Politische Kommunikation (4) – Kommunikations-Versagen bei den Stromtrassen

Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?

Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.

Politische Kommunikation (1) -Einführung
Politische Kommunikation (2) – Kommunikations-Versagen: Stuttgart 21
Politische Kommunikation (3) – Kommunikations-Versagen: Flughafen Schönefeld

Kommunikations-Versagen: Hochspannungsleitungen für den Atomausstieg

Als drittes Beispiel für eine völlig verfehlte Kommunikation nach dem Motto: „Wie sage ich es meinen Bürgern“ bietet sich derzeit das Thema Stromtrassen durch Deutschland an. Auch hier werden nicht die eigentlichen Ursachen benannt. Die politische Kommunikation ist von der Annahme geprägt, dass die Stromproduktion der Atomkraftwerke am gleichen Ort ersetzt werden muss. Und dies durch eine Infrastruktur, die weiter auf zentralen Erzeuger- und Verteilereinheiten beruht.

Es wird keine Diskussion darüber geführt, ob das der einzig gangbare Weg wäre. Die Themen Dezentralisierung der Energieversorgung und der Energieproduktion spielen keine Rolle. Deshalb lässt sich sagen, dass es im Kern darum geht, die Interessen der vier großen Energiekonzerne ins Zeitalter der erneuerbaren Energien zu retten. Auch bei diesem Thema lassen sich zwei Versäumnisse der politischen Kommunikation feststellen. Zum einen wird nicht wirklich offen über Optionen gesprochen. Stattdessen wird das unsägliche „alternativlos“ immer wieder wiederholt.

Zum zweiten wird der Sachverstand der Bürger unterschätzt. Die Anzahl derer, die an Windkraftanlagen beteiligt ist oder auf dem eigenen Dach eine Photovoltaikanlage betreibt, geht in die Hunderttausende. Sie alle haben sich mit dem Thema beschäftigt. Sie wissen zumindest in Teilen, dass die Dezentralisierung eine Option – vielleicht nicht für das gesamte, aber immerhin für bedeutende Teile – der Energieversorgung sein könnte. Kommunikation von oben, die das Engagement und den Sachverstand der Bürger ignoriert, produziert zwangsläufig schwer steuerbare Konflikte. Verstärkt wird dies durch eine Medienlandschaft, die sich kaum mit den Alternativen befasst, sondern in der Regel nur mit den Informationen, die von der Bundesregierung, den Netzbetreibern oder der Wirtschaft geliefert werden, arbeitet. Diese werden kaum hinterfragt.

Außerdem werden auch in diesem Fall die Verantwortlichkeiten nicht transparent dargestellt. Wer hat die Planungshoheit? Wer kann politisch entscheiden? Wann ist Bürgerbeteiligung möglich? Welche Rolle spielen Kommunen, Kreise, Länder und der Bund? All das wird in der Berichterstattung meist nicht klar herausgearbeitet. Wenn es dann zum Unmut der Betroffenen kommt, ist das kein Wunder. Und mehr noch: Der Ärger und der Widerstand ist vorprogrammiert.

Fortsetzung des Vortrags:
Politische Kommunikation (5) – Veränderte Rolle der Tageszeitungen
Politische Kommunikation (6) – Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern
Politische Kommunikation (7) – Wie lässt sich regionale Öffentlichkeit dennoch herstellen?
Politische Kommunikation (8) – Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation
Politische Kommunikation (9) – Bürgerengagement im Netz

Politische Kommunikation (5) – Veränderte Rolle der Tageszeitungen

Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?

Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.

Politische Kommunikation (1) – Einführung
Politische Kommunikation (2) – Kommunikations-Versagen: Stuttgart 21
Politische Kommunikation (3) – Kommunikations-Versagen: Flughafen Schönefeld
Politische Kommunikation (4) – Kommunikations-Versagen bei den Stromtrassen

