Heimat (2): Stänglich vom Schwab

Stänglich com Schwab
Stänglich com Schwab

Diese mürben Stangen (oder besser Stänglich) gibt es nur beim Schwab. Egal wo ich es versucht habe, diese Mohn- und Kümmelstangen habe ich nirgendwo gefunden. Und angesichts ihres erst leicht knackigen, später wunderbar weichen Gefühls beim Kauen, das durch das Aufbeißen des Mohns oder Kümmels wunderbar konstratiert wird, ist das sehr schade.

Umso erfreulicher, wenn man beim Heimaturlaub mit solchen kleinen kulinarischen Köstlichkeiten konfrontiert wird. Denn es ist ja nicht nur dieses erstaunliche Gefühl im Mund. Nein, vor allem ist es natürlich der Geschmack, der ohne eine gehörige Portion Fett/Butter im Teig so nicht entstehen könnte. Deshalb sind die Finger nach so einem Stängle, das es auch mit Sesam oder Käse gibt, immer etwas fettig. Der Geschmack hält sich lange im Mund. Mindestens so lange, wie das Fett auf den Fingerkuppen. Etwas essen zu können, was es sonst nirgends gibt, ist eindeutig Heimat.

Übrigens ist der Untergrund der Stänglich auf diesem Foto, die Matzenplatte, auch ein erstaunliches Gebäck. Ins Sortiment der Bäckerei ist es erst nach meinem Weggang aus der Heimatstadt aufgenommen worden. Doch diese Platten tragen den gleichen Geschmack, nur dass bei ihnen der Knusperfaktor ungleich höher ist. Dazu noch einen Schoppen – und das Heimatgefühl ist perfekt.

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“

Essad Beys Debüt über die Flucht aus und durch den Kaukasus

Essad Bey: Öl und Blut im Kaukasus
Essad Bey: Öl und Blut im Kaukasus

Mit 24 Jahren hat Essad Bey seine Autobiografie geschrieben. 1930 ist sie erschienen und hat für Furore gesorgt. Da erzählt ein Emigrant aus Baku von den Wirrnissen des 1. Weltkrieges, von den diversen Umstürzen und Staatsgründungen in Aserbeidschan, Armenien, Georgien und vielen anderen Ländern. Und er behauptet, ständig dabei gewesen zu sein. Das ist in der Tat schwer zu glauben. Denn bei vielen der geschilderten Erlebnisse war Lew Noussimbaum, wie Essad Bey alias Kurban Said, eigentlich hieß, noch sehr jung. Und dennoch stimmen die meisten der geschilderten Erlebnisse.

Er war Sohn eines der größten Ölbarone in Baku, das damals das größte Erdölförderzentrum der Welt war. Er musste zusammen mit seinem Vater mehrmals vor den Bolschewisten und anderen Umstürzlern fliehen. Sie reisten dabei auf allen nur erdenklichen Fortbewegungsmitteln per Schiff, Zug oder Kamel bis nach Zentralasien und durch Persien. Und tatsächlich kannte der reiche Kaufmann Noussimbaum überall wichtige Menschen, die als Anlaufstation willkommen waren. Unglaublich ist es, wie der damals so junge Autor mit seinem Wissen umgeht. Er erklärt alle wichtigen kulturellen Hintergründe der Kaukasusvölker ohne jede Überheblichkeit.

In seiner klaren Sprache, die auch 80 Jahre später noch wirkt als sei sie von heute, nimmt er die Leser mit in diese Weltgegend, in der sich damals und heute Konflikte ballen, wie in wenigen anderen. Diese haben mit Religion und Kultur, mit Sprache und Lebensart zu tun. Viel mehr aber noch mit sozialen Unterschieden. Essad Bey lehnte die Bolschewisten ab. Dennoch zeigt er sogar Verständnis für deren Anliegen. Angeblich kannte er Stalin aus diesen Tagen. Auf jeden Fall hat er eine der ersten Biografien über ihn geschrieben. Gerade bei der Schilderung der Revolutionäre schlägt Essad Beys Humor durch. Denn dieses Buch ist nicht nur lehrreich und dabei kurzweilig, es aist auch spannend und amüsant.

