Hayat kickt und liebt in einer anderen Liga

Eine andere Liga
Eine andere Liga

Brustkrebs bei einer jungen Frau. Das ist ein Stoff, den man eigentlich nicht abends auf DVD sehen will. Aber wenn er so humorvoll, so intensiv umgesetzt wird, wie in „Eine andere Liga“, dann lohnt sich das Anschauen nicht nur, es ist ein richtiges Erlebnis.

Hayat ist 20 Jahre alt. Sie liebt Fußball, ist in ihrer Mannschaft eine wichtige Stütze. Doch dann kommt die alles zerstörende Diagnose: Brustkrebs. Karoline Herfurth spielt Hayat. Der Film beginnt damit, wie sie nach ihrer Brustamputation wieder beim Training erscheint. Doch da ist sie nicht mehr willkommen. Ihr Platz ist besetzt und Angst haben die anderen Fußballerinnen auch. Wie sollen sie mit Hayat umgehen?

Die lernt zufällig den Trainer des FC Schanze kennen. Benannt nach dem Multikultiviertel Hamburgs kicken vor allem Mädchen verschiedenster Herkunft in der Mannschaft. Richtig ernst nehmen sie den Sport aber nicht. Erst als sie merken, wie wichtig Hayat der Sport ist, legen sie sich auch ins Zeug. Der Trainer (Ken Duken) und die kranke Spielerin verlieben sich natürlich ineinander.

Wie Karoline Herfurth die Angst vor dieser Liebe spielt, ist großartig. Und wie Ken Duken sich ihr annähert und die Zurückweisungen aus Angst versteht, ist wunderbar. Regisseur Buket Alakus gelingt es, in 99 Minuten die drei Geschichten von Hayats Krankheit, Fußball-Leidenschaft und Liebe zu einem sehenswerten Film zu bündeln. Ein ernster Film, voll heiterer Bilder.

Eine andere Liga ist bei Neue Visionen erschienen. Die DVD kostet ab 19,90 Euro und ist im Handel erhältlich.

Fritz Eckenga geht Einkaufen statt zu jubeln

Fritz Eckenga: DU BIST DEUTSCHLAND? ICH BIN EINKAUFEN
Fritz Eckenga: DU BIST DEUTSCHLAND? ICH BIN EINKAUFEN

Irgendwann hat man ihn kennengelernt, den Fritz Eckenga. Und dann hat er ständig was zu erzählen gehabt. Mal als Gedicht, dann als Kolumne zum deutschen Alltag und ganz besonders zum Fußball. Er hat diesen Ton des Ruhrgebiets, der rauh und dennoch zutiefst menschenfreundlich ist. Auch wenn man das erst einmal begreifen muss.

Zum Glück hat der Fritz jetzt auch wieder mal seine Texte gesammelt. „Du bist Deutschland? Ich bin  einkaufen“ sind die Gedichte und Geschichten betitelt. Und wie er da wieder schwadroniert und das Hohe mit dem Banalen kombiniert, ist er wohl in Bestform, der Fritz Eckenga. Nur wer offensiv lacht, sollte das Buch in der Öffentlichkeit lesen!

Fritz Eckenga: DU BIST DEUTSCHLAND? ICH BIN EINKAUFEN. TIAMAT. 14 EURO

 

Der Schalk Robert Gernhardt geht lächelnd von Bord

Robert Gernhardt (1937 - 2006)
Robert Gernhardt (1937 – 2006)

Robert Gernhardt hat für den Witz gelebt. Für den geistreichen, für den gereimten, für den gezeichneten, aber auch für den deftigen und derben. Er schrieb an den Drehbüchern der Otto-Filme mit. Er war der wichtigste deutsche Lyriker der Gegenwart, und er war ein geistreicher Mensch, der auf sein Gegenüber ohne Dünkel zuging. Am Freitag ist Robert Gernhardt mit 68 Jahren gestorben.

Wollte immer schnell
abtreten.
Bin wohl bestimmt zum
Weilen.
Wie soll denn den,
der so langsam
vergeht,
jemals das Ende
ereilen?

„Lagebeurteilung“ nannte Gernhardt dieses Gedicht 1996. Da musste er am Herzen operiert
werden. Nach überstandenen Herzinfarkt und Bypass-OP war er zu Recht sehr  optimistisch. Wie er die Krankheit als Chance begriff und in Herz in Not in witzige und
nachdenkliche Gedichte packte, war meisterhaft. Seine letzte Krankheit überlebte er leider nicht mehr.

