Manfred Maurenbrecher schreibt mit Grünmantel eine Uckermark-Satire

Manfred Maurenbrecher: Grünmantel

Die einen wollen Natur und Landschaft schützen, die anderen wollen von ihr leben. Das ist ein alter Konflikt, der überall ausbricht, wo Städter aufs Land ziehen, um die Ruhe zu genießen. Manfred Maurenbrecher hat sich diese Konstellation in etlichen Varianten vorgenommen und in „Grünmantel“ angesiedelt. Der fiktive Ort liegt in der Uckermark und so prallen hier Ost und West, Stadt und Land, Vergangenheit und Gegenwart aufeinander.

Rainald Grebe vertont die Berliner Republik

Rainal Grebe auf der Quadriga (Foto: pr)
Rainal Grebe auf der Quadriga (Foto: pr)

Rainald Grebe hat es schwer. Der Erfolg, den er in seinem Song „Oben“ so schön beschreibt, macht es ihm schwer, das Publikum mit neuen Stücken zu begeistern. Im Berliner Admiralspalast ist das derzeit wieder zu beobachten. Grebe hat sich ein neues Programm ausgedacht, das die „Berliner Republik“ begutachtet. Die hört sich das Publikum mal mit mehr, mal mit weniger Begeisterung an. Aber richtig ekstatisch wird die Stimmung erst bei den Zugaben. Wenn Grebe „Prenzlauer Berg“ anstimmt. Und natürlich bei seinem Lied der Lieder, bei „Brandenburg“. Da rasten die Berliner jedesmal wieder in der Selbstgewissheit aus, dass sie ja da leben, wo alle leben wollen: „Berlin. Halleluja Berlin, halleluja Berlin,
alle wollen da hin, deshalb will ich das aaaaaauch…“

Natürlich ist Brandenburg ein wunderbares Stück. Aber so, wie es im Admiralspalast gefeiert wird, erinnert es doch arg an diese Situationen bei Konzerten großer Stars, von denen niemand ein neues Lied hören will, sondern alle nur bei den alten Hits mitgrölen wollen. Für den auf der Bühne ist das etwas peinlich. Und für das Publikum, das vor allem nach Selbstbestätigung und dem Erinnern an alte Glücksmomente interessiert ist, ist es nicht nur etwas peinlich. Für ein solches Publikum ist es richtig peinlich. Denn gerade hier im Admiralspalast hat Rainald Grebe wieder ein Programm vorgestellt, das in seiner Mischung aus Liedern, Monologen und szenischen Bildern überzeugt (und noch mehr überzeugen könnte, wenn Grebes Gesang nicht so übersteuert wäre).

Wobei selbst dieser Effekt zur überdrehten, überspannten Berliner Republik passt. Aber der Effekt geht zu sehr zu Lasten des Zuhörens, als dass er als Stilmittel überzeugen könnte. Grebe hat die gesellschaftlichen Veränderungen in der Berliner Republik genau beobachtet. Ob Hartz IV oder fehlender Mindestlohn, ob die Verachtung von Armut oder der arrogante Blick auf die Provinz – Rainald Grebe bringt das alles zur Sprache, formt mit seinem Sprachwitz böse Pointen und musiziert mit seinem Orchester der Versöhnung abwechslungsreich. Die ersten 90 Minuten seines Programms hätten es verdient gehabt, genauso gefeiert zu werden, wie seine Zugaben.

Wie sehr ihm das Publikum in Erwartung seiner großartigen Hits verfallen ist, wird schon in der ersten Minute klar. Als Grebe die Bühne betritt brandet der Applaus hoch. Grebe deutet mit der Hand an, die Lautstärke zu mindern. Das Publikum gehorcht. Auch als er die Hand hebt und mehr Lautstärke fordert. Vom ersten Moment an dirigiert er den vollen Saal. Und genau deshalb bleibt ihm nichts anderes übrig, als am Ende die großen Hits zu spielen. Und das Publikum heiter beschwingt und nicht nachdenklich verwirrt in die Weihnachtsfeiertage zu entlassen.

Mnozil Brass bläst Wagner aufs Zwerchfell

Mnozil Brass (Foto: Mnozil Brass)
Mnozil Brass (Foto: Mnozil Brass)

Auf diesem Foto sehen die Musiker von Mnozil Brass ja noch einigermaßen normal aus. Im Berliner Ensemble war der erste Eindruck ein anderer – sowohl optisch als auch akustisch. Drei skurrile Männer mit Trompeten, drei weitere mit Posaunen und einer mit Tuba standen da auf der Bühne und bliesen von Anfang an kräftig in ihre Instrumente. Dabei vollführten sie seltsame Tänzchen, Märsche und Slapstick-Comedy. Aber immer mit dem Mund am Instrument. Immer Sound erzeugend. Immer den Theatersaal mit dröhnenden Blechklängen ausfüllend.

