Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?
Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.
Politische Kommunikation (1) -Einführung
Politische Kommunikation (2) – Kommunikations-Versagen bei Stuttgart 21
Kommunikations-Versagen: Flughafen Schönefeld
Wenn man es drastisch ausdrücken will, dann werden die Menschen im Umfeld des Flughafens Schönefelds seit 1998 angelogen. Stimmen die Meldungen, dass das Brandenburgische Infrastrukturministerium schon seit 1998 weiß, dass es keinen parallelen Flugbetrieb auf den beiden neuen Startbahnen geben darf, dann trifft der Ausdruck zu. Denn nach EU-Recht ist ein Abknicken um 15 Grad Pflicht. Das Planfeststellungsverfahren ist aber vom Parallelbetrieb ausgegangen.
Das hatte zwei dramatische Folgen: Zum einen durften sich viele vom Fluglärmbetroffene am Planfeststellungsverfahren nicht beteiligen. Sie wurden aufgrund einer falschen – wahrscheinlich sogar bewusst falschen – Annahme von den Auswirkungen des Flughafens ausgeschlossen. Sie haben ihre Partizipationsrechte verloren. Zum anderen haben aufgrund der falschen Auskunft Tausende, ja Zehntausende Berliner und Brandenburger ihr Vermögen in Grundstücke und Häuser in der falschen Annahme investiert, sie seien vom Fluglärm nicht betroffen. Diese Bürger haben sich bei Ämtern und Ministerien erkundigt, ob sie der Fluglärm treffen wird und bekamen stets die Aussage, dass die Fluglärmkarte des Parallelbetriebs gelte. Sie fühlen sich alle angelogen und befürchten die de facto Teilenteignung.
Der Vertrauensverlust in die Politik ist so groß, dass sich viele aufgrund dieser persönlichen negativen Erfahrung abwenden. Der Großteil von ihnen ist besser gebildet, sehr viele mit Hochschulabschluss, und er ist finanziell so gut gestellt, dass er sich ein Haus leisten kann. Eigentlich handelt es sich dabei um genau die, die das Rückgrat einer demokratischen Gesellschaft bilden. Jedem wird bei diesem Beispiel sofort klar sein, dass der Versuch, es den Bürgern zu sagen, vollkommen gescheitert ist. Verstärkt wurde das Desaster noch durch die Auftritte von Ministerpräsident Platzeck und Bürgermeister Wowereit bei den Demonstrationen gegen die neuen Flugrouten. Sie versprachen den Bürgern, dass Lärmschutz wichtiger sei als Wirtschaftlichkeit.
Das Problem: Es gibt nur zwei Hebel, um dieses Versprechen umzusetzen. Der eine wäre eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Flugsicherheitsgesetzes, in dem ganz klar steht, dass erst die Sicherheit, dann die Wirtschaftlichkeit und als drittes der Lärmschutz beim Betrieb eines Flughafens kommt. Im Gesetz müsste nur zweitens mit drittens getauscht werden und schon könnte das Versprechen der Landesväter gehalten werden. Der zweite Hebel, um das Versprechen zu halten, wäre ein Antrag im Aufsichtsrat der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH (FBS), der festlegt, dass der Lärmschutz priorisiert wird. Da beide in diesem Gremium sitzen, wäre das möglich. Beides ist nicht passiert. Obwohl sie Abhilfe versprachen, haben sie nicht da gehandelt, wo es zur Durchsetzung des Versprechens möglich wäre.
Da der Sachverstand der Bürger massiv gestiegen ist, wissen sie um diese Lüge, die zweite Lüge nach der Parallelbetrieb-Lüge. Ein größeres Desaster in der Kommunikation ist gar nicht darstellbar. Wer so agiert, darf sich über Widerstand nicht beklagen. Auch bei Schönefeld ist das Engagement der Bürger sehr groß. Es ging so weit, dass von einem Bürger eine Abflugroute vorgeschlagen wurde, die viel Lärm vermeidet. Die Hoffmann-Kurve ist inzwischen Bestandteil des Routenkonzeptes. Auch hier gilt also, dass Protest mehr ist als Nein-Sagen. Er ist Engagement, über das sich die Politik freuen müsste.
Auch im Fall Schönefeld hat es sehr lang gedauert, bis in den Medien die Veranwortlichkeiten benannt wurden. Die Handlungsoptionen der Politik wurden allerdings kaum klar dargestellt. Der Vertrauensverlust schlägt sich inzwischen auch in Meinungsumfragen nieder. In der jüngsten von rbb und Märkischer Allgemeinen hat sich die Zahl derer, die nicht einmal mehr bei Umfragen angeben will, wen sie am kommenden Sonntag wählen könnte, von circa 15 auf 30 Prozent gestiegen. Das liegt sicherlich nicht nur an Schönefeld, aber das Zeichen ist dramatisch. Vor allem als Zeichen vielfachen dramatischen Kommunikations-Versagens von oben.
Fortsetzung des Vortrags:
Politische Kommunikation (4) – Kommunikations-Versagen bei den Stromtrassen
Politische Kommunikation (5) – Veränderte Rolle der Tageszeitungen
Politische Kommunikation (6) – Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern Politische Kommunikation (7) – Wie lässt sich regionale Öffentlichkeit dennoch herstellen?
Politische Kommunikation (8) – Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation
Politische Kommunikation (9) – Bürgerengagement im Netz
Ein Kommentar