Mit Johann Legner im RE 2 – Ein Nachruf

RE 2 von Berlin nach Cottbus. Jeden Morgen saß Johann einige Jahre lang in diesem Zug. Und abends dann zurück. In Königs Wusterhausen bin ich dazu-, bzw. ausgestiegen. Frühs hatte Johann schon die wichtigsten Zeitungen gelesen. Was es an Neuem gab, welche Analysen der Innen- und Außenpolitik plausibel oder einfach nur ärgerlich waren, wurde dann sofort ausgewertet. Für mich waren diese Zugfahrten wie eine Druckbetankung mit Wissen und Denkanregungen.

Der Schalk Robert Gernhardt geht lächelnd von Bord

Robert Gernhardt (1937 - 2006)
Robert Gernhardt (1937 – 2006)

Robert Gernhardt hat für den Witz gelebt. Für den geistreichen, für den gereimten, für den gezeichneten, aber auch für den deftigen und derben. Er schrieb an den Drehbüchern der Otto-Filme mit. Er war der wichtigste deutsche Lyriker der Gegenwart, und er war ein geistreicher Mensch, der auf sein Gegenüber ohne Dünkel zuging. Am Freitag ist Robert Gernhardt mit 68 Jahren gestorben.

Wollte immer schnell
abtreten.
Bin wohl bestimmt zum
Weilen.
Wie soll denn den,
der so langsam
vergeht,
jemals das Ende
ereilen?

„Lagebeurteilung“ nannte Gernhardt dieses Gedicht 1996. Da musste er am Herzen operiert
werden. Nach überstandenen Herzinfarkt und Bypass-OP war er zu Recht sehr  optimistisch. Wie er die Krankheit als Chance begriff und in Herz in Not in witzige und
nachdenkliche Gedichte packte, war meisterhaft. Seine letzte Krankheit überlebte er leider nicht mehr.

1937 wurde Gernhardt im damals noch multikulturellen Reval, der Hauptstadt Estlands geboren. Nach dem Krieg kam er nach Frankfurt und begann schon bald das Reimen. Gemeinsam mit Bernd Eilert, F.K. Waechter, Eckhard Henscheid, F.W. Bernstein und anderen begründete er die Neue Frankfurter Schule in Anspielung an die philosophische Frankfurter Schule um Adorno, Marcuse und Habermas, die als Vordenker der 68er-Bewegung galten.

Doch Gernhardt und Co. hatten die Philosophie zwar begriffen, doch das Lachen darüber lag ihnen mehr. Sie gründeten die Satire-Zeitschrift Pardon und in den 70er-Jahren dann Titanic. Aus diesen Zeiten ist der Klassiker:

Die größten Kritiker der Elche
waren früher selber welche.

Bis die Kritik Gernhardt und Co.Ernst nahm, hat es lange gedauert. Die Leichtigkeit der Reime war ihnen nicht geheuer. Und die Stoffe, über die Gernhardt lachen konnte und wollte: nämlich alles. Ob Religion oder George W. Bush, ob Mülltrennung oder Krankheit.
Und das in formal vollendeten Sonetten oder in lockeren Versfolgen. Gernhardt ging das scheinbar leicht von der Hand.

In einem Essay über Literatur schrieb er: Keine Sau will mehr rühmen, jedes noch so dumme Schwein möchte berühmt werden. Das war schon in den 80er-Jahren. Also lange vor Big Brother und anderer voyeuristischer TV-Obszönitäten. Um ihm gerecht zu werden,
bleiben uns Lesern nur zwei Dinge: Weiter Robert Gernhardt lesen und weder Sau noch dummes Schwein zu sein, um ihn zu rühmen!