Eine tückische Falle beim Laufen

Seilfalle für Läufer auf dem Schmöckwitzer Werder
Seilfalle für Läufer auf dem Schmöckwitzer Werder

Die Luft macht sich in den Lungen ganz tief breit. Sie riecht nach Aufbruch. Die Haut spürt das erste Mal Temperaturen von mehr als 20 Grad. Die Augen finden überall ganz helles Grün, wo vor einer Woche nur braun war. Und die Ohren lauschen auf das Knacken der Knospen und auf das aufgeregte Zwitschern der Vögel.

Die Gedanken lassen sich ganz von diesem Frühlingsgefühl einnehmen. Andere wollen sich nicht fassen lassen. Sie verschwinden gleich wieder, weil ein neuer Eindruck dieser erwachenden Natur an diesem Abend beim Laufen alles  Schwere sofort vertreibt.

Seilfalle für Läufer auf dem Schmöckwitzer Werder
Seilfalle für Läufer auf dem Schmöckwitzer Werder

Die Schritte sind bei diesem Lauf am Schmöckwitzer Werder noch recht  schwer. Die vergangenen Wochen blieben die Laufschuhe meist noch im Schuhregal. Und die Rippenprellung vor einem halben Jahr hat die Kondition auch nicht wirklich gefördert. Und dennoch fühlt sich alles gut an.

Doch dann erfasst das Auge einen schmalen Strich kurz übe rdem Boden. Sofort sticht Schmerz in die Rippe. Mit dem rechten Fuß springe ich rechtzeitig noch ab, um über die gespannte Schnur zu springen. Dann bleibe ich stehen. Das Herz rast, der Rippenschmerz entpuppt sich als Phantomschmerz. Aber der Kopf ist hellwach.

Und der Ärger und die Wut über diejenigen, die hier eine Stolperfalle für Läufer und Radler gespannt haben. Wer macht so etwas? Wer freut sich darüber, wenn andere stürzen, sich eventuell Rippen prellen oder noch schlimmer Knochen brechen? Das Seil ist in gut 15 Zentimeter Höhe gespannt. Genau so, dass eigentlich jeder stürzen muss.

Ich hatte noch einmal Glück, habe die Knoten gelöst und die Schnur weggeschmissen. Beim nächsten Lauf werde ich noch mehr auf den Boden schauen. Und mich ständig daran erinnern müssen, dass ich mich nicht von Grün und Zwitschern und Wärme ablenken lassen darf.

Ein fremder Frühlingsgruß

Am Zeuthener See am ersten richtig warmen Abend.
Am Zeuthener See am ersten richtig warmen Abend.

Fürs Wochenende war noch Schnee angekündigt, doch der Frühling ließ sich nicht vertreiben. Am Tag nach Ostern klettern die Temperaturen auf 19 Grad. Selbst am Abend ist es noch richtig warm, für den Läufer in seiner Laufjacke sogar zu warm.

Ihm kommen ständig Menschen auf dem Weg am See entgegen. Sie trauten eher der Wettervorhersage als dem eigenen Temperaturempfinden. In dicken Winterjacken trotten sie eher, als dass sie  fröhlich dem Frühling entgegen schreiten. In ihre Gedanken versunken, die Jacken bis oben verschlossen, wirken sie an diesem Abend wie aus einer anderen Welt.

Erst das „Hallo“ des Läufers schreckt sie aus ihrer abgekapselten Welt auf. So ist dann auch ihr Blick. Aber nur im ersten Moment. Dann macht sich ein Lächeln in ihren Augen breit – und sofort danach im ganzen Gesicht. Der fröhliche Gruß des fremden Läufers holt sie aus dem Winter. Ihre Köpfe tragen sie jetzt oben. Ihre Schritte werden fester. Und das alles nur wegen eines Grußes am ersten Frühlingsabend.

Erste Laufversuche auf glitschigem Laub

Weihnachtlich-matschige Waldwege
Weihnachtlich-matschige Waldwege

Die frische Luft tut gut. Auch wenn die Beine furchtbar schmerzen. Auf glitschigem Untergrund ist das Laufen eine aufregende Angelegenheit. Vor allem, wenn nach wochenlanger Pause wegen der Rippenprellung die Unsicherheit dazu kommt.

Jeder Schritt erfordert Vorsicht. Das nasse Laub und der Matsch vom täglichen Regen ist ein blöder Untergrund. Aber der Bewegungsdrang ist nach wochenlangem Pausieren stärker. Auch wenn die Rippe ständig mahnt, ja behutsam zu sein. Mit leichtem Stechen bei jedem Schritt ruft sie sich dauerhaft ins Bewusstsein. Und so sind die Schritte eher schwerfällige Tapser statt gazellenhafter Sprünge.

Das wiederum macht sich in den Gelenken und der Muskulatur bemerkbar. Aber was soll’s? Irgendwann muss das Laufen ja wieder beginnen. Und ob das nun auf diesem Matsch ist oder vielleicht in einigen Tagen oder Wochen auf frischem Schnee ist doch auch egal. Vielleicht sind dann die Schritte wieder sicherer und die Muskeln lockerer. Auf jeden Fall aber wird auch dann die frische Luft gut tun. Und das Duschen nach dem Schwitzen.

