Christian Rickens schreibt gegen neokonservative Plappermäuler

Dieses Buch ist ein Segen. ChristianRickens argumentiert geistvoll gegen die Armada der neokonservativen Plappermäuler dieser Republik an. Ob Eva Herrmann (48, Das Eva-Prinzip), Matthias Matussek (56, Wir Deutschen) oder Björn Lomborg (42, Apocalypse No), sie alle werden inhaltlich sachlich, aber im Ton auch etwas böse widerlegt.

Rickens schafft es, der schwülstigen Sehnsucht nach Gebärfreudigkeit im Namen der Nation, Patriotismus ohne historische Verwurzelung und Freude am deutschen, aber reaktionären Papst Klarheit und Aufklärung entgegenzusetzen. Rickens Buch ist ein Muss für alle, die sich als mündige Bürger verstehen.

Christian Rickens: DIE NEUEN SPIESSER – VON DER FATALEN SEHNSUCHT NACH EINER ÜBERHOLTEN GESELLSCHAFT. ULLSTEIN. 14 EURO

Alles zur RAF auf 1400 Seiten

Wolfgang Kraushaar: Die RAF und der linke Terrorismus
Wolfgang Kraushaar: Die RAF und der linke Terrorismus

47 Autoren hat Wolfgang Kraushaar auf den 1400 Seiten seines zweibändigen Werks „Die RAF und der linke Terrosrismus“ versammelt. Damit wird es sicher zum Standardwerk über die Geschichte der RAF und des linken Terroismus in Deutschland.

Kraushaar und seinen Autoren gelingt es, das Phänomen RAF genau zu ergründen. Es gibt Porträts der wichtigsten Täter. Überblicke über Organisation, Attenatate und Ziele der RAF und lesenswerte Einordnungen des deutschen Terrorismus in den internationalen
in der Vergangenheit und der Gegegwart. Was fehlt, ist der Blick der Opfer auf die Terroristen. Dennoch: Wer fundiert und gut verständlich über dieses Kapitel deutscher Geschichte informiert werden will, muss zu diesem Buch greifen.

WOLFGANG KRAUSHAAR (HG.): DIE RAF UND DER LINKE TERRORISMUS,
2 BÄNDE. HAMBURGER EDITION. 78 EURO.

Diese Rezension ist am 26. März 2007 in 20cent erschienen.

Der Ölpreis steigt dieses Jahr kontinuierlich an

Otto Wiesmann (52) ist seit 1989 Brooker für Öl-, Benzin und Heizölfutures über die New Yorker Rohstoffbörse. Er glaubt, dass der Ölpreis derzeit nur ein Zwischentief einlegt und bald wieder steigt. 20cent sprach mit ihm.

Herr Wiesmann, vor einem Jahr sagten Sie für Herbst 2006 einen Preis von 89 Dollar pro Barrel Öl voraus. Jetzt liegt er unter 50.
Wir hatten glückliche Fügungen. Zum ersten Mal seit Jahren gab es keinen gewaltigen Hurrikan in den USA. Und am Tag, an dem der Libanon-Krieg begann, wurde eine Pipeline durch Georgien eröffnet.
Aber das erklärt doch nicht, dass der Preis jetzt relativ niedrig ist. Doch, weil weitere Pipelines fertig wurden. Dadurch gibt es mehr
Sicherheit beim Absatz. Ein weiterer Sondereffekt hängt mit der Spekulation in Öl ab. Im Moment laufen viele Termingeschäfte aus. Wer Longpositions hat, muss sie jetzt verkaufen. Das drückt den Preis und ist ausnahmsweise ein positiver Effekt für den Kunden.
Der Ölpreis bleibt 2007 moderat? Das glaube ich nicht. Alles deutet auf einen kontinuierlichen Preisanstieg hin. Der Öldurst Chinas, Indiens und vieler anderer Staaten treibt die Preise sicher hoch.
Müssen wir Angst vor der Achse Chavez – Achmadineschad haben? Die beiden produzieren gewaltige Ölmengen. Wenn diese Länder die Förderung drosseln, steigt der Preis automatisch.
Ist uns Russland da eine Hilfe? Wir kaufen schon den Großteil
unseres Öls in Russland. Deshalb sitzt Russland bei allen möglichen Konflikten am längeren Hebel.
Gibt es kein Mittel gegen diese Ölabhängigkeit? Doch: Rein in die erneuerbaren Energien. Da hat die Bundesregierung bisher ganz klar versagt.
Und was raten Sie dem Hausbesitzer zum Heizen? Mittel- und langfristig hilft nur weg von fossilen Brennstoffen. Die Preise für Holzpellets sind stark gestiegen, aber Hackschnitzel-Heizungen sind günstiger und fürs Klima gut. Erdwärme und Biogas-Anlagen sind weitere Alternativen.
Wo steht der Ölpreis Ende 2007? Ich sage nur, dass er sicher deutlich höher liegen wird als zu Anfang 2007.
Es fragte Andreas Oppermann