Veränderte Rolle der Tageszeitungen

Wer sich mit der politischen Kommunikation in Deutschland beschäftigt, darf nicht nur auf die Art und Weise schauen, wie die Politik in Richtung Bevölkerung kommuniziert. Ganz wesentlich ist ein Blick auf die Medien, die die politische Kommunikation maßgeblich prägen. Sie sind es, die über Verantwortlichkeiten aufklären und Sachverhalte erklären. Sie stellen die Fragen, die zum Verständnis komplexer Sachverhalte für die Bürger unerlässlich sind. Demokratie lebt von der Beteiligung der Bürger. Diese aktive Form der Teilhabe setzt Wissen um Zuständigkeiten und Verfahren voraus. In einer demokratischen Gesellschaft, in der es eine Vielzahl von Entscheidungsebenen gibt, muss der mündige Bürger in der Lage sein, sich immer neues Wissen selbst aktiv anzueignen. Um sich ein Bild von den Entscheidungsstrukturen, den politischen Akteuren und ihren Netzwerken machen zu können, muss er zudem seine kommunalen Mandatsträger, Abgeordneten, kommunalen Wahlbeamten, Minister und Kommissionsmitglieder kennen. Wobei kennen hier nicht meint, mit ihnen persönlich bekannt zu sein.

Um das Funktionieren der repräsentativen Demokratie sicherzustellen, geht es vielmehr um die Möglichkeit, politische Positionen und ihre jeweiligen Konsequenzen eigenständig und unabhängig in der Kommune, im Land, im Bund und in Europa beurteilen zu können. Eine bürgerliche Öffentlichkeit bedarf funktionierender Medien. In der Vergangenheit übernahmen für bundes- und landespolitische Themen vor allem die überregionalen Tageszeitungen, die Nachrichtenmagazine und das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen die Funktion, die Bürger mit Informationen und Hintergründen zu versorgen, die zu einer Teilhabe am politischen Leben notwendig sind. Auf kommunaler und regionaler Ebene oblag diese Funktion bis dato den regionalen und lokalen Tageszeitungen. Auch sie nahmen dabei immer die Landes-, Bundes- und Europapolitik ins Visier, das stark durch eine regionale Optik geprägt war.

Fortsetzung des Vortrags:
Politische Kommunikation (6) – Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern

Politische Kommunikation (7) – Wie lässt sich regionale Öffentlichkeit dennoch herstellen?
Politische Kommunikation (8) – Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation

Politische Kommunikation (9) –  Bürgerengagement im Netz

Politische Kommunikation (7) – Wie lässt sich regionale Öffentlichkeit denoch herstellen?

Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?

Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.

Politische Kommunikation (1) – Einführung
Politische Kommunikation (2) – Kommunikations-Versagen: Stuttgart 21
Politische Kommunikation (3) – Kommunikations-Versagen: Flughafen Schönefeld
Politische Kommunikation (4) – Kommunikations-Versagen bei den Stromtrassen
Politische Kommunikation (5) – Veränderte Rolle der Tageszeitungen
Politische Kommunikation (6) – Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern

Wie lässt sich bürgerliche Öffentlichkeit dennoch herstellen?

Die sich auflösende Funktion der Regionalzeitung kann bislang von keinem anderen Medium kompensiert werden. Das liegt vor allem an der unzureichenden Ertragssituation im Lesermarkt und im Anzeigenmarkt. Allenfalls die über Gebühren finanzierten Öffentlich-Rechtlichen Sender können es sich leisten, unabhängig vom Markt ihre publizistische Aufgabe wahrzunehmen. Aber diese Sender sind nicht lokal gebunden. Sie berichten nur punktuell und oft auch nur bei sogenannten „Aufreger-Themen“. Kontinuität im Lokalen und Regionalen wird von ihnen nicht gewährleistet. Aber genau diese Funktion muss erfüllt werden, um Demokratie überall in Deutschland am Leben zu halten. Das Internet bietet alle Voraussetzungen, die publizistische Lücke zu schließen.

Allerdings ist der wirtschaftliche Betrieb eines anspruchsvollen publizistischen Portals mit starker lokaler Ausrichtung vor allem in Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern auf absehbare Zeit nicht möglich. Doch für das Funktionieren der Demokratie vor Ort, für bürgerschaftliches Engagement und die Vernetzung von Akteuren ist schon jetzt ein solches publizistisches Angebot notwendig. Es muss mit gut qualifizierten Journalisten nicht nur die Chronistenpflicht abdecken, sondern vor allem erläutern, welche Verantwortlichkeiten in der Gemeinde, dem Kreis, dem Land, dem Bund und der Europäischen Union für Entscheidungen zuständig sind. Es muss zudem sicherstellen, dass es als seriöse Plattform für die öffentliche Debatte angenommen wird. Und es muss durch Vernetzung und öffentliche Veranstaltungen die Bildung von solchen regionalen Netzwerken unterstützen, die die Aushandlung demokratischer Prozesse befördern und nachvollziehbar machen.

