Bin ich spießig?

Am Morgen danach sieht es fast immer so aus. Wobei sich das „danach“ nicht auf eigene Feiern bezieht, sondern auf Abende, die zu viele Menschen an den Badewiesen in Eichwalde oder Schmöckwitz gefeiert haben. Neulich haben Kinder in Eichwalde 70 Bierflaschen eingesammelt und das Pfand ergattert. 70 Flaschen am nächsten Morgen!

Diese Flaschen waren wenigstens ganz. Aber allzu oft sind sie auch nur noch Scherben. Da kommen dann all die Badefreunde am nächsten Tag und müssen genau darauf achten, dass sie in keine Scherbe treten. Oder die Kinder aus der Eichwalder Waldkita, die einmal in der Woche einen Strandtag haben. An all sie denkt von den Feiernden niemand. Ist es jetzt spießig, sich darüber zu ärgern? So wie es vielleicht spießig ist, dass in Kreuzberg nicht mehr jeder lärmende und besoffene Tourist von allen Anwohnern herzlich begrüßt wird? Ich weiß es nicht, glaube aber nicht, dass das spießig ist. Ich denke eher, es ist Wut über den mangelnden Respekt, den die Dreck-Hinterlasser und Lärm-Verursacher ihrer Umwelt gegenüber haben.

Umwelt meint damit beides: Natur und Menschen, die daneben wohnen oder am nächsten Tag auf dem gleichen Stück Strand liegen wollen. Mit etwas Respekt und weniger Ignoranz dem Anderen gegenüber ginge so vieles so viel einfacher. Und alle wären zufriedener. Aber vielleicht ist diese Hoffnung romantisch? Oder diese Sehnsucht doch spießig?

Lustige Effekte des Abnehmens

Am Wochenende ist ein Anzug Pflicht. Also nicht an jedem, aber an diesem. Um ganz sicher zu sein, dass der gewählte Zweiteiler keinen Fleck hat, probierte ich ihn vorsichtshalber an. Doch siehe: Er hängt an mir wie ein Sack. Sieben bis acht Kilo weniger wirken sich dramatisch auf die Passgenauigkeit vor allem der Hose aus. Nun denn, es gibt ja mehr als einen Anzug im Schrank. Dann kommt eben der nächste dran. Doch das Ergebnis ist immer dasselbe: Säcke statt Hosen und manchmal sogar Jackets, die ohne Form und Halt um Schultern und vor allem Bauch labbern.

Um dem eigenen Anspruch auf einen gut sitzenden Anzug am Sonntag gerecht zu werden, musste also ein neuer her. Peek & Cloppenburg am Kudamm ist dafür immer eine gute Adresse. Eine Einschätzung, die offensichtlich auch weit bedeutendere Menschen als ich teilen. Denn als ich aus der Ankleidekabine heraustrete und dabei schon den guten Sitz der Hose spüre, deshalb in mich hineingrinse, steht plötzlich Peter Fox neben mir. Auch in einem Anzug, der sehr gut passt. Mein Blick schweift noch weiter – und siehe da: Seeed ist komplett hier. Doch die anderen Jungs tragen Unterhosen statt Anzüge. Aber nur kurz. Dann stehen sie alle in unterschiedlichen Anzügen vor den Spiegeln und diskutieren, welcher am besten sitzt. Und welcher zu sehr nach Big Band aussieht. Und wie er sich wohl anfühlt, wenn Scheinwerfer mit 50.000 Watt auf sie scheinen.

Das Outfit für die neue Tour wird hier gewählt. Und ich bin dabei. Grinse in mich hinein. Und zucke das Handy nicht, um die Herren in Boxershorts abzulichten. Das ginge dann doch zu weit. Aber wenn ich beim Seeed-Konzert sein werde und die Anzüge sehe, denke ich bestimmt auch an das, was sie darunter tragen. Und das nur, weil ich den Speckring unter meinem Outfit nicht mehr mit mir herumschleppe!

