Facebook kann den eigenen Erfolg nur selbst zerstören

Facebook ist ein Phänomen. Die Internetseite hat nicht nur eine unglaubliche Anzahl an Nutzern. Sie ist auch unglaubliche 50 Milliarden Dollar wert. Und das völlig zu recht. Mit einer zweiten New-Economy-Blase hat diese Bewertung nichts zu tun.

Sagenhafte 500 Millionen Menschen aus aller Welt haben sich auf Marc Zuckerbergs Freundeseite registriert – und täglich werden es mehr. Jeder zweite von ihnen ist Tag für Tag in dem sozialen Netzwerk unterwegs, wo er mit seinen durchschnittlich 130 Freunden kommuniziert oder zumindest verfolgt, was sich bei ihnen Neues tut. Außerdem beobachten diese Nutzer auch, was es an Neuigkeiten von ihrer liebsten Zeitung, TV-Sendung oder dem präferierten Fußballverein gibt.

Anhand von Facebook-Einträgen konnten Soziologen schon entschlüsseln, an welchen Tagen sich Paare am häufigsten trennen. Die 2,5 Millionen Entwickler von Spielen und Applikationen auf Facebook schaffen es zudem, den Nutzern immer weitere Informationen über sich selbst zu entlocken; da diese Entwickler nicht von Facebook bezahlt werden, sondern von all den Firmen, die sich auf Facebook den Nutzern präsentieren.

Kein Wunder also, dass Facebook so viel wert ist. Denn im Unterschied zu den Internetfirmen, die vor gut zehn Jahren an den Börsen hoch bewertet wurden, hat Facebook nicht nur einen direkten Kundenkontakt. Facebook weiß auch deutlich mehr über den einzelnen Nutzer und über bestimmte Nutzergruppen. Mit diesem Wissen kann tatsächlich über Werbung Geld verdient werden. Weder Google noch eBay wissen so viel über ihre Mitglieder wie Facebook.

Da Facebook rasant weiter wächst, ist derzeit auch nicht absehbar, dass der Wert der Firma sinken könnte. Es gibt eigentlich nur einen Grund, der zu einem Kursabsturz führen kann: Wenn Face¬book die Sorgen der Nutzer um Datensicherheit weiter völlig ignoriert. Dann könnten sich die Nutzer genauso schnell von der Plattform zurückziehen, wie sie sie geentert haben. Wer an AOL oder Yahoo denkt, weiß, dass im Internet Marken schnell groß und mächtig werden können – und genauso schnell wieder verglühen können.

MOZ-Kommentar…

Franca Rame erzählt ihr Leben mit Dario Fo

Ohne Franca Rame gäbe es den Literaturnobelpreisträger Dario Fo nicht. Die Frau an der Seite des Theater-Anarchisten hat mit seiner Unterstützung eine Autobiografie geschrieben, die so ist, wie alles, was die beiden auf die Bühne gebracht haben: schnell, lustig, überraschend und lehrreich.

Franca Rame hat das Theater schon als Kind kennen und lieben gelernt. Ihre Eltern hatten eine eigene fahrende Bühne, mit der sie in ganz Italien auftraten. Die kleine Franca erlebte die Kunst des Theaters als Gewerbe, das die Familie ernähren musste. Und als Faszinosum, das die Besucher in einer Zeit ohne Fernsehgeräte in ein Reich der Phantasie verführte.

Im Italien Mussolinis lernte die 1929 geborene Franca zudem, wie Komik selbst in der Diktatur ein Weg sein kann, die Wahrheit auszusprechen. Dario Fo hat dann später das Theater über seine spätere Frau kennengelernt. Sein Sprachwitz und ihre Spontaneität auf der Bühne waren der Kitt, der aus dem Ehepaar ein unverwechselbares Bühnenpaar machte, das auch heute noch zusammen auftritt. Ihr Buch hat Franca Rame wie ein einen Bühnenmonolog angelegt. Deshalb heißt es auch „Ein Leben aus dem Stegreif“. Und weil damit das Lebensgefühl dieser Künstlerin auf den Punkt gebracht wird. In Episoden erzählt sie aus ihrem Leben.

Manchmal meldet sich Dario Fo aus dem Off und korrigiert ihren Monolog. Ganz so, wie es in seinen Stücken oft die Figuren der Commedia dell’Arte machen. Diese Entdeckung des traditionellen Volkstheaters Italiens hat maßgeblich zum Erfolg des Paares beigetragen. Rame beschreibt fesselnd, wie sie als bekennende Linke auch in der katholischen Provinz die Zuschauer Fesseln konnten. Der Führung der Kommunistischen Partei war das nicht immer recht.