Konkret bedeutet dies, dass ein Medium benötigt wird, das nicht aus eigenen wirtschaftlichen Interessen notwendige Kooperationen mit anderen Webseiten verhindert. Vielmehr ist es nötig, gute redaktionelle Inhalte auch anderen Seiten über Kooperationen zur Verfügung zustellen bzw. andere lokale und regionale Akteure für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Dadurch wächst die Wahrnehmung und Akzeptanz als neues lokales Mediums demokratischer Kultur und Öffentlichkeit. Das A und O für das Gelingen eines solchen Projekts ist und bleibt aber die Qualität des Inhalts.

Für diese gibt es zwei Voraussetzungen: Der Input von motivierten und qualifizierten Bürgern, die auf der lokalen Ebene Informationen, Meinungen und Beobachtungen sammeln. Und die redaktionelle Bearbeitung ihrer Texte durch gut ausgebildete und entsprechend bezahlte Journalisten auf regionaler Ebene. Nur durch die aktive Beteiligung von Bürgern wird es zukünftig möglich sein, auch in peripheren sowie besonders kleinen Orten die Abdeckung mit lokalen Informationen sicher zu stellen. Deshalb ist würde ein wichtiger Bestandteil des Projekts in der Aus- und Weiterbildung lokaler Akteure liegen.

Lesen Sie weiter:
Politische Kommunikation (8) – Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation

Politische Kommunikation (9) – Bürgerengagement im Netz

Politische Kommunikation (8) – Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation

Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?

Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.

Politische Kommunikation (1) – Einführung
Politische Kommunikation (2) – Kommunikations-Versagen: Stuttgart 21
Politische Kommunikation (3) – Kommunikations-Versagen: Flughafen Schönefeld
Politische Kommunikation (4) – Kommunikations-Versagen bei den Stromtrassen
Politische Kommunikation (5) – Veränderte Rolle der Tageszeitungen
Politische Kommunikation (6) – Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern
Politische Kommunikation (7) – Wie lässt sich regionale Öffentlichkeit dennoch herstellen?

Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation

Das Internet hat die politische Kommunikation nachhaltig verändert. Immer wieder ist zu beobachten, dass im Netz Themen schneller an Bedeutung gewinnen als in den klassischen Medien. Das betrifft vor allem Themen, die von den Redaktionen nicht als wirklich relevant eingestuft werden. Neben dem Protesteffekt ist dafür der Erfolg der Piratenpartei ein schönes Beispiel. Die Protagonisten der Piraten betrachten das Internet als ihren originären Lebensraum, den es zu gestalten gilt.

Die etablierte Politik beschäftigt sich mit dem Netz meist nur unter dem Motto: Wie können wir die Gefahren bekämpfen? Sie betreibt also eine kontinuierliche Angst-Kommunikation, wenn die über das Netz spricht. Die Chancen und die Strukturierung des Lebensraums Internet ist ihre Sache nicht. Die Piraten sehen das naturgemäß anders. Da das Netz für einen immer größeren Teil der Bevölkerung selbstverständlich ist, erreichen sie mit ihrer Kritik an der etablierten Netzpolitik auch viele Menschen und nicht nur die Berliner Digital-Boheme.

Dieses Erreichen funktioniert dann außerdem über andere Kanäle als in der analogen Politik. Social Media ist hier das entscheidende Stichwort. Über Netzwerke wird Kontakt aufgenommen, über Facebook und Co werden Informationen empfohlen und weitergeleitet. Gegen diese persönlichen Empfehlungen von Bekannten sind Presseerklärungen und die Berichterstattung von Pressekonferenzen machtlos. Da dies meine Vorredner nicht bedenken, wirkt die Vorsicht und das Unverständnis über den Wahlerfolg für mich wie der Kulturpessimismus der Alten. Dabei wird vergessen, dass die Piraten etwas tun, was das Hauptanliegen der beiden Vereine ist: Sie engagieren sich für Politik und sie machen dies auf sehr demokratischem Weg. Ja sie wählen den Weg in die Parlamente, weil sie wissen, dass die Ausformung ihres digitalen Lebensraums nur in Parlamenten beschlossen werden kann.

Lesen Sie weiter:
Politische Kommunikation (9) – Bürgerengagement im Netz

Politische Kommunikation (6): Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern

Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?

Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.

Politische Kommunikation (1) – Einführung
Politische Kommunikation (2) – Kommunikations-Versagen: Stuttgart 21
Politische Kommunikation (3) – Kommunikations-Versagen: Flughafen Schönefeld
Politische Kommunikation (4) – Kommunikations-Versagen bei den Stromtrassen
Politische Kommunikation (5) – Veränderte Rolle der Tageszeitungen

Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern

Diese Beschreibung wurde im Präteritum verfasst. Denn eine funktionierende bürgerliche Öffentlichkeit ist in Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr. Mehrere Faktoren tragen dazu bei. Wesentlich ist die Verknüpfung des wirtschaftlichen Bedeutungsrückgangs der regionalen Tageszeitungen und des steigenden Desinteresses an ihnen. Ein Blick nach Mecklenburg-Vorpommern zeigt, dass die klassische Medienlandschaft dort nicht mehr flächendeckend in der Lage ist, qualitativ guten Journalismus auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene aus einer Redaktion anzubieten.

Mecklenburg-Vorpommern hat schon heute keine Redaktion mehr, die Lokales und Mantel vollständig aus einer Hand liefert. Dadurch sinkt die journalistische Qualität und in Folge auch das Interesse der lokalen Öffentlichkeit an den Medien. Die Ostsee Zeitung erhält ihren Mantel von der Mutter aus Kiel. Die Schweriner Volkszeitung hat die Mantelredaktionen in eine eigene Tochtergesellschaft ausgegliedert, die wiederum Inhalte von der Mutter in Flensburg übernimmt. Der Nordkurier schließlich kauft seinen Mantel bei dieser Tochter der Schweriner Volkszeitung komplett ein. Dieser Befund ist für das Bundesland besonders gravierend, weil dort die anhaltende Bevölkerungsabwanderung und das sinkende Engagement der Verlage Hand in Hand gehen. Aber auch in anderen Regionen Deutschlands sind Verlage nicht mehr willens oder in der Lage, quantitativ und qualitativ gut besetzte Redaktionen vorzuhalten. Ein Blick über die Grenzen Deutschlands bestätigt diese Analyse auch für das europäische Ausland. Diese Prozesse lassen sich in den Niederlanden und in Frankreich ebenso wie in Polen beobachten.

Einige Zahlen verdeutlichen das. In den vergangenen zehn Jahren haben etliche ostdeutschen Tageszeitungen ca. 30 Prozent der Auflage verloren. Heute ist eine Haushaltsabdeckung von mehr als 30 Prozent eine Seltenheit. Das heißt, dass in mehr als zwei Drittel der Haushalte keine Zeitung mehr gelesen wird. Gleichzeitig sind die Anzeigenerlöse in diesem Zeitraum um bis zu 50 Prozent gesunken. Als Kompensation wird an den Vertriebserlösen gedreht. Das wiederum bedeutet, dass Tageszeitungen jährliche Erhöhungen der Abonnementspreise von deutlich über der normalen Preissteigerung durchsetzen und damit bewusst eine weiter sinkende Auflage in Kauf nehmen. Hauptsache die Erlössteigerung ist größer als der Verlust durch den Abgang an Abonnenten.

Es handelt sich um einen Teufelskreis, weil anderweitige Erlöse, etwa aus dem Briefgeschäft oder aus Online-Aktivitäten, nicht in der Lage sind, die Lücke zu schließen. Sinkende Erlöse schlagen sich in der Folge in sinkenden Mitarbeiterzahlen nieder. Es gibt Redaktionen, in denen mehr als ein Drittel der Redaktionsstellen weggefallen sind. All diese ökonomischen Gründe wirken sich direkt auf die Rolle der Tageszeitungen in den betroffenen Regionen aus. Da, wo Lokalredaktionen zusammengelegt und ausgedünnt werden, kann zwangsläufig nur weniger und qualitativ schlechter über die betroffenen Orte berichtet werden. Gleichzeitig schwindet die Fähigkeit der Redaktionen, zu reflektieren, welche Entscheidungsebene für welche Auswirkungen vor Ort verantwortlich ist. All dies verstärkt dann wiederum den Bedeutungsschwund der Tageszeitung als flächendeckendes Medium.