Warten aufs Gewitter

Die Luft ist so schwer. Jede Bewegung verursacht Schweißausbrüche. Der Kopf will sich nur noch ablegen, jeder Gedanke, jede Bewegung erhöht den Druck. Die feuchten Luftmassen drücken die Pollen nach unten. Die Augen jucken, die Nase reagiert auf den Pollenansturm. Im Zug herrscht großes Schweigen. Keine lauten Töne, nur in sich gekehrte Gesichter ringsum. Später auf dem Bahnsteig rennt niemand. Alle Menschen gehen langsam. Niemand will noch mehr schwitzen als unbedingt nötig. Alle warteten auf das Gewitter.

Auf dem Weg nach Hause mischt sich Sorge in die frohe Erwartung der Erleichterung. Sind die Fenster geschlossen? Sind die Regenrinnen sauber oder mit Laub und Lärchennadeln verstopft? Doch die Freude auf die heraufziehende Erleichterung überwiegt: Jede Faser des Körpers will vom Druck befreit werden. Dann kommen die Donnerschläge immer näher. Dunkle Wolken ziehen über das Haus, türmen sich in mehreren Schichten von hellgrau bis fast schwarz übereinander. Wind zieht auf, bringt erste Abkühlung, schüttelt die Bäume durch.

Und dann regnet es! In Stürzbächen ergießt sich das Wasser über die Landschaft, stürzt über Regenrinnen, die diese Menge nicht aufnehmen können, staut sich vor Gullis in großen Pfützen. Blitze begleiten die Entladung. Nur die Fenster sind geschlossen! Die Abkühlung muss draußen bleiben. Bis der Regen nachlässt. Dann werden die Fenster aufgerissen, strömt die Abkühlung endlich ins Haus, wird von jeder Zelle dankbar aufgenommen. Und auch der Kopf ist endlich wieder richtig klar.

Und zur Belohnung Walderdbeerbowle

Die Sonne brennt. Die Hitze drückt. Und dennoch muss die Arbeit im Garten gemacht werden. Wann, wenn nicht am Wochenende? Wichtig bei solchen Arbeitseinsätzen ist die Planung für danach. Heute zum Beispiel diese Walderdbeerbowle.

Sie geht ganz einfach: Etwas trockenen Rosé nehmen, im Garten gesammelte Walderdbeeren hinein und ab in den Kühlschrank. Einige Stunden sollten die Beeren schon ziehen, um dem Wein ihren süßen, fruchtigen und irgendwie auch zarten Geschmack abzugeben. Am Ende kann man den Wein mit den Erdbeeren mit Sekt, Prosecco oder Selters auffüllen. Denn Kohlensäure sollte unbedingt hinein.

Heute war es Selters. Denn die Hitze gepaart mit noch mehr Alkohol hätte im Kopf am Nachmittag dann doch nicht so gut getan. So aber, war das Glas ein Traum. Und eine feine Belohnung für die schweißtreibende Arbeit, die erledigt werden musste. Es sind halt oft diese kleinen Köstlichkeiten, die das Leben abrunden. Man darf nur nicht vergessen, sich rechtzeitig welche einfallen zu lassen.

Mehr zur Walderdbeerbowle:
Der ganz besondere Garten-Genuss…

Göttliche Erkenntnis

Ob es der Punkt zwischen den Fußballen ist oder der in der Falte unterhalb des kleinen Fingers, wenn man eine Faust ballt, weiß ich nicht mehr. Aber ich bin mir sicher, dass einer von beiden „Göttliche Erkenntnis“ heißt. Das zumindest meinte mein Arzt, der vor gut 30 Jahren gegen meinen Heuschnupfen und meine Kniebeschwerden – erfolgreich – mit Akupunkturnadeln vorging.