Empörung in Eichwalde – Weil ein Lehrer öffentliche Gelder sparen wollte, beschwerte sich ein PDS-Mann beim Schulrat

Weil er sparen wollte, muss sich ein Lehrer in Eichwalde mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde herumschlagen. In der idyllischen Gemeinde am Berliner Stadtrand führte der Streit über diesen ungewöhnlichen Vorgang jetzt auch zur Spaltung des Gemeinderates. Eine Mehrheit aus SPD, CDU und freien Wählern hat alle Mandatsträger der PDS zum Rücktritt aufgefordert. Denn es war der PDS-Fraktionschef Martin Kalkhoff, der die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Jörg Jenoch verfasste.

Jenoch ist Lehrer am Eichwalder Gymnasium und Gemeindevertreter für „Wir in Eichwalde“ (WIE), einer Wählervereinigung engagierter Bürger. 6,5 bis 7 Millionen Euro will sich Eichwalde den Ausbau der Grundschule zur Halbtagsschule kosten lassen.
Für Jenoch und Kollegen Sven Moch ist das jedoch zu viel. Jenoch: „Wir wollen diese Schule. Aber die derzeitige Planung ist überdimensioniert. Die Baukosten lassen sich sehr einfach um zwei Millionen reduzieren ohne das pädagogische Konzept zu gefährden.“ Sven Moch geht noch weiter: „Zurzeit ist Eichwalde schuldenfrei. Gut zwei Millionen liegen auf der hohen Kante. Mit dem geplanten Bau läuft Eichwalde in die Schuldenfalle und setzt die Selbstständigkeit aufs Spiel.“
Mit seiner Dienstaufsichtsbeschwerde beim Wünsdorfer Schulrat wollte Kalkhoff Jenoch offenbar zum Schweigen bringen: „Wir gestatten es nicht, dass ein Lehrer, der als Lehrer argumentiert, andere Meinungen vertritt und so die Gesamtmaßnahme Bildungsstandort Stubenrauchstraße gefährdet“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Schulausbau wurde mit großer Mehrheit beschlossen. Für die PDS ist er für die Zukunft Eichwaldes unerlässlich. Da der PDS-Fraktionschef der Meinung war, dass Jenoch dem Lehrerkollektiv der Humboldt-Grundschule unterstelle, dass es die Halbtagsgrundschule gar nicht will, setzte er die Beschwerde auf. Dafür hat Schulrat Werner Weiss kein Verständnis. Weiss: „Wenn jemand in seiner Freizeit politisch tätig ist, dann unterliegt diese politische Tätigkeit nicht der Aufsicht des Dienstherren“, sagt er. Und weiter: „Das wäre ja noch schöner. Das hatten wir in der Russen-Zone.“ Der Lehrer Jenoch selbst hat lange gezögert, mit der Dienstaufsichtsbeschwerde an die Öffentlichkeit zu gehen. Es bleibe ja immer etwas hängen, befürchtete er. Aber der Angriff auf seine berufliche und wirtschaftliche Basis hat ihn doch zu sehr an frühere Zeiten erinnert. Mit Jenoch solidarisierten sich auch CDU und SPD, obwohl sie den großen Schulausbau mittragen.
Die SPD stellte den Antrag, dass alle Mitglieder des Gemeinderates, die von der Dienstaufsichtsbeschwerde wussten, zurücktreten sollen. Bärbel Schmidt (SPD), die Gemeinderatsvorsteherin begründet das so: „Martin Kalkhoff und seine Fraktion wollten disziplinarische Maßnahmen gegen Andersdenkende zu deren Einschüchterung erzielen.“ Darüber ist sie so erschüttert, dass sie sagt: „Wer so denkt, hat keinen Platz in einem demokratisch gewählten Gremium.“ Um zu unterstreichen, wie ernst es ihr ist, kündigte Bärbel Schmidt ihren Rücktritt an. Denn 2003 wurde sie mit den Stimmen von SPD und PDS gewählt. Auf diese Mehrheit will sie sich jetzt nicht mehr stützen. Mit neun zu acht Stimmen forderte der Gemeinderat nun am vergangenen Donnerstag die PDS-Kollegen zum Rücktritt auf. Erzwingen kann er diesen nicht.
Das weiß auch Kalkhoff: „Wir haben mit vielen Genossen beraten und sind weiterhin bestrebt, unsere Mandate auszufüllen“, sagt er. Der Bürgermeister von Eichwalde, Ekkehard Schulz, der ebenfalls PDS-Mitglied ist, hat dafür volles Verständnis. Er glaubt zwar inzwischen auch, dass die Dienstaufsichtsbeschwerde, von der er wusste, ein Fehler war. Persönliche Konsequenzen daraus will aber auch er nicht ziehen. Viele Gemeindevertreter sind jedoch der Ansicht, dass auch der Bürgermeister zum Rücktritt aufgefordert worden ist. Womit die nächste Runde im Streit zwischen PDS und dem Rest von Eichwalde eingeläutet sein dürfte. Mit Ruhe und Beschaulichkeit ist es am Zeuthener See erst einmal vorbei.

