Bin ich spießig?

Am Morgen danach sieht es fast immer so aus. Wobei sich das „danach“ nicht auf eigene Feiern bezieht, sondern auf Abende, die zu viele Menschen an den Badewiesen in Eichwalde oder Schmöckwitz gefeiert haben. Neulich haben Kinder in Eichwalde 70 Bierflaschen eingesammelt und das Pfand ergattert. 70 Flaschen am nächsten Morgen!

Diese Flaschen waren wenigstens ganz. Aber allzu oft sind sie auch nur noch Scherben. Da kommen dann all die Badefreunde am nächsten Tag und müssen genau darauf achten, dass sie in keine Scherbe treten. Oder die Kinder aus der Eichwalder Waldkita, die einmal in der Woche einen Strandtag haben. An all sie denkt von den Feiernden niemand. Ist es jetzt spießig, sich darüber zu ärgern? So wie es vielleicht spießig ist, dass in Kreuzberg nicht mehr jeder lärmende und besoffene Tourist von allen Anwohnern herzlich begrüßt wird? Ich weiß es nicht, glaube aber nicht, dass das spießig ist. Ich denke eher, es ist Wut über den mangelnden Respekt, den die Dreck-Hinterlasser und Lärm-Verursacher ihrer Umwelt gegenüber haben.

Umwelt meint damit beides: Natur und Menschen, die daneben wohnen oder am nächsten Tag auf dem gleichen Stück Strand liegen wollen. Mit etwas Respekt und weniger Ignoranz dem Anderen gegenüber ginge so vieles so viel einfacher. Und alle wären zufriedener. Aber vielleicht ist diese Hoffnung romantisch? Oder diese Sehnsucht doch spießig?

Göttliche Erkenntnis

Ob es der Punkt zwischen den Fußballen ist oder der in der Falte unterhalb des kleinen Fingers, wenn man eine Faust ballt, weiß ich nicht mehr. Aber ich bin mir sicher, dass einer von beiden „Göttliche Erkenntnis“ heißt. Das zumindest meinte mein Arzt, der vor gut 30 Jahren gegen meinen Heuschnupfen und meine Kniebeschwerden – erfolgreich – mit Akupunkturnadeln vorging.

Beide Punkte sind sehr schmerzempfindlich, wenn eine feine Nadel in die Haut gedreht wird. Seit gestern bin ich mir dennoch sicher, dass es der Punkt am Fuß sein muss. Barfuß habe ich mir in der Küche einen winzigen Glassplitter genau in diese Stelle gerammt. Er war so klein, dass er in der Wunde kaum zu finden war. Dafür war der Schmerz umso größer, genauso wie damals bei der Akupunktur. Erkenntnis konnte ich zwar keine gewinnen. Wahrscheinlich kam der Schmerz dafür zu spontan. Jetzt aber weiß ich, dass er bei jedem Schritt wieder kommt. So wie ich früher beim Nadeln wusste, was mir blüht.

Das Wissen um den bevorstehenden Schmerz aber sorgt tatsächlich für die Bereitschaft, sich Größerem hingeben zu wollen. Und sei es nur den tröstenden Armen wärmender Geborgenheit. So wie früher als Kind, als Gott noch alles beobachtete. Und damit für vertrauensvolle Sicherheit sorgte. Und die Moral von der Geschicht? / Tritt niemals in die Scherbe nicht / nur wenn die Hilfe ist ganz nah / erträgt den Schmerz der Mensch / Ansonsten dreht er durch / denkt nicht mehr klar / wie bei der Liebe Leid / macht sich sonst Verzweiflung breit