Ringsgwandls Geschichten sind nichts für leise Leser

Georg Ringsgwandl: Das Leben und Schlimmeres
Georg Ringsgwandl: Das Leben und Schlimmeres

Jetzt sind es bald schon 25 Jahre, dass Georg Ringsgwandl den Salzburger Stier verliehen bekam. Solange gehört er zumindest in Bayern zu den Stimmen, die mit ihrem schrägen Blick die Wirklichkeit graderücken. Bei ihm gilt zudem das Wort von der „Stimme“ nicht im übertragenen Sinn. Aber als Autor ist er bislang nicht in Erscheinung getreten.

Leider. Denn sein erstes Buch „Das Leben und Schlimmeres – Hilfreiche Geschichten“ verursacht eine Art Phantomschmerz, weil man diese wunderbaren Texte erst jetzt lesen darf. Warum hat uns der Ringsgwandl so lange warten lassen? Weil die CDs nicht die Verkaufszahlen erreichen, die sie verdient hätten? Oder weil ihm das Leben – früher auch als Arzt – als Familienvater und Rampensau keine Zeit ließ?  Zumindest auf die Frage nach den CD-Verkäufen gibt es in dem Buch eine Antwort.

Ganz nah an den Menschen sind seine Beobachtungen. Ganz lakonisch ist sein Ton. Und ganz großartig ist der Witz, der in diesem Spannungsfeld entsteht. „Das Leben und Schlimmeres“ ist eines dieser Bücher, die in der Bahn die Mitreisenden belästigen können, weil man lauthals lachen muss. Ringsgwandl ist ein Meister in der Offenlegung des Absurden im Alltag. Etwa wenn er den ehemaligen Schulfreund beschreibt, der fest davon überzeigt ist, dass seine Songs besser in großen Stadien funktionieren würden als die der großen Bands. Aber da er sich lieber in Gram vergräbt, bleibt er unentdeckt und leidet als kleines Licht an seinem Größenwahn.

Wunderbar sind auch die Beobachtungen über Liebe im Niedrigenergiehaus, „das Knie“ als biomechanischem Drama in drei Akten oder den „Tiroler Rundfunk“. Jeder Text für sich ist ein feines Meisterstück. Da in dem rororo-Band 32 Texte sind, wächst dieser zu einem großen Buch.

Ringsgwandl: Das Leben und Schlimmeres – Hilfreiche Geschichten. rororo, 9,99 Euro.

 

Literatur hören in Jurten zwischen Stahl und Glas

Andreas Scheffler in einer der Jurten am Potsdamer Platz
Andreas Scheffler in einer der Jurten am Potsdamer Platz

Als man noch mit der Milchkanne direkt im Bauernhof Milch kaufen durfte, da gab es einen ganz besonderen Geruch in den Melkstuben neben dem Kuhstall. Da vermischten sich Aromen von Tier und Milch zu einem etwas süßlichen Geruch, der auch etwas Fettes hatte.

Mitten in der großstädtischen Glas- und Stahlarchitektur des Potsdamer Platzes hatte ich genau diesen Geruch wieder in der Nase. Nicht in einem zu glatten Lokale oder der vielen Büroräume. Es war in einer der Jurten, die da gerade stehen. Etwas verlassen stehen die drei Zelte aus der mongolischen Steppe da. Aber genau das ist es ja, was sie so reizvoll macht.

In ihnen verliert sich der Zuhörer nicht. Im Gegenteil: Nur 44 können einer der Lesungen zuhören; vielleicht auch 48 mit ganz viel quetschen. Egal wie kalt es draußen ist, innen ist es in kürzester Zeit so warm, dass jede nur noch so dünne Jacke zu dick ist.

Jurten auf den Potsdamer Platz
Jurten auf den Potsdamer Platz

Der Geruch der Filzzelte verschwindet dann auch. Ob das an den Ausdünstungen der vielen Menschen liegt, oder dem abnehmenden Sauerstoffgehalt der Luft? Ich weiß es nicht. Nur, dass es nach der Lesung nur fünf Minuten dauert, bis er wieder in die Nase drängt.

