SPD schlägt Verfassungskommission vor

Franz Müntefering will eine neue Kommission einsetzen. Allerdings soll sich die Verfassungskommission zur „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ nicht aus Experten der Universitäten, der Wirtschaft und anderer Institutionen zusammensetzen. Bundeskanzler Gerhard Schröder bevorzugte in den vergangenen Jahren vor allem Experten-Gremien wie die Hartz- und die Rürup-Kommission. Der SPD-Fraktionsvorsitzende hingegen will eine Kommission aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates.

Video: Interview mit Franz Müntefering (SPD)

Brief an die Fraktionsvorsitzenden
In einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden des Bundestages und den Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, schreibt Müntefering: „Zuständigkeiten und Finanzverantwortlichkeiten der einzelnen Ebenen sind nicht immer transparent oder sinnvoll zugeordnet.“ Deshalb schlägt er eine Kommission aus 16 Mitgliedern des Bundestages und 16 Mitgliedern des Bundesrates vor, je einem pro Bundesland. Einen ähnlichen Vorschlag gibt es vom rechtspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Röttgen. Er hatte bereits konkrete Änderungsvorschläge zur Reform des Föderalismus präsentiert. Auch ihm erscheint eine Kommission in dieser Zusammensetzung sehr sinnvoll. Allerdings hat Müntefering Röttgens Vorschläge noch nicht gelesen. Das sagte er im T-Online-Interview.

Bund oder Länder stärken?
Alle Parteien sind sich einig, dass die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern neu organisiert werden muss. Jede Bundesregierung ärgert die Blockademacht der Bundesländer im Bundesrat. Das musste die Union unter Kanzler Helmut Kohl bitter erfahren, als die damaligen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine, Gerhard Schröder, Hans Eichel und Johannes Rau die Mehrheit der SPD-regierten Länder nutzten, um eine Reihe von Gesetzen scheitern zu lassen. Seit der Landtagswahl von Sachsen-Anhalt im Frühjahr 2002 erlebt nun der ehemalige Blockierer Schröder, wie unangenehm es ist, gegen eine andersfarbige Mehrheit im Bundesrat regieren zu müssen. Ob Zuwanderung oder Subventionsabbau – ohne die unionsregierten Länder Edmund Stoibers, Roland Kochs und Christian Wulffs geht kaum noch etwas in der Bundesrepublik.

Blockademacht der Länder brechen
Röttgen schlägt in seinem Reformentwurf eine Stärkung der Länder vor. Sie sollen mehr Zuständigkeiten erhalten. Im Gegenzug soll die Blockadefähigkeit reduziert werden, damit der Bund seine Vorhaben auch unverwässert durchsetzen kann. Derzeit ist bei zwei Dritteln der Gesetze eine Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Selbst wenn sich einige Länder enthalten, ändert das nichts an den Mehrheitsverhältnissen. Es muss immer die Mehrheit der Länderstimmen gewonnen werden. Müntefering plädiert im Interview für eine Vereinfachung dieses Abstimmungsmodus.

Mehr Bildung zum Bund
In einem ersten Vorschlag von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries war dagegen eine Stärkung des Bundes vorgesehen. So sollte dieser bei de ureigenen
Länderthema Bildung und Kultur größere Zuständigkeiten erhalten. Etwa beim Thema nationale Bildungsstandards, mit denen Bildungsministerin Edelgard Bulmahn auf die schlechten Ergebnisse der Pisa-Studie reagierte. Müntefering will dagegen auch in diesem Bereich die Länder stärken.

Kein Wettbewerbsföderalismus
In der Steuerpolitik spricht sich Müntefering gegenüber T-Online gegen „Wettbewerbsföderalismus“ aus. Zwar sollten Kommunen und Länder innerhalb bestimmter Grenzen bei der Erhebung von Steuern Spielräume haben. Aber „die Bundesländer sollten sich nicht wie verfeindete Regionen behandeln,“ sagte Müntefering zu T-Online. Bei Themen wie der Gesundheitspolitik spricht sich Müntefering gegen die Beteiligung der Länder aus. „Dass wir da die Zustimmung der Länder benötigen, will mir nicht recht einleuchten“, sagte der SPD-Fraktionschef.

Auftakt im Herbst
Müntefering schlägt nun vor, dass bereits vor Ende der Sommerpause im August ein Gespräch der Fraktionsvorsitzenden stattfindet, in dem das weitere Vorgehen
bis zur Einsetzung der Kommission geklärt werden soll. Parallel dazu solle der Bundestagspräsident mit dem Bundesrat Kontakt aufnehmen. Wenn es nach
Müntefering geht, soll die Kommission schon im Herbst im Anschluss an eine Bundestagsdebatte die Arbeit aufnehmen. Mit einem Abschluss der Diskussion
rechnet er in ein bis zwei Jahren.

Vom Umgang mit persönlichen Daten im Netz

Datenklau im Internet. Diese Schlagzeile funktioniert immer. Sie arbeitet mit diffusen Ängsten. Und ist dennoch bei weitem nicht immer richtig. SchülerVZ wird mit dem Diebstahl von 1,6 Millionen Datensätzen konfrontiert. Ein Wissenschaftler hat sich die Daten auf einem fragwürdigen Weg besorgt. Er hat sich Unmengen von E-Mail-Adressen beschafft, um mit diesen Profile bei SchülerVZ anzulegen. Über diese Profile konnte er dann öffentlich zugängliche Daten der SchülerVZ-Mitglieder ansehen, auslesen und in einer illegalen Datenbank bündeln

All das machte der anonyme Wissenschaftler automatisch. Er setzte Programme ein, die sowohl E-Mail-Adressen anlegten als auch die Profile. Um an die 1,6 Millionen Datensätze zu kommen, wird er nicht länger als eine Woche benötigt haben. Damit hat er gezeigt, dass Daten aus sozialen Netzwerken ausgelesen werden können. Allerdings im Falle SchülerVZ nur jene Daten, die von den Schülern als öffentlich markiert waren. All das, was nur die realen und virtuellen Freunde erfahren sollen, blieb dem Wissenschaftler versperrt.

Und genau das ist das Entscheidende. Der Datenschutz bei SchülerVZ hat funktioniert. Eine vollständige Sicherheit vor kriminellen Zugriffen allerdings kann nicht garantiert werden. Es stellt sich aber auch die Frage, wie der Zugriff eines anonymen Hackers mit krimineller Energie zu bewerten ist, der Selbstverständlichkeiten publik macht.

Jeder, der im Internet Daten einstellt, die über längere Zeit von bestimmten Gruppen gelesen werden sollen, muss wissen, dass sich diese nicht vollständig sichern lassen. Von Xing oder Facebook finden sich sogar nichtöffentliche Daten im Internet. Das ist bei SchülerVZ nicht passiert, weil der Betreiber aus den Datenpannen der Vergangenheit gelernt hat und sein Netzwerk besser gesichert hat.

Der angebliche Skandal lehrt uns dennoch etwas Wichtiges: Das Wissen um Datensicherheit und -schutz ist in Deutschland so schlecht, dass selbst Lappalien zu Skandalen aufgebauscht werden können. Dagegen hilft nur lernen. Für die Mitglieder von SchülerVZ am besten schon in der Schule.