Verstärkt wird dieser Prozess durch die sich ändernde Nutzung von Medien. Ganz vereinfacht lässt sich sagen, dass jüngere Menschen weniger Zeitung lesen. Sie sind stärker im Internet aktiv. Dabei nutzen sie soziale Netzwerke auch zur Informationsbeschaffung. Traditionelle Medienhäuser sind in diesem Bereich in der Regel schlechter aufgestellt als die reine Online-Konkurrenz. Tageszeitungen sind derzeit kaum in der Lage den Reichweitenrückgang durch Online-Aktivitäten vollständig zu kompensieren: weder inhaltlich noch wirtschaftlich. Dies liegt vor allem daran, dass die Zeitung und deren Inhalte gezielt geschützt werden. Sie sollen aus strategischen Erwägungen möglichst nicht kostenfrei in gleicher Qualität ins Netz gestellt werden. Außerdem sind die Portale der Tageszeitungen nicht darauf ausgelegt, die Vernetzung mit der Region zu fördern, da Blogs und andere Webseiten als Konkurrenz gesehen werden.

Lesen Sie weiter:
Politische Kommunikation (7) – Wie lässt sich regionale Öffentlichkeit dennoch herstellen?
Politische Kommunikation (8) – Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation
Politische Kommunikation (9) – Bürgerengagement im Netz

Politische Kommunikation (9): Bürgerengagement im Netz

Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?

Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.

Politische Kommunikation (1) – Einführung
Politische Kommunikation (2) – Kommunikations-Versagen: Stuttgart 21
Politische Kommunikation (3) – Kommunikations-Versagen: Flughafen Schönefeld
Politische Kommunikation (4) – Kommunikations-Versagen bei den Stromtrassen
Politische Kommunikation (5) – Veränderte Rolle der Tageszeitungen
Politische Kommunikation (6) – Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern
Politische Kommunikation (7) – Wie lässt sich regionale Öffentlichkeit dennoch herstellen?
Politische Kommunikation (8) – Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation

Bürgerengagement im Netz

In vielen politischen Diskussionen über das Internet wird die Anonymität beklagt. Dies mag für bestimmte Bereiche stimmen. Etwa bei den Kommentarfunktionen von Medienangeboten oder auch bei Blogs, die unter Pseudonym geschrieben werden. Aber die Verschleierung der Identität ist fester Bestandteil der politischen Kommunikation – und das nicht nur in Diktaturen. Ob das Streiflicht der Süddeutschen Zeitung oder viele Kolumnen in den Lokalteilen der Tageszeitungen, das Verfahren, den Verfasser zu verheimlichen, hat eine lange Tradition und sollte eigentlich auch Innenminister Friedrich bekannt sein.

Was völlig übersehen wird, ist das häufige öffentliche Bekenntnis im Internet. Wer auf Facebook seine Unterstützung für die Kandidatur von Joachim Gauck als Bundespräsident zum Ausdruck brachte, tat dies in der Regel mit echtem Namen und seinem Gesicht. Nur so funktioniert der Schneeballeffekt, der zu immer mehr Unterstützern führt. Die persönliche Empfehlung von mir bekannten Menschen veranlasst mich, ebenfalls zu unterstützen. Im Gegensatz zur Unterschrift auf einer analogen Unterschriftenliste zeige ich auf Facebook mein Gesicht für oder gegen ein Projekt, einen Kandidaten oder eine politische Kampagne.

Die politische Beteiligung ist hier viel persönlicher und offener, als immer dargestellt. Ja, das Bekenntnis ist sogar viel authentischer als früher. Diesen Wert gilt es zu beachten und fördern. Das Engagement darf nicht als minderwertig abgetan werden, nur weil es in einer anderen Form gezeigt wird. Natürlich ist es leicht, den Like-Button bei Facebook zu klicken, weil mir ein Freund – wobei ich das Wort Bekannter für die bessere Übersetzung des englischen friend bei Facebook halte – etwas empfohlen hat. Dennoch ist mein Like ein Bekenntnis. Wie gut diese Mobilisierung für Themen funktioniert, war nicht nur bei der Gauck-Kampagne zu beobachten. Auch bei den Mobilisierungsaktionen von Kompakt oder den Online-Petitionen des Bundestages funktioniert dies. Spätestens beim letzten Beispiel müsste jeder einsehen, dass online nicht schlecht und anonym ist, sondern sehr oft das Gegenteil. Aber für eine obrigkeitsstaatliche politische Kommunikation ist der Weg über die sozialen Netzwerke nicht erfolgreich.