Kein Wunder, dass „Öl und Blut im Orient“ in den 1930-Jahren ein internationaler Bestseller war. Wie auch etliche andere seiner Bücher, etwa „Ali und Nino“ oder „Das Mädchen vom Goldenen Horn“. Wer noch mehr über den Autor erfahren will, der sollte die Biografie von Tom Reiss zur Hand nehmen.

Heimat (1): Mein Sprungturm

Spungturm in Hammelburg
Spungturm in Hammelburg

So klein ist die Heimatstadt und so groß der Sprungturm. Der Anblick dieser Betonkonstruktion lässt mein Herz etwas höher schlagen. Er ist Heimat. Auch wenn das Leben unweit eines Sees direkt bei Berlin sehr schön ist, so fehlt doch dieses Kindheitsgerät. In seiner schlichten Form gehört er eindeutig zu den schönen Exemplaren der Gattung Sprungturm. Die Spannung, die durch den Bogen erzeugt wird, wirkt direkt auf denjenigen, der sich überlegt, von dort oben herabzuspringen.

Der Blick in das fünf Meter tiefe, klare Wasser erhöht die Anspannung, doch die Landschaft mit ihrenWeinbergen nimmt den Druck. Man ist hier nicht auf dem höchten Punkt der Umgebung! Unso leichter fällt der Absprung, der erst das Herz schneller schlagen lässt und anschließend in so eine wohlige Zufriedenheit umschlägt, wenn man sicher mit dem Kopf zuerst in das Wasser eintaucht. Dann fühlt man sich eindeutig jünger.

Heimat wird ein Stück der Jugend. Das ist sie ja oft. Umso wichtiger ist es, sie immer wieder zu suchen und zu spüren. Nicht um krampfhaft jung zu sein, sondern um sich seiner selbst zu vergewissern.

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(1) Mein Sprungturm
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Erneut gelesen: Christoph Ransmayrs „Die letzte Welt“

Die Erstausgabe von Ransmayrs "Die letzte Welt"
Die Erstausgabe von Ransmayrs „Die letzte Welt“

Wenn es ein Buch gibt, in dem es ständig regnet, dann war dies für mich immer „Die letzte Welt“ von Christoph Ransmayr. Ganz fest in meiner Erinnerung sind Regen und Schwarzes Meer und „Die letzte Welt“ eins. Umso erstaunlicher war beim erneuten Lesen des Buches, dass es in der ersten Hälfte überhaupt nicht regnet. Und auch in der zweiten nur ab und an. Dann aber ganz massiv und heftig.

Erstaunlich, was sich von einem Buch im Gedächtnis festsetzt. Die neue Lektüre bestätigte aber die Faszination des Textes, den ich 1989 verschlungen hatte. Auch 23 Jahre nach dem ersten Lesen hat „Die letzte Welt“ von Christoph Ransmayr nichts von ihrer Faszination verloren. Im Gegenteil: Das Buch hat gewonnen, weil das Wissen um die historischen und literaturwissenschaftlichen Hintergründe größer geworden ist. Auch heute noch ist der Roman eine treffende Parabel auf die Angst des Diktators vor der Kraft des freien Wortes. Und ein wunderbarer Text über das Weiterleben von literarischen Figuren und Erfindungen.