Denn Wahrhaftigkeit und Witz waren den beiden stets wichtiger als eine Parteilinie. Selten war eine Autobiografie so frei von Eitelkeit wie diese. Rame zeigt ihren Weg von der fahrenden Schauspielerin bis zur unabhängigen Abgeordneten im italienischen Senat. Dabei wahrt sie stets Distanz zu sich selbst und erkennt so die komischen Seiten ihres Lebens. Denn die Schauspielerin ist es gewohnt, sich von außen zu betrachten – und das Gesehene in einer direkten, schnörkellosen Sprache zu erzählen.

MOZ-Rezension…

Robert Seethaler erfindet einen bizarr-realen Bildungsroman

Diese Geschichte ist eigentlich ganz banal. Da wächst ein Bub in der Provinz auf, versucht sich und die Welt zu begreifen und scheitert an ihr. Bis er das Theater für sich entdeckt und mit ihm seine Rolle in der Welt.

Was sich wie eine knappe Inhaltsangabe von Goethes „Wilhelm Meister“ liest, fasst das neue Buch von Robert Seethaler zusammen. „Jetzt wirds ernst“ ist sein dritter Roman. Vor allem der Vorgänger „Die weiteren Aussichten“ war ein Erfolg. Genauso wie der darauf basierende Fernsehfilm „Die andere Frau“, für den Seethaler mit Dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde.

Seethaler ist ein Meister lakonischer Sätze, die nicht sofort ihre Wirkung entfalten. Die Summe der simplen Beobachtungen erzeugen eine Stimmung, die jeder in seiner Pubertät erlebt hat. Denn davon handelt der Roman vor allem. Er schildert, wie aus einem Baby, das bei einer Sturzgeburt das Licht der Welt erblickte, ein Junge wird, der die Schule seltsam findet und in der Pubertät langsam zu sich selbst findet. Insofern ist der Vergleich zu Wilhelm Meister ein guter. Nur dass Seethalers Bildungsroman viel humorvoller und direkter ist.

Der Titel „Jetzt wird ernst“ beschreibt eigentlich das Ende des Buches. Bis dahin ist für den Jungen natürlich auch alles ernst. Der Tod der Mutter, die Mitarbeit im väterlichen Friseursalon, die erste unglückliche Liebe oder die Versagensangst vor dem ersten Auftritt auf der Theaterbühne. Doch richtig ernst wird es halt erst, wenn man erwachsen ist und sich der Welt richtig stellen kann.

Robert Seethaler gelingt es, alle seine Figuren mit echter Zuneigung zu schildern. Selbst unangenehme Personen wirken nicht abstoßend. Sie sind ein Teil des Lebens und schon deshalb auch gut. Seinen eigentlichen Helden, aus dessen Ich-Perspektive der Roman geschrieben ist, begleitet er mit Herzlichkeit und Frische. Angesichts der vielen Fettnäpfchen, die das langsame Erwachsenwerden so mit sich bringt, ist das gar nicht so einfach. Genau diese Spannung trägt den Roman und macht ihn zu einem großen Lesegenuss.

Robert Seethaler: Jetzt wird’s ernst. 303 Seiten, Kein & Aber, 19,90 Euro

MOZ-Rezension…

Yishai Sarids Thriller erschüttert israelisches Selbstverständnis

Der Nahostkonflikt zieht sich nun schon seit mehr als 60 Jahre hin. Sowohl bei Palästinensern als auch bei Israelis hat er tiefe Furchen in die Wahrnehmung des Anderen gezogen. Der Israeli Yishai Sarid (45) erforscht in seinem Thriller „Limassol“ genau diese Verwerfungen.

Sarid war Offizier der israelischen Armee. Sein Geschäft dabei war die Nachrichtenbeschaffung und Auswertung. Anschließend hat er Jura studiert und als Staatsanwalt und Anwalt gearbeitet. Seine Kenntnisse und Erfahrungen prägen auch seine Hauptfigur, einen auf Selbstmordattentäter spezialisierten Schabak-Mitarbeiter. Für ihn ist das wichtigste, Anschläge zu verhindern. Dafür schreckt der Ich-Erzähler weder vor Folter bei den Verhören noch Mord zurück.

