Qiu Shihua irritiert mit seinen weißen Landschaften

Der Ausstellungsraum im Hamburger Bahnhof mit den Bilder Qiu Shihuas
Der Ausstellungsraum im Hamburger Bahnhof mit den Bilder Qiu Shihuas

Beim Betreten des Saales blendet das Weiß. Nicht nur die Wände sind weiß, auch die Bilder sind alle weiß. Qiu Shihua bemalt große Flächen mit dieser klaren Farbe – und mit ganz wenigen Abstufungen.

Man muss ganz nah an die Bilder rangehen, dann stellen sich die Augen auf die Qiu Shihuas Leinwand ein, dann werden sanfte Strukturen sichtbar.

Wer ganz genau hinsieht, erkennt das Durchschimmern einer Sonne durch dichten Nebel. Und er nimmt Strukturen von Landschaften wahr.

Qiu Shihua: Ohne Titel
Qiu Shihua: Ohne Titel

Vor den Bildern können die Augen beginnen zu schmerzen. Eine Erfahrung, die ich beim Betrachten von Bildern noch nicht machte. Sie zwingt zur vollen Konzentration – und zu einer Innerlichkeit, die weh tut, weil das Äußere kaum noch Halt gibt.

Qiu Shihuas Ausstellungsraum
Qiu Shihuas Ausstellungsraum

Nur der Raum gibt Halt. Eine irre Erfahrung, wie sich die eigene Wahrnehmung verändert. Eine Irritation, die nachwirkt, weil sie zeigt, dass der genaue Blick manchmal schmerzhaft, aber dann auch sehr erkenntnisreich und dadurch anregend und belebend sein kann.

Danke für die Ruhe, lieber Kopfhörer

Heute hat sie jeder im Ohr. Heute sind sie eigentlich auch weiß. Wer auf sich hält, hat entweder die Originale von Apple oder die Derivate anderer Hersteller, die einen auf Apple machen. Früher waren sie immer schwarz. Ganz früher waren sie sogar mit Bügel und so Dingern, die nicht ins Ohr gesteckt, sondern ans Ohr gepresst wurden. Ganz coole Zeitgenossen tragen inzwischen auch schon wieder solche Teile. Allerdings sind das dann richtige Kopfhörer, die für die schalldichte Abschottung von der Umwelt garantiert sorgen.

Jetzt ist es ja so, dass diese Stöpsel viele feine Dinge ermöglichen. Man kann Musik hören. Oder ein Feature vom Deutschlandfunk über die Lage in Berg-Karabach und die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan. Oder einen BBC-Sprachkurs zur Auffrischung der Englisch-Kenntnisse. Hörbücher etwa über Essad Bey oder eine Lesung der Metamorphosen von Ovid. Alles ist möglich. Die Zeit in der Bahn wird verkürzt. Der Stöpsel im Ohr erzählt von der Welt. Direkt ins Gehirn, ohne Umwege durch Zimmer und Räume.

Das beste, was der Stöpsel aber leistet, ist etwas ganz anderes: Wer ihn im Ohr hat, wird nicht gestört, wird nicht angequatscht. Der kann sich ganz auf sich konzentrieren, selbst wenn er sinnlos, weil geräuschlos im Gehörgang stöpselt! Vor allem auf Zugfahrten kann diese Leistung der unscheinbaren und dennoch so unentbehrlich gewordenen Kopfhörerchen nicht überbewertet werden. Und deshalb lobe ich die Dinger heute hier. (Meine sind übrigens wieder schwarz, weil die weißen nur zur stillen Andacht, dauerhaft aber nicht zum Hören der Feature taugen…)