und weniger Ignoranz dem Anderen gegenüber ginge so vieles so viel einfacher. Und alle wären zufriedener. Aber vielleicht ist diese Hoffnung romantisch? Oder diese Sehnsucht doch spießig?