1937 wurde Gernhardt im damals noch multikulturellen Reval, der Hauptstadt Estlands geboren. Nach dem Krieg kam er nach Frankfurt und begann schon bald das Reimen. Gemeinsam mit Bernd Eilert, F.K. Waechter, Eckhard Henscheid, F.W. Bernstein und anderen begründete er die Neue Frankfurter Schule in Anspielung an die philosophische Frankfurter Schule um Adorno, Marcuse und Habermas, die als Vordenker der 68er-Bewegung galten.

Doch Gernhardt und Co. hatten die Philosophie zwar begriffen, doch das Lachen darüber lag ihnen mehr. Sie gründeten die Satire-Zeitschrift Pardon und in den 70er-Jahren dann Titanic. Aus diesen Zeiten ist der Klassiker:

Die größten Kritiker der Elche
waren früher selber welche.

Bis die Kritik Gernhardt und Co.Ernst nahm, hat es lange gedauert. Die Leichtigkeit der Reime war ihnen nicht geheuer. Und die Stoffe, über die Gernhardt lachen konnte und wollte: nämlich alles. Ob Religion oder George W. Bush, ob Mülltrennung oder Krankheit.
Und das in formal vollendeten Sonetten oder in lockeren Versfolgen. Gernhardt ging das scheinbar leicht von der Hand.

In einem Essay über Literatur schrieb er: Keine Sau will mehr rühmen, jedes noch so dumme Schwein möchte berühmt werden. Das war schon in den 80er-Jahren. Also lange vor Big Brother und anderer voyeuristischer TV-Obszönitäten. Um ihm gerecht zu werden,
bleiben uns Lesern nur zwei Dinge: Weiter Robert Gernhardt lesen und weder Sau noch dummes Schwein zu sein, um ihn zu rühmen!

Matthias Matusseks abstruses Traktat „Wir Deutschen“

Matthias Matusseck: Wir Deutsche
Matthias Matusseck: Wir Deutsche

15 Jahre war Matthias Matussek als Spiegel-Korrespondent im Ausland. Dann kehrte er zurück und hat „Wir Deutschen“ geschrieben. Ach wäre er doch nur weggeblieben, dann gäbe es dieses abstruse Traktat nicht.

Inzwischen ist Matussek Kulturchef beim Spiegel. Er hat eine lupenreine Karriere als  Konvertit hinter sich. In den 70er Jahren war er Mitglied abstruser K-Gruppen (also westdeutscher kommunistischer Sektierer). Und jetzt ist er glühender Nationalist.
Matussek feiert Selbstverständlichkeiten als Argument für einen neuen deutschen
Nationalismus. Er freut, sich, dass die Landschaft so schön ist, dass das Brot gut
schmeckt, die Infrastruktur gut ist und das Land sicher ist. Und Rockmusik mit intelligenten deutschen Texten hat er auch gehört. Das ist doch allerhand.

Man muss schon sein gesamtes bisheriges Leben blind durch Deutschland gegangen
sein, um all diese Schönheiten erstaunlich zu finden. Wer daraus einen neuen deutschen Nationalismus ableitet, der sollte dringend mal kalt duschen. Denn die Infrastruktur ist auch ohne Nationalismus so fein aufgebaut worden.  Matusseks Buch ist besonders  ärgerlich, weil es so viel Unsinn so verdammt gut erzählt. Denn der Kerl kann schreiben. Ob das all die Nationalisten zu würdigen wissen, denen Matussek mit seinem Text dient, ist aber fraglich.

Matthias Matussek : Wir Deutschen. S. Fischer; Gebunden. 352 Seiten.18,90 Euro. 

Es wird eng

Der Fall El Masri wird immer obskurer. Die Aussage des Telekom-Mitarbeiters aus Skopje hat es in sich. Wenn ihm die deutsche Botschaft tatsächlich sagte, dass der Fall bekannt sei, dann wird es eng für Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Der war als Kanzleramtsminister von Gerhard Schröder für die, Geheimdienste verantwortlich. Wenn die Botschaft von El Masris Entführung durch die CIA wusste, dann muss es auch Steinmeier bekannt gewesen sein. Und wenn nicht, dann hatte er einen der sensibelsten Sicherheitsapparate der Republik nicht im Griff. Und das in der Hochphase
des Kampfes gegen den Terror.

Aber vielleicht war es eher so, dass den Amerikanern niemand reinreden wollte – auch wenn die Menschenrechte deutscher Staatsbürger mit den Füßen getreten wurden. Wer sich so verhält, wäre als Minister untragbar. Die Unschuldsvermutung gilt wahrscheinlich  nicht mehr lange.