Ransmayr hat Ovids Metamorphosen in einen zeit- und raumlosen Roman über die Veränderung der Welt verwandelt. In dem Roman geht es darum, dass ein römischer Bürger, Cotta, den verbannten Dichter Ovid sucht. Dazu fährt er ans Schwarze Meer, wo der Dichter auf Geheiß Augustus‘ leben muss. Es gelingt ihm zwar nicht, Ovid zu finden, aber seine Erzählungen, seine Figuren finden sich überall. Ein bisschen ist es wie bei „Alice im Wunderland“: Cotta tritt nach stürmischer Seefahrt in eine andere Welt ein und wird Schritt für Schritt Teil von ihr. Mit jeder Figur, mit jeder Erzählung kommt Cotta so seinem Vorbild Ovid näher, ohne ihn aber jemals zu sehen. Das Buch hat nichts an seiner Kraft verloren. Nur meine eigene Vorstellung vom ständigen Regen musste ich beim Wiederlesen revidieren. Und der Reiz der völligen Aufhebung von Zeit und Raum hat mich jetzt viel mehr begeistert.

Mehr von Ransmayr:
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Atlas eines ängstlichen Mannes

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Selber schuld

14 Grad. Es ist tatsächlich in diesem Hochsommer nicht wärmer. Statt Sonne nur Regen. Das Wetter empfiehlt Socken, warmen Tee und eine Decke beim Lesen. Niemand will vor die Tür. Dazu ist es einfach zu eklig. Niemand? Das stimmt natürlich nicht.

Vier Kinder beginnen schon beim Frühstück: „Wann gehen wir ins Schwimmbad?“ Das ist prinzipiell eine gute Frage. Schließlich wäre an einem Tag wie heute auch ein Saunabesuch eine gute Idee. Doch die vier wollen nicht ins Hallenbad, sie wollen ins Freibad! Bei 14 Grad und Regen! Jedes gute Zureden bringt nichts. Der Haussegen hängt schief. Der Regen lässt nicht nach. Das Thermometer klettert nicht. Alle wollen ins Wasser. Aber nicht nur das. Sie wollen auch alle springen. Vom Dreier, vom Fünfer, vom Zehner. Bei 14 Grad und Regen!

Als nach dem Kaffeetrinken der Ärger innerlich zunimmt, weil noch immer stetig der Gang ins Freibad gefordert wird, kommt die Frage: „Was war denn Dein Temperaturrekord?“ „14 Grad und Regen.“ „Na siehste, selber schuld!“

Florian Klenk entdeckt das Ende der Welt mitten in Europa

Florian Klenks Buch mit Reportagen
Florian Klenks Buch mit Reportagen

Das Ende der Welt entdeckt Florian Klenk nicht irgendwo in Feuerland oder der Südsee. Der Journalist aus Österreich findet es in seinem Heimatland – und den angrenzenden Ländern der ehemaligen österreichischen Kronlande. Klenk ist stellvertretender Chefredakteur des Wiener „Falter“. Für ihn hat er die Reportagen geschrieben, die in dem Band „Früher war hier das Ende der Welt“ erschienen sind.

Dabei meint dieses „Ende“ in den wenigsten Fällen einen geographischen Ort. Vielmehr schreibt Klenk über diejenigen, die sozial am Ende der Wahrnehmung leben. Etwa die Wiener Huren, die von der Stadtverwaltung und dem Innenministerium immer weiter aus dem Sichtfeld der Stadt gedrängt werden. Das führt natürlich nicht dazu, dass weniger Freier zu ihnen kommen. Aber das Abdrängen macht die Frauen von Zuhältern abhängig, es kriminalisiert sie und es kann dazu führen, dass die schutzlosen Frauen viel leichter Opfer von Gewalt werden. Damit sind sie am Ende der Welt, mitten in Wien angekommen.

Anders ist es bei Klenks Besuch eines ukrainischen Flüchtlingslagers, in dem Menschen aus Pakistan, der Türkei und andern Ländern stranden, die den Sprung in den EU-Schengenraum nicht schaffen. Dort leben sie zwischen der Slowakei, Ungarn und der Ukraine und harren in schlimmsten Zuständen aus, weil sich niemand für die zuständig fühlt. Und weil sie hoffen, dass sie ihrem Elend mit einem – illegalen – Sprung über die Grenze doch noch entkommen können. Hier, wo früher schon keine K.u.K-Herrlichkeit, sondern Elend war.