Die Jurtendeckel oben sind geschlossen. Doch wenn sie etwas verrutscht sind, dann erblickt man durch sie ein kleines Stück Glas- und Stahl eines der hohen Häuser. Dann kommt die Kälte des Außen als Bild in die Wärme des Innen. Die Lesung wird so zu einem sinnlichen Eindruck ganz eigener Art. Und der ist so stark, dass selbst peinlich unvorbereitete Moderatoren, die keinen Autorennamen kennen, gut zu ertragen sind.

Mit dem Bahntower im Hintergrund
Mit dem Bahntower im Hintergrund

Neben der Gefahr dass laut grölende italienische Touristen direkt neben der Zeltwand die leise Stimme der Autorin übertönen, ist das der einzige Minuspunkt einer wunderbaren Art, mit Literatur in Kontakt zu kommen.

Andreas Scheffler war übrigens sehr amüsant, auch wenn er etwas zu sehr in dem einen oder anderen Klischee badete. Katharina Hacker erzählte nett vom Odenwald, auch wenn es da bestimmt niemanden gibt, der Blaubeeren isst. Wenn schon, dann Heidelbeeren. Judith Poladjan hat wunderbar gelesen, auch wenn die Ich-Erzählerin etwas blass blieb. Und Thomas Melle hat bestimmt einen guten Roman geschrieben. Aber mit dem Vorlesen hat er es nicht so. Dennoch haben alle Runden Spaß gemacht.

 

 

Thomas Brussig gibt Schiedsrichter Fertig eine Stimme

Thomas Brussig: Schiedsrichter Fertig - Eine Litanei
Thomas Brussig: Schiedsrichter Fertig – Eine Litanei

Es gibt Bücher über Torhüter. Es gibt Jugendbücher über Stürmer und Trainer. Aber den Schiedsrichter hat noch niemand ausführlich literarisch gewürdigt. Diese Aufgabe hat nun Thomas Brussig (43) übernommen. Und meisterhaft gelöst.

Schiedsrichter Fertig sind gut 90 Seiten fließende Gedanken darüber, wie sich Schiedsrichter fühlen, wie sie gesehen werden und wie ungerecht die Öffentlichkeit mit ihnen umgeht. Brussigs Schiedsrichter vergleicht sich mit einem Chirurgen, der wie der Referee nur dann gut ist, wenn von seinem Eingriff nichts zu spüren ist. Der Text ist stringent und logisch. Er ist unterhaltend und beklemmend. Kurz: Er ist das Beste, was seit Langem über Fußball geschrieben wurde.

Sebastian Krämer schult die Leidenschaft

Sebastian Kraemer: Schule der Leidenschaft
Sebastian Kraemer: Schule der Leidenschaft

Sebastian Krämer (31) ist einer dieser Kabarettisten, die nur mit einem Klavier auf der Bühne den ganzen Abend gestalten können. Seine Musik und seine Texte bewegen sich zwischen klassischem Kabarett und Poetry Slam. In letzterem hat er 2001 und 2003 sogar den Champion-Titel für Deutschland errungen.

Das merkt man auch seiner CD „Schule der Leidenschaft“ in seiner besten Form an. Seine Texte sind spontan, seine Improvisationen über dem musikalischen Teppich des Klaviers überraschen. Sie erzählen von dem großen menschlichen Missverständnis, der Liebe. Und sie kreisen um all das, was die Tageszeitungen so füllt: von Arafat bis Kernspintomografie, von Mülltrennung bis Depression in Ostdeutschland. Krämer hat zwar nicht die beste Gesangsstimme, aber seine Improvisation trifft den Ton – zumindest den, den das Publikum hören will.

Die aktuelle CD ist etwas schwächer als der Vorgänger, aber immer noch weit über dem Durchschnitt dessen, was einem auf Kleinkunstbühnen so geboten wird. Sebastian Krämer bewegt sich auf den Kleinkunstbühnen der Republik als ständiger Gast. Auf dem CD-Player ist er auch willkommen.

Ein kurzweilig lesen von Till Eugenspiegel

Seine Streiche sind sprichwörtlich. Viele haben schon Geschichten von Till Eulenspiegel gelesen. Doch die wenigsten kennen die Streiche im Original. Der Eulenspiegel Verlag
aus Berlin hat jetzt Geschichten aus den Volksbüchern des 16. Jahrhunderts gebündelt und
vorsichtig ins Neuhochdeutsche übertragen, ohne den Charme der alten Texte zu zerstören.

Die richtige Lektüre für Kinder sind die Erzählungen vom Eulenspiegel nicht unbedingt. Denn da wird geflucht, bis der Leser fast rot wird. Aber die Konsequenz, mit der Eulenspiegel seiner Umwelt vorführt, wie gedankenlos sie vor sich hinplappert, das ist wiederum eine Lektion, die Jung und Alt nicht oft genug erteilt werden kann.