Beide Punkte sind sehr schmerzempfindlich, wenn eine feine Nadel in die Haut gedreht wird. Seit gestern bin ich mir dennoch sicher, dass es der Punkt am Fuß sein muss. Barfuß habe ich mir in der Küche einen winzigen Glassplitter genau in diese Stelle gerammt. Er war so klein, dass er in der Wunde kaum zu finden war. Dafür war der Schmerz umso größer, genauso wie damals bei der Akupunktur. Erkenntnis konnte ich zwar keine gewinnen. Wahrscheinlich kam der Schmerz dafür zu spontan. Jetzt aber weiß ich, dass er bei jedem Schritt wieder kommt. So wie ich früher beim Nadeln wusste, was mir blüht.

Das Wissen um den bevorstehenden Schmerz aber sorgt tatsächlich für die Bereitschaft, sich Größerem hingeben zu wollen. Und sei es nur den tröstenden Armen wärmender Geborgenheit. So wie früher als Kind, als Gott noch alles beobachtete. Und damit für vertrauensvolle Sicherheit sorgte. Und die Moral von der Geschicht? / Tritt niemals in die Scherbe nicht / nur wenn die Hilfe ist ganz nah / erträgt den Schmerz der Mensch / Ansonsten dreht er durch / denkt nicht mehr klar / wie bei der Liebe Leid / macht sich sonst Verzweiflung breit

Fahrräder am Herrentag

Warum, frage ich mich als Autofahrer, sind so viele Fahrradfahrer so dick-bräsig? Gerade am Herrentag (so im Osten) oder Vatertag (in der westlichen Heimat) drängt sich diese Frage radikal in den Blick. Ich meine jetzt nicht die alkoholisierten Radler, die meinen auch mit fünf Bier und drei Korn noch geradeaus fahren zu können. Nein ich meine all jene, die nur dreimal im Jahr aufs Rad klettern und dann meinen, alle müssten sich nach ihnen richten.

Diese beiden da auf dem Foto zum Beispiel: An dieser Stelle in Erkner gibt es einen Radweg. Der holpert auch gar nicht, weil der Asphalt noch ganz neu ist. 50 Meter weiter wird der Radweg in der Banhunterführung sogar überlebenswichtig. Doch das ficht Mutti und Vati mit Rucksack nicht an. Sie fahren mal schön da, wo sie nicht nur die Autofahrer ausbremsen (das wäre noch zu verkraften), nein, sie fahren vor allem da, wo sie sich selbst gefährden.

Und das mit ungefähr geschätzten 7,5 Stundenkilometern in geschlängelten Linien! Hilfe! Ich bin doch selbst viel lieber Rad- als Autofahrer! Aber so geht das doch nicht. Das macht mich aggressiv – und mit Sicherheit noch viele andere Autofahrer. Solche wahnsinnigen und vor allem selbstgefälligen Radler sind eine Zumutung! Zum Glück ist morgen wieder ein normaler Arbeitstag. Da fahren die wieder alle Auto. Aber ob das wirklich besser ist, weiß ich auch nicht. Vor allem dann, wenn ich dann Radfahrer bin und nur erwarte, dass Mutti und Vati bei der rechtsabbiegenden Straße auch hoffentlich nach hinten schauen…

Lob der Gartendusche

Ganz unscheinbar hängt sie in der Fichte. Lediglich einige Steinplatten aus Hammelburger Muschelkalk geben einen Hinweis darauf, dass sich in diesem Baum etwas Besonderes befindet: Die Gartendusche. Sie ist eine der einfachsten und wunderbarsten Erfindungen für Gartenfreunde. Sie spendet immer kühles, brunnenkaltes Nass. Sie schenkt Abkühlung und einen klaren Kopf. Sie nimmt Schweiß und gibt prickelnde Frische. Und das zu jeder Zeit!

So wie heute, als sich die Schwüle abends bis zu den sich verdunklenden Wolken aufstaute. Als nicht mehr klar war, ob der feuchte Film auf der Haut von der Luftfeuchtigkeit oder doch eher aus dem Inneren der Haut stammte. Als der Druck auf dem Kopf zunahm und die Bewegungsfreude immer weiter ab. Genau in solchen Momenten ist die Gartendusche die Erlösung. Erst schreckt die Kälte ab. Doch wer den Schritt wagt und tief einatmet, wenn die Kälte von oben herabprasselt, der wird mit einem unglaublich entlastenden und befreienden Gefühl belohnt.