Florian Klenk rückt mit seinen Reportagen Menschen in den Blick, an die wir in der regel nicht denken. Und auch nicht denken wollen, weil wir uns dieses Elend weder vorstellen wollen noch können. Das macht er sehr anschaulich, vor allem auch deshalb, weil es sich selbst nie in den Blick rückt. Klenk überlässt es dem Leser, ein Bild zu entwerfen und die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.

Heute wird die Bahn gelobt

Maulwurf-Gummibären von der Bahn
Maulwurf-Gummibären von der Bahn

Über die Bahn zu meckern, gehört ja fast schon zu guten Ton. Umso wichtiger ist es, sie auch mal zu loben! Das fällt natürlich schwer, wenn die Anschlusszüge schon weg sind, weil der eigene ICE zu spät dran ist. Oder wenn die Anschlusszüge wegen Bauarbeiten so viel Verspätung haben, dass sogar die Nutzung der S-Bahn sicherer ist.

Aber dennoch muss die Bahn auch gelobt werden, wenn sie es verdient! Sie macht es einem aber auch nicht immer leicht. Neulich zum Beispiel buchte ich online ein Ticket, auf dem gedruckt stand, dass man es bis einen Tag vor Reiseantritt – gegen Aufpreis – umtauschen kann. Am Schalter in Frankfurt (Oder) war das Personal allerdings überfordert. denn in ihren Computern stand, dass man solche Tickets nicht umtauschen kann. Zwar waren sie des Lesens mächtig, doch das Vertrauen auf die Worte im Bahn-Computer war größer als das in die auf meinem Tickt. Das Ergebnis: Frust und meckern!

Und dennoch muss die Bahn auch gelobt werden. Schließlich ist Lob ein wichtiges Element zur Motivation. Nur wenn die Ansagen – wie gestern am Ostbahnhof – nicht zu den Anzeigen passen, weil hier andere Züge angekündigt standen als dort verkündet wurden, wächst der Unmut. Vor allem, wenn Kinder dabei sind, die ständig beruhigt werden wollen.

Und dennoch lobe ich die Bahn: Denn endlich im Zug schenkte sie uns allen je ein kleines Päckchen Gummi-Maulwürfe. Fünf Stück sind drin und sie sehen so aus, wie die auf den Plakaten, die für Verständnis bei Bauarbeiten werben. Sie schmecken alle köstlich, sind offenbar ohne künstliche Farb- und Geschmackstoffe gefertigt. Dieses Dankeschön erfreut den Fahrgast. Die mitreisende ältere Dame war so freudig überrascht, dass sie dem Schaffner nur ein: „Also so etwas Nettes habe ich bei der Bahn noch nie erlebt.“ hinterher rufen konnte.

So einfach ist es, gelobt zu werden. Man muss nur oft genug Verärgerung provozieren, schon genügen auch die kleinen Gesten, um Freude auszulösen! (Und als alle Kinder unter 14 auch noch ein Eis vom Schaffner wegen einer Kids-Sommeraktion geschenkt bekamen, war die Bahn eh das Beste, was man sich wünschen kann.)

Ein Besuch beim Wunder von Tell Halaf

Wirklich unglaublich, was die Restauratoren des Vorderasiatischen Museums geschafft haben. Aus Tausenden von Steinbrocken haben sie eine Teil des Ausgrabungen von Tell Halaf rekonstruiert. Max von Oppenheim hatte die Ausgrabungen im heutigen Nordsyrien unweit der türkischen Grenze einst initiiert und durchgeführt. Anschließend hat er in der 20er-Jahren in Berlin ein eigenes Museum dafür eingerichtet.

Doch ein Bombenangriff im Jahr 1943 hat den archäologischen Schatz aus dem 9. Jahrhundert vor Christus in tausende Brocken gesprengt, das Gold und die anderen Metalle eingeschmolzen. Zwar sicherten Wissenschaftler Teile der Brocken und lagerten sie im Pergamon-Museum ein. Doch erst Anfang der 90er-Jahre beschäftigte sich jemand mit ihnen. Knapp 20 Jahre später sind die wichtigsten Stücke wiedererstanden Dank einer unermüdlichen Puzzle-Arbeit.