Denn es geht um das Vernetzen von Menschen und nicht um das Erklären ex cathedra. Wer sich das klar macht, kann allerdings neue Formen der Bürgerbeteiligung entwerfen. Er kann als Politiker auch sinnvoll kommunizieren. Aber nur, wenn er bereit ist, auch die Antworten der Menschen im Netz ernst zu nehmen – und gegebenenfalls auch selbst zu antworten. Mit diesen Schlaglichtern auf veränderte Kommunikationsbedingungen in den Medien und im Internet möchte ich enden. Ich hoffe, sie regen zur Diskussion an.

Internetsucht ist nichts als eine ABM für Forscher

Das Internet ist für viele Menschen ein Teil des Lebens. Für eine nicht unbeträchtliche Zahl sogar so sehr, dass sie das Internet süchtig macht, behaupten Forscher. Dazu muss man vier Stunden am Tag im Netz sein. Außerdem muss man bei Abstinenz gereizt sein. Und seine Offline-Sozialkontakte vernachlässigen, um als süchtig zu gelten. Jeder kennt Menschen, die ständig online sind, die ihre Mails unterwegs abrufen oder via Facebook und Twitter der Welt mitteilen müssen, wo sie gerade sind.

Aber sind die alle süchtig? Sind die Jugendlichen, die über Facebook und via Skype den Einstieg ins Flirten finden, wirklich gefährdet oder abhängig? Oder ist es nicht vielmehr so, dass sie in ihrer Verliebtheit nur auf jedes Wort, auf jede Statusmeldung des Angebeteten warten? Wenn sie dann via Skype chatten oder mit Video telefonieren, erobern sie sich einen Raum, der es ihnen ermöglicht, sich behutsam zu nähern. Diese Jugendlichen schützen sich durch Distanz vor Verletzungen. Die reale Annäherung erfolgt dann schon noch. Um die geht es ja schließlich.

Inzwischen gibt es viele Berufe, bei denen vier und mehr Stunden Internetnutzung täglich Pflicht sind. Ob Börsenbroker oder Nachrichtenjournalist, wer auf Informationen angewiesen ist, kommt ohne Internet nicht aus. Wenn er dann einmal offline ist, dann kann er durchaus gereizt sein. Das ist dann aber auch nichts anderes als bei jenem, der seine Zeitung zum Frühstück braucht, um gut gelaunt in den Tag starten zu können.

Etliche Aspekte der „Internetsucht“ sind nichts als normale menschliche Phänomene. Natürlich gibt es Menschen, die vor allem in Onlinerollenspielen die Kontrolle über sich und die Zeit verlieren. Ihnen muss wie anderen Spielsüchtigen geholfen werden.

Aber nur weil sich immer mehr Kommunikation im Netz abspielt, heißt das noch lange nicht, dass das Netz krank macht. Diese Studien strahlen den Charme von kulturpessimistischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die in Auftrag gebende Drogenbeauftragte und die beauftragten Forscher aus. Sonst müsste auch die Sportsucht von Leistungssportlern untersucht werden, die vor lauter Training alte Sozialkontakte aufgeben. Oder die Büchersucht von Bibliophilen, die stundenlang ohne Sozialkontakt vor sich hin lesen.

Angezogen von Krisen und Kriegen

Lutz Kleveman © Kleveman, Lutz
Lutz Kleveman © Kleveman, Lutz

Gute Journalisten haben Neugier, Empathie und Leidenschaft. Bei Kriegsreportern kommt noch Abenteuerlust hinzu. Das zumindest meint Lutz Kleveman, der zehn Jahre aus allen Krisengebieten der Welt berichtete. Seine Erfahrungen hat er in einem Buch gebündelt.

Lutz Kleveman ist Mitte 20, als er sich entschließt, etwas erleben zu wollen. Nach dem Studium in Frankreich und England fängt er beim „Daily Telegraf“ als freier Journalist an. Um Geschichten verkaufen zu können, geht er in Länder, in denen die Redaktion keine Korrespondenten hat. Das sind vor allem Krisen- und Kriegsgebiete.