Von der Veränderung des Schmerzes

Anfangs war der Schmerz ganz stechend. Schon beim Sturz war es so, als würde der Schmerz in Wellen von genau diesem Punkt an den beiden linken Rippen über dem Herzen ausstrahlen. So war es auch, als ich den Lauf fortsetzte und nach dem Heimkommen und in der ertsen Nacht. Bei jeder Bewegung schoss die gesamte Konzentration des Körpers auf diesen einen Punkt. Und von da breitete sich dieses Gefühl, das einen vollständig verkrampfen und das Gesicht verziehen lässt, aus.

Am Folgetag dann die Ärztinnen. Die erste tastete sich vorsichtig an die Stelle vor. Die zweite drückte den Brustkorb einfach von rechts und von links abrupt zusammen. Während das vorsichtige Annähern den heftigen Stich vorbereitete und der Kopf wusste, was jetzt kommt, war der Körper quasi gelähmt. Bei der Pressattacke setzte die Lähmung von Kopf und Körper mit dem abrupten Stich in den Rippen ein – und ließ erst nach, als sich die Schmerzwellen quasi ausliefen. Was besser ist? Ich kann es nicht sagen. In beiden Fällen war der Schmerz stechend und heftig.

Inzwischen ist aus dem plötzlichen Zutreten des Schmerzes ein dauerhafter geworden. Allerdings nicht mehr stechend, sondern verkrampft. Die Musuklatur, die seit acht Tagen die Rippen krampfhaft vor Erschütterungen schützt, ist nicht mehr locker. Deshalb schmerzt die linke Seite jetzt ständig. Zwar nicht mehr stechend, aber anhaltend. Was besser ist? Eindeutig der jetzt erreichte Zustand. Es gibt kaum unvorbereitete Überraschungsmomente, sondern nur erwartbares Zähne-Zusammenbeißen. Das führt zwar nicht zu Entspannungen, läßt sich aber deutlich besser ertragen. Obwohl so verkrampfte Zustände eigentlich alles andere als lustig sind. Sie lähmen, weil sie Spontanität durch Angst ersetzen.

Heimat (8): Laufwege an und in Buchenwäldern

Buchenwald bei Betzenberg
Buchenwald bei Betzenberg

Die Ruhe wird nur von Traktoren gestört. Ab und an ist das Pumpen der Kolben in der Ferne zu vernehmen. Aber hier in der Fränkischen Schweiz ist dieser Klang schon fast natürlich. Er gehört hier her wie der Fels aus Kalk. Beim Laufen durch noch immer hellgrün schimmernden Buchenwald, die leichte Steigung deutlich spürend, stellt sich ein vages Heimatgefühl ein.

Die Farbe der Erde, der Geruch des Waldes, der Klang der fernen Bulldogs, all das macht die Schritte leichter. Auch ohne Laufschuhe (stattdessen leichte Straßenschuhe) dafür aber mit Kreuzschmerzen. Die lassen dann auch nach. Mit jedem Einatmen dieser wohl vertrauten Luft.

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“

Schrecksekunden beim Laufen im Wald

Laufen am Morgen. Die Schritte legen regelmäßig das gleiche Stück Weg zurück. Der Puls hat sich auf einen schnelleren, aber geregelten Schlag eingestellt. Der See links neben mir bewegt sich in der immer gleichen, ganz sanften Dünung. Die Lunge saugt die Luft in einem Zug ein und pumpt sie in drei kurzen Stößen aus. Alles ist ruhig.

Doch dann kommt ein kläffender Hund von der Seite angerannt. Meine Schritte stoppen. Das Herz beginnt zu rasen. Der Atem stockt. Der Hund springt mich an. Will er beißen? Ich weiß es nicht. Nicht in dieser Schrecksekunde und nicht später. Ein Mann ruft den Köter zu sich. Er hörtr erst beim dritten Mal. Zu meiner Beruhigung trägt das nicht bei.

Und dann kommt der Satz, der mich explodieren lässt: „Er will ja nur spielen.“ „Und ich will in Ruhe laufen! Woher soll ich denn wissen, dass das Vieh nicht beißt?“ Der Mann ist verdutzt. Schaut mich an, als sei ich von einem anderen Stern. Und dreht sich wortlos um. Ich beginne wieder zu laufen. Die Schritte sind schwer. Das Herz schlägt zu schnell. Der Atem ist unregelmäßig, Seitenstechen ist die Folge. Und das alles nur wegen dieses Hundes. Nicht, nicht wegen des Hundes ermahne ich mich selbst. Wegen des Mannes, der seinen Hund nicht unter Kontrolle hat.

Als ich mich beruhigt habe, als ich den Rhythmus wiedergefunden habe, als das Seitenstechen vorbei ist, kommt ein Mann mit Fahrrad entgegen. Die Hundeleine hat er um den Nacken gelegt. Hinter ihm rennt ein Hund, der so groß ist wie das Fahrrad. Ich stocke, bleibe wie angewurzelt stehen. Der Mann erschrickt. Ruft den Hund zu sich und fährt zwischen Hund und mir an mit vorbei. Der Lauf bleibt danach unruhig. Ruhig sind nur die Hundebesitzer, die mit ihren Tieren nur spielen. Und sich gar nicht vorstellen können, dass man Angst vor ihnen hat. Begründete Angst, wenn man schon zweimal gebissen wurde.