Natürlich geht dem eine kleine Qual, eine Schrecksekunde mit hunderten kleinen kalten Stichen auf der Haut voraus. Doch das währt nur kurz. Dann greift die Entspannung am ganzen Körper auf den Kopf über. Er wird klar und frei und von allem Druck entlastet. Dieses Gefühl ist einfach nur gut. Und das richtig Schöne dabei ist: Es dauert nicht lang. Nach zwei bis drei Minuten ist man ein anderer Mensch. Und erfreut sich wieder des Tages.

Fotos auf Festen

Was ist die wichtigste Frage vor der Konfirmation? Für die Eltern, wenn sie gemeinsam mit der Pfarrerin das Fest vorbereiten? Es ist das Fotografieren. Darf man? Oder besser nicht? Das Festhalten des Augenblicks ist ein tiefes menschliches Bedürfnis. Aber der Akt selbst störend. Das Klicken durchbricht die Ruhe. Das Blitzen zieht die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Ereignis auf den grellen Lichtfleck. Und das Suchen der besten Perspektive bindet die Blicke. Aber das Bedürfnis, den entscheidenden Moment im Bild festgehalten zu erinnern, ist groß. Nicht nur bei Konfirmationen. Das Dilemma ist es ebenso. Denn die Fähigkeit ohne Bildkrücke sich erinnern zu können, scheint zu schwinden. Und doch wäre dies doch der einzig richtige Weg, ein geistiges Ereignis festzuhalten. Im Herzen. Im Geist. In der Erinnerung.

Und das kommt dabei heraus…

Pause beim Wochenenddienst

Samstagsarbeit im Sommer kann ganz erträglich sein. Auf der Terrasse stört nur das grelle Licht der Sonne, das den Blick auf den Bildschirm einschränkt. Aber im Schatten geht es sehr gut. Umso schöner dann eine Pause mit Erdbeeren und Vanilleeis. Und natürlich einer Tasse guten Tee. Schade, dass Arbeit meist nicht so beschaulich ist. Die Produktivität ist in diesem Umfeld definitiv höher. Beim nächsten Dienst gibt es dann selbstgemachtes Eis…

Mein Gewürztraminer des Genusses

Gewürztraminer von Hummel
Gewürztraminer von Hummel

Zum Essen einen Gewürztraminer. Das war für mich bislang nicht möglich. Zu stark sind die Aromen, zu mächtig der Geschmack, als dass ein feines Essen daneben bestehen könnte. So dachte ich bisher. Doch seit gestern weiß ich es besser. Das liegt zum einen an diesem ausgereiften Wein vor Horst Hummel aus dem ungarischen Villány, das einst Bordeux des Südens genannt wurde.

Der wurde gestern aus fünf schönen Weißweinen zu einem abwechslunsgreichen Abendmahl gewählt. Und zwar von jemandem, der eigentlich nur Rotwein mag. Ein feiner, filigraner Riesling kam da nicht in Frage. Und so begleitete dieser erstaunliche Tropfen das Essen. Er zeichnet sich durch eine frohe Fülle an fruchtigen Geschmacksnoten aus, die sich nicht sofort verflüchtigen. Im Gegenteil: Sie halten auch einem köstlich gebratenem Wammerl und einem kräftig-würzigen Blutwurststrudel stand. Aber ohne deren Noten zu verkleistern.

Tja. Es war wohl ein kleines Fest des Genusses, den das “Schlesisch Blau” in Kreuzberg da bereitete. Ich bin gespannt, mit welchem Wein ich überrascht werde, wenn sich ein solcher Abend wie gestern wiederholt. Sicher bin ich mir jetzt auf jeden Fall, dass diese Begleitung wieder wählen darf!