Er und seine Kollegen beim Geheimdienst fühlen sich im Recht. Das wird auch von der Staatsanwaltschaft normalerweise so gesehen. Vertuschung von Gewalt an palästinensischen Häftlingen ist Alltag. Doch in dieser Atmosphäre der Gewalt und gleichzeitigen Gewaltverhinderung verändert sich der Ich-Erzähler. Seine Ehe geht in die Brüche. Ihm fehlen die Worte, um seiner Frau zu erzählen, was ihn beschäftigt. Und selbst wenn er reden könnte, dürfte er es nicht.

In dieser Verfassung wird er auf Daphna angesetzt. Die Friedensaktivistin hat Kontakt zu einem palästinensischen Schriftsteller, der an Krebs erkrankt ist. Dessen Enkel wiederum ist ein wichtiger Planer von Selbstmordattentaten. Indem er über Daphna dafür sorgt, dass der alte Mann eine vernünftige Behandlung in einem israelischen Krankenhaus bekommen kann, erhofft er sich, an den Sohn zu kommen – und ihn auszuschalten. Oder besser gesagt: zu erschießen.

Der Mann vom Schabak verliebt sich in Daphna. Sie erwidert die Gefühle. Der Dichter ist ein feiner Mann, der keinem Feindbild entspricht. Und so kommen die Grenzen zwischen Gut und Böse ins Rutschen. Gewissheiten lösen sich auf. Selbstverständlichkeiten werden zu Fragen über Leben und Tod.

Yishai Sarid schildert dies alles ohne große Aufregung. Die Ungeheuerlichkeit der plausiblen Geschichte sorgt für die Spannung. Der Stress des Ich-Erzählers bestimmt die Atmung des Lesers. Die Ratlosigkeit angesichts des Konflikts bleibt natürlich. Aber ein ganz kleines bischen besser kann man ihn nun verstehen.

Yishai Sarid: Limassol. Kein & Aber: 16,90 Euro

MOZ-Rezension…

Sicherheit und Freiheit im Netz

Cyberwar ist keine Sciene Fiction. Staaten müssen sich dieser Herausforderung stellen und für Sicherheit sorgen. In Zeiten des Internets bedeutet dies, Netze und Rechner vor Attacken zu sichern. Was sich die Nato kürzlich vorgenommen hat, will die Bundesregierung nun mit einem eigenen Zentrum gegen Cyberattacken national umsetzen. Das bekannteste Beispiel für den realen Cyberwar ist die Attacke mit dem Wurm StuxNet auf die iranischen Atomanlagen. Dabei gelang es den Absendern der schadhaften Software offensichtlich, die Urananreicherung nachhaltig zu verzögern.

Was angesichts der Bedrohung durch das iranische Atomprogramm sympathisch ist, hat eine Kehrseite: Auch wir in Deutschland werden verstärkt durch Attacken im Internet bedroht. Das betrifft das Ausspionieren von Behörden wie die Wirtschaftsspionage. Es ist also richtig, sich dagegen zu wehren. Aber dabei darf es keine unbeschränkte staatliche Datensammelwut geben. Ansonsten wäre der Vertrauensverlust von Nutzern und Firmen größer als der Gewinn an Sicherheit.

MOZ-Kommentar…

Magere Ergebnisse

Als großen Erfolg feiern die Regierungen der Welt den Klimagipfel von Cancún. Aber was wurde da beschlossen? Auf jeden Fall nichts, was das Klima tatsächlich rettet. Die Regierungen sind sich jetzt nur darin einig, dass die seit gut einem Jahrzehnt gesicherten Erkenntnisse der Klimawissenschaftler auch für sie gelten.

Wäre in Cancún kein Klima-, sondern ein Bankengipfel gewesen, dann hätten sich die Minister nicht mit der Bekämpfung der Bankenkrise beschäftigt. Sondern nur darum gerungen, ob es sie überhaupt gibt. Bei Banken beschäftigen sich Regierungen sofort mit Krisenbekämpfung. Sie zahlen unvorstellbare Summen für die Rettung. Beim Klima aber wird nur geredet.

Angesichts der messbaren Auswirkungen der Klimaerwärmung ist das fast schon kriminell. Immerhin geht es um Leib und Leben von hunderten Millionen Menschen. Oder ist diese Dimension zu groß, als dass sie begreifbar wäre? Für uns alle nicht, nur für die Regierungen? Sonst hätten wir doch alle schon Ökostrom und würden auch sonst klimafreundlich leben.