Joschka Fischer doziert von der Rückkehr der Geschichte

Inzwischen ist Joschka Fischer Professor in Princeton. Quasi seine Bewerbungsschrift war sein Buch „Die Rückkehr der Geschichte“, dessen erste Auflage große Beachtung fand. In der Taschenbuchausgabe hat der ehemalige grüne Außenminister noch aktuelle Entwicklungen der Weltpolitik eingearbeitet.

Fischer fragt sich, wie eine Welt mit nur einer Supermacht organisiert werden muss, um Frieden, Freiheit und wirtschaftlich und soziale Gerechtigkeit auf dem gesamten Globus
durchgesetzen zu können. Dabei spart er nicht mit Kritik auch an eigenen früheren Positionen. Wer Außenpolitik verstehen will, findet in Joschka Fischer einen streitbaren
Lehrmeister.

Joschka Fischer: Die Rückkehr der Geschichte, Knaur. 9,95 EURO

Es wird eng

Der Fall El Masri wird immer obskurer. Die Aussage des Telekom-Mitarbeiters aus Skopje hat es in sich. Wenn ihm die deutsche Botschaft tatsächlich sagte, dass der Fall bekannt sei, dann wird es eng für Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Der war als Kanzleramtsminister von Gerhard Schröder für die, Geheimdienste verantwortlich. Wenn die Botschaft von El Masris Entführung durch die CIA wusste, dann muss es auch Steinmeier bekannt gewesen sein. Und wenn nicht, dann hatte er einen der sensibelsten Sicherheitsapparate der Republik nicht im Griff. Und das in der Hochphase
des Kampfes gegen den Terror.

Aber vielleicht war es eher so, dass den Amerikanern niemand reinreden wollte – auch wenn die Menschenrechte deutscher Staatsbürger mit den Füßen getreten wurden. Wer sich so verhält, wäre als Minister untragbar. Die Unschuldsvermutung gilt wahrscheinlich  nicht mehr lange.

Großes Ärgernis

Die große Koalition war der Traum vieler Deutscher vor der Wahl im verganganen September. Zwei große Parteien könnten alle großen Probleme lösen, ohne sich ständig zu blockieren. Und jetzt das: Die große Koalition legt einen Haushalt vor, der nur im Schuldenmachen und Steuern-Erhöhen groß ist.

Ansonsten ist er ein gewaltiges Ärgernis kleingeistiger Politik. Wer völlig zurecht seine Schulden reduzieren will, der muss die Ausgaben senken. Doch genau das geschieht nicht. Beim Subventionsabbau sind SPD und CDU weit hinter den Vorschlägen der damaligen Ministerpräsidenten Steinbrück (SPD) und Koch (CDU) vor drei Jahren zurückgeblieben. Ja sie satteln sogar noch drauf. Etwa bei der extra Kinderwurf-Prämie namens Elterngeld.