EIN KURZWEILIG LESEN VON TILL EULENSPIEGEL. EULENSPIEGEL VERLAG. 12,90 EURO.

Fritz Eckenga geht Einkaufen statt zu jubeln

Fritz Eckenga: DU BIST DEUTSCHLAND? ICH BIN EINKAUFEN
Fritz Eckenga: DU BIST DEUTSCHLAND? ICH BIN EINKAUFEN

Irgendwann hat man ihn kennengelernt, den Fritz Eckenga. Und dann hat er ständig was zu erzählen gehabt. Mal als Gedicht, dann als Kolumne zum deutschen Alltag und ganz besonders zum Fußball. Er hat diesen Ton des Ruhrgebiets, der rauh und dennoch zutiefst menschenfreundlich ist. Auch wenn man das erst einmal begreifen muss.

Zum Glück hat der Fritz jetzt auch wieder mal seine Texte gesammelt. „Du bist Deutschland? Ich bin  einkaufen“ sind die Gedichte und Geschichten betitelt. Und wie er da wieder schwadroniert und das Hohe mit dem Banalen kombiniert, ist er wohl in Bestform, der Fritz Eckenga. Nur wer offensiv lacht, sollte das Buch in der Öffentlichkeit lesen!

Fritz Eckenga: DU BIST DEUTSCHLAND? ICH BIN EINKAUFEN. TIAMAT. 14 EURO

 

Der Schalk Robert Gernhardt geht lächelnd von Bord

Robert Gernhardt (1937 - 2006)
Robert Gernhardt (1937 – 2006)

Robert Gernhardt hat für den Witz gelebt. Für den geistreichen, für den gereimten, für den gezeichneten, aber auch für den deftigen und derben. Er schrieb an den Drehbüchern der Otto-Filme mit. Er war der wichtigste deutsche Lyriker der Gegenwart, und er war ein geistreicher Mensch, der auf sein Gegenüber ohne Dünkel zuging. Am Freitag ist Robert Gernhardt mit 68 Jahren gestorben.

Wollte immer schnell
abtreten.
Bin wohl bestimmt zum
Weilen.
Wie soll denn den,
der so langsam
vergeht,
jemals das Ende
ereilen?

„Lagebeurteilung“ nannte Gernhardt dieses Gedicht 1996. Da musste er am Herzen operiert
werden. Nach überstandenen Herzinfarkt und Bypass-OP war er zu Recht sehr  optimistisch. Wie er die Krankheit als Chance begriff und in Herz in Not in witzige und
nachdenkliche Gedichte packte, war meisterhaft. Seine letzte Krankheit überlebte er leider nicht mehr.

1937 wurde Gernhardt im damals noch multikulturellen Reval, der Hauptstadt Estlands geboren. Nach dem Krieg kam er nach Frankfurt und begann schon bald das Reimen. Gemeinsam mit Bernd Eilert, F.K. Waechter, Eckhard Henscheid, F.W. Bernstein und anderen begründete er die Neue Frankfurter Schule in Anspielung an die philosophische Frankfurter Schule um Adorno, Marcuse und Habermas, die als Vordenker der 68er-Bewegung galten.

Doch Gernhardt und Co. hatten die Philosophie zwar begriffen, doch das Lachen darüber lag ihnen mehr. Sie gründeten die Satire-Zeitschrift Pardon und in den 70er-Jahren dann Titanic. Aus diesen Zeiten ist der Klassiker:

Die größten Kritiker der Elche
waren früher selber welche.

Bis die Kritik Gernhardt und Co.Ernst nahm, hat es lange gedauert. Die Leichtigkeit der Reime war ihnen nicht geheuer. Und die Stoffe, über die Gernhardt lachen konnte und wollte: nämlich alles. Ob Religion oder George W. Bush, ob Mülltrennung oder Krankheit.
Und das in formal vollendeten Sonetten oder in lockeren Versfolgen. Gernhardt ging das scheinbar leicht von der Hand.

In einem Essay über Literatur schrieb er: Keine Sau will mehr rühmen, jedes noch so dumme Schwein möchte berühmt werden. Das war schon in den 80er-Jahren. Also lange vor Big Brother und anderer voyeuristischer TV-Obszönitäten. Um ihm gerecht zu werden,
bleiben uns Lesern nur zwei Dinge: Weiter Robert Gernhardt lesen und weder Sau noch dummes Schwein zu sein, um ihn zu rühmen!