MOZ-Kommentar…

Eine Frage des Vertrauens

Die Europäische Union ermittelt gegen Google. Das ist eine gute Nachricht, weil die Internetfirma tatsächlich marktbeherrschend ist. Ob sie diese Dominanz auch wirklich missbraucht, ist allemal eine Untersuchung wert. Schon in der der Vergangenheit hat sich die EU-Kommission erfolgreich mit dem Softwaregiganten Microsoft und dem Chiphersteller Intel angelegt. Dabei wurde sogar eine Strafe von über eine Milliarde Euro verhängt.

Google sieht sich immer stärkerem Gegenwind ausgesetzt. Das Motto „Don’t be evil“, mit dem die Firma lange für die positiven Effekte des Internets stand, schwindet. Die Datensammelwut mit „Streetview“, die Verknüpfung von Email, Chat und sozialen Netzwerken in „Wave“ ist besorgniserregend. Da Google das alles macht, um solche Daten Werbetreibenden zur Verfügung zu stellen, ist Google zu Recht angreifbar.

Im konkreten Fall hat Google sogar mit der Glaubwürdigkeit der Suchergebnisse gespielt. Wenn das stimmen sollte, bekommt das Image nicht nur einen zusätzlichen Knacks. Dann verliert Google sein wichtigstes Kapital: das Vertrauen.

Rita Falk kocht einen Krimi mit Winterkarftoffelknödeln

Jede Provinz hat inzwischen mindestens einen Kommissar, der in ihr ermittelt. Dtv schickt jetzt einen weiteren durch Niederbayern. Aber dieser Franz Eberhofer ist besser als die meisten Provinzler. Er ist wunderbar direkt und unkompliziert. Und seine Heimat ist von Rita Falk grandios geschildert. Damit hat Franz Eberhofer die Chance, zumindest als Krimikommissar über seinen engeren provinziellen Wirkungskreis hinaus bekannt zu werden. Sein erstes Auftreten in „Winterkartoffelknödel“ spielt mit all den Klischees, denen sich Bayern ausgesetzt sehen – und mit denen, die sie selbst bis zum Exzess zelebrieren.

Eberhofer führt ein ruhiges Dorfpolizistenleben, nachdem seine Vorgesetzten der Meinung waren, dass er in München nicht mehr tragbar war. Auf seinen ausgedehnten Spaziergängen mit dem Hund entdeckt er eine Leiche. Bei dieser einen beliebt es im Laufe des Buches nicht. Die Familie Neuhofer stirbt einer nach dem anderen. Und eigentlich sieht es immer so aus, als wäre alles natürlich. Doch Ebernshofers Instinkt trügt ihn nicht. Wie auch, denn in der Dorfwirtschaft und im Sportverein schnappt er Dinge auf, die ihn hellhörig machen.

Da dies seinen Vorgesetzten gar nicht passt, sind die klassischen Konfliktlinien von Provinzkrimis gezeichnet. Rita Falk spielt mit diesen, verwirrt den Leser, indem sie ihn auf falsche Fährten lotst und erheitert ihn. Denn diese Provinz ist so lebenswert und doch so eng, dass nicht nur dem Eberhofer oft nichts anderes bleibt, als zu lachen.

Rita Falk schreibt im bayerischen Tonfall. Das mag für ungeübte Leser erstmal schwer sein. Doch wer sich auf diese Grammatik, diese Wortwahl und damit auf diese Lebenshaltung einlässt, der wird mit einem außergewöhnlich großen Lesespaß belohnt.

MOZ-Rezension…

Internet contra 
Schutz 
des Privaten

Google steht wie keine andere Firma für den Nutzen des Internets. „Googeln“ ist in unseren Wortschatz eingegangen. Das Wort ist kürzer und knackiger als „im Internet suchen“. Google als Firma steht aber auch wie kein anderes Internet-Unternehmen für die Sammel- und Speicherwut von Daten. Deshalb wird der Konzern auch „Datenkrake“ genannt. Streetview heißt das neue Produkt, das wegen seiner Anschaulichkeit fasziniert. Jetzt ist es möglich, durch 20 Städte Deutschlands virtuell zu wandern. Häuser, Denkmäler, Ampeln oder Gartentore können von zu Hause aus betrachtet werden. So kann sich jeder mit Googles Bildern sein Bild von Orten machen, die er nie besuchte.