Im Spiegelsaal von „Clairchens Ballhaus“ in Berlin-Mitte berichtet Kleveman von seinem Weg. Inzwischen ist er 37 und „Herbergsvater“, wie er selbst sagt. Das elterliche Gut im Landkreis Cuxhaven hat er von der Landwirtschaft auf Tagungen und Seminare umgestellt. Auf dem ersten Blick ist vom Kriegsreporter nicht viel geblieben.

Aber wenn er beginnt zu erzählen, wie unverwundbar er sich fühlte, weil der Journalist Kleveman mit Warlords und einfachen Menschen sprechen konnte, dann wird klar, dass noch immer diese Leidenschaft in ihm brennt. „Wenn ich jetzt als Tourist reise, merke ich doch, dass ich mit niemandem mehr ins Gespräch komme. Das war schon geil als Journalist“, resümiert er seine aktive Zeit. In seinem Buch „Kriegsgefangen“ hat er diese zu Papier gebracht.

In ihm schildert er seinen Weg durch die Krisen und Kriege in Ex-Jugoslawien, Liberia und die Elfenbeinküste, Tschetschenien, den Irak, Afghanistan, Kolumbien, Nordkorea und Burma, Laos und Vietnam. Aber er reiht seine Erlebnisse nicht nur aneinander. Vielmehr verknüpft er sie mit der Frage, warum es ausgerechnet ihn, der als vierter Sohn weder Zivildienst noch Wehrdienst leisten musste, in den Krieg zog.

Dabei blickt Kleveman in die Familiengeschichte. Er begibt sich auf seine „Deutsche Spurensuche“, als er sich mit den Briefen seines Großvater aus der russischen Kriegsgefangenenschaft im 1. Weltkrieg beschäftigt. Dessen Bruder wiederum war der erste Verwundete 1914. Der zweite Bruder ist als Generalstäbler gefallen. Und der Großvater hat im 2. Weltkrieg entschieden, welcher Bauernsohn der Umgebung unabkömmlich war und wer an die Front musste – auch noch als ihm längst klar war, dass der Krieg verloren ist.Das Militärische ist also überall. So wie im Traditionszimmer des Gutes, in dem Waffen, Uniformen und Büsten von Soldaten aufbewahrt waren.

Lutz Kleveman: Kriegsgefangen
Lutz Kleveman: Kriegsgefangen

Zwar wird bei der Buchvorstellung in „Clairchens Ballhaus“ nicht vollständig klar, weshalb es den nachgeborenen Enkel in die Kriegsgebiete zog. Aber es wird deutlich, dass ihn die Gewalt faszinierte. „Wir sprechen immer von sinnloser Gewalt. Aber das stimmt nicht. Gewalt ist ein Weg, Dinge durchzusetzen,“ sagt Kleveman. Vor allem da, wo die staatliche Ordnung zusammengebrochen ist, müsse man immer bedenken, dass Gewalt für diese Menschen sinnvoll sei.

Solange er selbst keine Gewalt am eigenen Körper erlebte, machte sie ihn nur neugierig: „Egal ob Dealer oder Soldaten, die Jungs waren in meinem Alter. Ich fand es interessant, sie zu beobachten und zu beschreiben.“ Und dabei ein so ganz anderes Leben zu entdecken, als es in Deutschland gelebt wird.

Der Schatten des Großvaters, der Klevemans ältere Brüder noch für Klimmzüge wie in einer privaten Kadettenanstalt in den Garten befohlen hatte, ist übermächtig. Davor flieht er. Wie überhaupt vor Deutschland. Beim „Daily Telegraf“ schaffte er es monatelang, seine Herkunft zu verleugnen. Dass er für die totale Abgrenzung von der eigenen Familiengeschichte ausgerechnet in die kriegerischen Fußstapfen des Großvaters tappte, ist ihm erst in Afghanistan klar geworden.

Als er dann in Vietnam durch Verbrecher das erste Mal selbst verletzt wird, ist ihm klar, dass das Dasein als Kriegsreporter enden muss. So wie er es seiner Mutter versprochen hatte. Die letzte Reise wird die auf den Spuren des Großvaters an die Stationen der Gefangenschaft. Es wird dadurch auch eine Reise zu ihm selbst, auf der er Frieden mit der Familie und den Deutschen schließt.

„Kriegsgefangen“ beschreibt die Gefangenschaft des Großvaters. Viel mehr aber schildert es die Last, die Kleveman stellvertretend für viele Nachgeborene erforscht. Es geht um den Krieg, der noch immer nachwirkt, der Familien noch immer gefangen nimmt – im speziellen Fall natürlich auch anhand von zehn Jahren Erlebnissen zwischen Kindersoldaten, Drogendealern und Warlords.