Ein Besuch der Ausstellung lohnt sich auch, weil sie zum Nachdenken anregt: Ist es gut oder schlecht, wenn Archäologen die Vergangenheit freilegen? Ohne Max von Oppenheim wüsste niemand von dieser großartigen Kultur. Aber dann wären viele Stücke noch immer unversehrt unter dem Wüstensand verborgen. Allerdings kann die Archäologie nichts für die Bombenangriffe. Aber für die phantastische Restaurierung.

Bei Truman Capote bekommen die Opfer handgeschnitzte Särge

Truman Capote: Handgeschnitzte Särge
Truman Capote: Handgeschnitzte Särge

In einem vergessenen Ort der USA geschehen Morde. Die Opfer werden auf ihr Ende vorbereitet: Der Täter schickt ihnen handgeschnitzte Särge. Die Polizei ermittelt über Jahre. Und Truman Capote ist immer wieder vor Ort. Das ist der Stoff des kleinen Büchleins „Handgeschnitzte Särge – Tatsachenbericht über ein amerikanisches Verbrechen“.

Der Band aus der schönen Truman-Capote-Reihe bei „Kein & Aber“, die wie die berühmten Moleskine-Notizbücher in Größe und Aufmachung aussieht, enthält eine seltsame Geschichte. Nicht nur, dass die Rolle des Beobachters Capote durch etliche Alkohol-Abstürze in einer wirren Art geschildert wird.

Der Polizist verrennt sich in dem Fall. Er hat eine Ahnung, wer der Täter ist. Und er will ihn unbedingt überführen. Doch trotz seiner jahrelanger Anwesenheit wird sogar in seiner direkten Umgebung gemordet. Diese Situation erzeigt einen seltsamen Lesesog. Man muss wissen, was passiert. Noch dazu, weil uramerikanische Motive eine Rolle spielen. Aber am Ende plätschert das Buch aus. Das liegt am tatsächlichen Fall. Aber auch daran, dass Capotes Exzesse ihm offenbar die Kraft nahmen, ein klares Ende zu formulieren. Dennoch sind die ersten 120 der 156 Seiten es allemal wert, sich vom Exzentriker Capote einnehmen zu lassen.

Tristesse in Frankfurt (Oder)

Sieben Minuten Fußweg. Schon nach zwei ist die Hose durchnäßt. Nur die alte Regenjacke tut tapfer ihren Dienst. Die Bahn passt sich ans Wetter an. Züge fallen aus. Loks bleiben stehen. Die nasse Hose wird zur Dauerkühlung auf der Haut. Regentropfen überall. Grau die Blicke der Menschen. Grau die Dämmerung im Regen. Mehr als 60 Minuten später fährt ein Zug los. Loks wurden getauscht.

Doch das brachte nichts. Züge wurden gestrichen. Menschen auf andere Bahnsteige gehetzt. Der Zug wird in Besitz genommen. Doch dafür müssen andere vor der Tür stehen bleiben. Der Zug sollte eigentlich nach Cottbus fahren. Doch die Pendler Richtung Süden müssen draußen bleiben. Für sie hat die Bahn blos Busse. Das alles wegen 13 Grad und stundenlangem Dauerregen?

Erstaunlich ruhig bleiben die Cottbus-Fahrer. Der Regen drückt alle Emotionen. Selbst Ärger wirkt gedämpft. Graue Stimmung, graue Töne. Tristesse in Frankfurt (Oder). Am letzten Abend vor dem Urlaub. Die Stadt will die Menschen behalten, die sie abends verlassen. Mit tätiger Hilfe der Bahn. Doch das wird nicht fruchten. Der einzige Gedanke: „Weg aus Frankfurt. Weg, ganz schnell.“