Diese Koalition ist zurzeit nur im Verschenken von Steuerzahlers Geld groß. Und im Produzieren von Verdruss.

Weniger Freiheit

Jörg Schönbohm will das Brandenburgische Polizeigesetz verschärfen. Natürlich würde sein Ministerium nie von Verschärfung sprechen. Bei der CDU ist lediglich von Anpassung an technische Möglichkeiten die Rede.

Doch gerade bei Polizei und Geheimdiensten gilt: Nicht alles, was möglich ist, darf auch angewendet werden. Die Polizei ist vor allem dazu da, die Freiheit der Bürger zu sichern. Nur auf diesem Weg lässt sich Sicherheit organisieren. Der umgekehrte Weg führt zwangsläufig zu weniger Freiheit.

Ohne Anfangsverdacht Handys zu orten, ist ein solcher Verlust an Freiheit. Es geht den Staat nichts an, wo sich seine Bürger aufhalten. Nur weil sie ein Handy besitzen, heißt das noch lange nicht, dass diese Selbstverständlichkeit abgeschafft werden darf. Hoffentlich hat Schöhnbohms Koalitionspartner SPD den Mut, ihn auszubremsen.

Grüne juckt Vattenfall-Drohung nicht

Die Grünen im Bundestag begrüßen die Ankündigung von Vattenfall-Vorstandschef Klaus Rauscher, sämtliche Investitionen ruhen zu lassen. Für den Klimaschutz wäre dies das Beste, sagte der energiepolitische Sprecher Hans-Josef Fell (54).

Rauscher hatte mit dem Investitionsstopp gedroht, falls die Entscheidung der Bundesnetzagentur Bestand habe. Diese hatte verfügt, dass Vattenfall die Preise für die Durchleitung von fremdem Strom senken muss (20cent berichtete).

lm Gespräch mit 20cent nimmt Hans-Josef Fell Rauscher beim Wort – und findet nichts schlechtes an der Aussage, die den Braunkohle-Standort Lausitz gefährdet. Fell: „Es wäre eine gute Nachricht für den Klimaschutz, wenn Vattenfall tatsächlich die Drohung wahr machte, keine neuen Kohlekraftwerke zu bauen.“

Derzeit investiert Vattenfall in den Bau eines sogenannten kohlendioxidfreien Kraftwerks in Schwarze Pumpe (KM). Fell bezweifelt, dass dies ein sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz ist: „Die bisherigen Braunkohlepläne Vattenfalls sind angesichts der neuesten Erkenntnisse der Klimaforscher nicht mehr verantwortbar.“ Angesichts der 200 Milliarden Euro, die die Branche der Erneuerbaren Energien bis 2020 investierten wollte, sei es kein Problem, den Wegfall alter Kohle- und Atomkraftwerke zu kompensieren. Damit widerspricht Fell der Auffassung der Brandenburgischen Landesregierung, dass die Braunkohle ein unverzichtbarer Bestandteil der Energieversorgung in Deutschland bleibe müsse.

Panikreaktion des Iran

Der Iran droht dem Westen mit der Blockade sämtlicher Erdöl-Lieferungen aus dem Persischen Golf. Sollten die USA Atomanlagen des Iran angreifen. sind die Mullahs bereit die Energieversorgung der Welt massiv zu beeinträchtigen. Das Signal ist heftig. Und demnach gehört es zum Szenario des allgemeinen Säbelrasselns im Streit um das Atomprogramm des Iran: Wenn ihr es uns nicht erlaubt Energie aus Uran zu gewinnen, dann streichen wir Euch die wichtige Energieressource Erdöl…

Die Spirale der Eskalation wird nur dann gebrochen, wenn mit dem Iran ernsthaft verhandelt wird. Denn bei aller Gefahr, die von einem nuklearen Iran ausgeht, ist eines klar: Die friedliche Nutzung der Atomkraft ist allen Staaten gestattet. Wer verhindern will, dass der Iran darauf verzichtet, muss Angebote machen und nicht drohen.

Wenn der Iran in Kauf nimmt, auf 80 Prozent seiner Einnahmen zu verzichten, dann fühlt er sich offensichtlich sehr in die Enge getrieben.