Lutz Kleveman: Kriesgefangen. Siedler Verlag, 22,99 Euro

Der Text ist am 11. September 2011 in der Märkischen Oderzeitung erschienen…

Glänzende Geschäfte auf der IFA

Messen, auf denen Unterhaltungselektronik im Fokus steht, haben es schwer. Das revolutionär Neue wird kaum noch präsentiert. Wie auch? Im Prinzip ist alles erfunden, was das Leben unterhaltsamer macht. Es geht nur noch um Verbesserungen oder neue Verknüpfungen.

Doch selbst diese eher evolutionären Schritte faszinieren die Massen. Sie strömten in die Messehallen unterm Funkturm. Da standen sie vor noch flachereren Fernsehern, vor Tablets oder Smartphones, die im Kern nur können, was Apple mit iPad und iPhone schon vor Jahren vorgelegt hat.

Viel wichtiger als das Interesse der Besucher ist deshalb auch der rein geschäftliche Teil der Messe. Die Lagerhallen der Händler waren leer. Jetzt werden sie in der Gewissheit auf ein grandioses Weihnachtsgeschäft gefüllt.

Aussteller verzeichnen Bestellrekorde, weil die Deutschen wieder Geld ausgeben. Nach drei Jahren Finanz- und Eurokrise haben sie offensichtlich ein großes Bedürfnis, technisch wieder auf den neusten Stand zu kommen. Von Krise oder Rezession war auf der IFA nichts zu hören. Im Gegenteil.

Auf der IFA boomt die Kreativität rund um unsere Ablenkung

Neue Trends in der Unterhaltungselektronik präsentiert die Internationale Funkausstellung ab morgen. Dieser Satz passte auch zu jeder IFA der Vergangenheit. Umso erstaunlicher ist es, dass er jedes Mal aufs Neue stimmt. Der Erfindungsreichtum rund um den Spiel- und Ablenkungstrieb des Menschen ist grenzenlos.

Das gilt zum Beispiel für den guten alten Fernseher. Vor wenigen Jahren wurde er noch zu Grabe getragen, weil ihn der Computer angeblich ersetzen sollte. Doch dank Flachbildschirmen und der Verbindung mit Spielkonsolen wie Wii oder Playstation hat er seinen festen Platz in den meisten Wohnzimmern behauptet.Ja, oftmals ist er dank dieser Präsenz als visuelle Spielstatt gar nicht mehr wegzudenken. Er hat nur die Funktion geändert.

Neue Akteure wie die Telekom mit ihrem TV-Angebot via Internet festigen seine Rolle zudem. Jetzt nimmt auch Apple den Fernseher ins Visier, weil sich rund um ihn viel Geld verdienen lässt. Denn die Nutzer sind es gewohnt, für DVDs Geld auszugeben. Genauso wie beim Produkt „Entertain“ der Telekom will Apple nun an die Umsätze der Videotheken. Das wird auch funktionieren, weil es vor allem in den Ballungszentren eine Netzinfrastruktur gibt, die so große Datenmengen wie bei Filmen problemlos – das heißt in diesem Fall ruckelfrei – übertragen kann. Der Erfolg der Pay-TV-Programme zeigt zudem, dass die Anzahl derer, die regelmäßig im Abonnement Geld fürs Fernsehen ausgeben, stetig wächst.

Der zweite große Trend rund um den Fernseher ist 3D. Die Kreativität der Entwickler scheint grenzenlos zu sein. Nachdem sich heute kaum noch jemand ein Fußballspiel ohne HD-Qualität anschauen mag, wird jetzt an der nächsten Verbesserung des Seh-Erlebnisses gearbeitet. Dabei machen sich die Kreativen das natürliche Bedürfnis der Menschen zu nutze, abgelenkt werden zu wollen.

Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Die Aussteller auf der IFA gehen wohl zurecht davon aus, dass wir Menschen selbst in Krisenzeit bereit sind, für Unterhaltung Geld auszugeben. Vielleicht sogar gerade wegen der Krisen. Lieber wird am Essen gespart. Oder an Kleidung. Aber sicher nicht an der liebgewordenen Unterhaltung auf der Glotze.

MOZ-Kommentar…