Das ist wieder einmal sehr praktisch. Und dennoch ist das Projekt wie kein anderes bisher umstritten. Hunderttausende haben das Haus, in dem sie leben, ver-pixeln lassen. Sie wollen nicht, dass sich die Daten aus 
Google-Streetview mit den Daten einer Kreditauskunftei kombinieren lassen. Oder sie wollen vermeiden, dass sie beim nächsten Vorstellungsgespräch auf die Graffiti neben der Eingangstür angesprochen werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass Streetview nur einen Augenblick dokumentiert. Da es nicht möglich ist, ständig neue Bilder von allen Straßen Deutschlands zu machen, ist der zufällige Zustand des Aufnahmetages wirkungsmächtiger als die Realität.

Solche Beispiele ließen sich etliche weitere anführen. In der Kombination unterschiedlichster Daten liegt eine ernstzunehmende Gefahr. Denn dadurch kann ein sehr aussagefähiges Profil über einzelne Menschen entstehen. Der nützlichen Transparenz steht der Schutz der Privatsphäre gegenüber.

Für Google ist Streetview ein Produkt, mit dem der Konzern Geld verdienen will. In der Vergangenheit hat die Firma immer wieder gezeigt, dass ihr Datenschutz kein Anliegen ist. Erst als Verbraucherschützer, Politik und Netz-Community die Sammelwut begrenzten, wurde Google einsichtig. Obwohl das auch bei Streetview so war, hat die Firma schon wieder geschlampt. Auch das ist ein Grund, sein Haus lieber ver-pixeln zu lassen.

MOZ-Kommentar…

Element of Crime am Lagerfeuer

Element of Crime
Element of Crime

Märkische Oderzeitung: Herr Regener, die CD klingt ein bisschen, als würden sich alte Herren zum Lagerfeuer treffen.

Sven Regener: Wir haben nie Teenie-Pop gemacht. Eine Band mit einem sehr eigenen Stil spielt auch fremde Songs in diesem Stil.

Begibt sich Element of Crime auf Traditionssuche?

In der Summe klingt das vielleicht so. Aber jedes Lied ist unter ganz anderen Umständen aufgenommen worden. 1996/97 etwa hat Polydor den Tribute-Sampler „We love The Bee Gees“ herausgebracht. Wir haben mitgemacht, weil es reizvoll war.

Der Einstieg in die CD mit Freddie Quinns „Heimweh“ wirkt amüsant.

Das passiert mit solchen Songs, wenn sie den Element of Crime-Sound bekommen.

„My Bonnie is over the Ocean“ klingt auch nach Lagerfeuer.

Das Lied ist für Leander Haußmanns Film „NVA“ entstanden. In dem Film ist das eine ganz wichtige Szene. In der Stube singen ihn die Soldaten, bevor der eine von ihnen in die Strafzelle muss.

Würden Sie gern wieder mit großem Orchester spielen?

Das haben wir bei „Fallende Blätter“ auf der CD „Romantik“ gemacht. Aber das ist nicht so interessant. Das ist nur sinnvoll, wenn es wirklich gut zum Song passt – und wenn man es sich vom Budget her leisten kann.

Und was halten Sie von Balkanelementen?

Bläser sind ja nicht unüblich bei uns. Das kann dann schon mal so einen Balkaneinschlag bekommen. Aber das ist nicht immer so beabsichtigt. Das Entscheidende ist auch nicht, dass man immer neue musikalische Möglichkeiten angräbt, sondern dass man neue Songs hat. Ein Lied ist stärker als alles andere. Wenn es gelingt, ein Lied von Freddy Quinn so zu spielen, dass es ein Song von Element of Crime wird, dann ist das interessant.

Der Autorensong macht Element of Crime aber aus.

Ja. Deshalb haben wir diese Coversongs ja nicht auf den regulären Alben veröffentlicht. Wir hatten nur vier Cover-Versionen auf zwölf Alben. Ich würde auch keine Tournee damit machen.

Arbeiten Sie an neuen Texten, Projekten, Büchern?

Wir haben ab Februar eine Tournee, dann noch Festivals. Neue Sachen fangen wir immer erst danach an.

Das ist eine komfortable Situation.

Wenn man anfängt, dem Druck nachzugeben ständig etwas Neues abliefern zu müssen, dann ist das immer schlecht, auch für junge Künstler.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie Ihren Stil entwickelt hatten?

Das erste halbe Jahr. Schon auf der ersten Platte ist alles da, was uns ausmacht. Natürlich haben wir danach neue Türen aufgemacht, weitere Möglichkeiten gefunden. Aber immer im Rahmen dieses stilistischen Gerüsts.

MOZ-Interview…