Großes Ärgernis

Die große Koalition war der Traum vieler Deutscher vor der Wahl im verganganen September. Zwei große Parteien könnten alle großen Probleme lösen, ohne sich ständig zu blockieren. Und jetzt das: Die große Koalition legt einen Haushalt vor, der nur im Schuldenmachen und Steuern-Erhöhen groß ist.

Ansonsten ist er ein gewaltiges Ärgernis kleingeistiger Politik. Wer völlig zurecht seine Schulden reduzieren will, der muss die Ausgaben senken. Doch genau das geschieht nicht. Beim Subventionsabbau sind SPD und CDU weit hinter den Vorschlägen der damaligen Ministerpräsidenten Steinbrück (SPD) und Koch (CDU) vor drei Jahren zurückgeblieben. Ja sie satteln sogar noch drauf. Etwa bei der extra Kinderwurf-Prämie namens Elterngeld.

Diese Koalition ist zurzeit nur im Verschenken von Steuerzahlers Geld groß. Und im Produzieren von Verdruss.

Hans Korte liest Bernhard Schlinks Heimkehr

Bernhard Schlink: Die Heimkehr
Bernhard Schlink: Die Heimkehr

Peter Debauer ist ohne Vater aufgewachsen. Obwohl der Schweizer war, ist er am Ende des Zweiten Weltkriegs in Schlesien verschollen. Debauer begibt sich auf die Suche nach dem Mann, den er nie kennen lernen konnte. Ausgelöst wird sie durch einen Heftchenroman, in dem ganz reale Dinge mit der Odysee verknüpft werden. Berhard Schlink (62) hat wieder einen großen Roman über das Nachwirken von Geschichte geschrieben. Hans Korte (77) liest ihn komplett auf acht CDs. Seine ruhige Stimme, der das Alter anzumerken ist, gibt Schlinks Text eine besondere Glaubwürdigkeit. Sie zieht den Hörer bei den Fragen um Moral, Verantwortung und Liebe so in den Bann, dass das Wechseln der CDs zur Qual wird.

Bernhard Schlink: Die Heimkehr, gelesen von Hans Korte. Diogenes, 8 CDs, 34,90 Euro.

Vollborn und Georgescu warnen Eltern vor Marken

Mirita Vollborn und Vlad Georgescu: Konsumkids
Mirita Vollborn und Vlad Georgescu: Konsumkids

Über 1611 Euro verfügen deutsche Kinder zwischen acht und 14 Jahren jährlich. Und an dieses Geld will natürlich die industrie. Marita Vollorn und Vlad Georgescu haben eine Streítschrift gegen die Kommerzialisierung der Kindheit geschrieben. Konsumkids untersucht die Strategien der Marketingspezialisten, mit denen sie schon im Kindergartenalter beginnen, Marken in die Köpfe der Kinder zu brennen. Das beginnt mit dem Fernsehprogramm für die Kleinen und endet mit dem vermeintlichen Zwang zu Markenklamotten in Schule und Freundeskreis. Für Eltern ist dieses Buch lesenswert,
auch wenn es manches zu schwarz malt. Einige Erziehungtipps runden Konsumkids ab.

Marita Vollborn/Vlad Georgescu: Konsumkids – Wie Marken unseren Kindern dne Kopf verdrehen. S. Fischer: 13, 90 Euro

Dava Sobel bringt uns die Planeten nah

Dava Sobel: Die Planeten
Dava Sobel: Die Planeten

Dava Sobel (69) ist eine erstaunliche Autorin. Sie schafft es, aus trockenen, naturwissenschaftlichen Themen im wahrsten Sinne des Wortes allgemein bildende Bücher zu schreiben. Und das in einer Art, die verhindert, dass die Bücher nicht zu Ende gelesen werden. Die Planeten nähert sich den Verwandten der Erde nicht nur auf der Ebene der Beschreibung ihres Zustandes, ihrer Zusammensetzung und anderer chemischer und
physikalischer Befunde. Sobel erzählt auch, was die Planeten für die Menschen in der Vergangenheit bedeuteten, wie sie entdeckt wurden und was das für unser Weltbild bedeutet. Wie schon Längengrad und „Galileos Tochter“ ist das aktuelle Buch „Die Planeten“ einfach jedem zu empfehlen.

Dava Sobel: Die Planeten. Berlin Verlag, 29,96 Euro

Weniger Freiheit

Jörg Schönbohm will das Brandenburgische Polizeigesetz verschärfen. Natürlich würde sein Ministerium nie von Verschärfung sprechen. Bei der CDU ist lediglich von Anpassung an technische Möglichkeiten die Rede.

Doch gerade bei Polizei und Geheimdiensten gilt: Nicht alles, was möglich ist, darf auch angewendet werden. Die Polizei ist vor allem dazu da, die Freiheit der Bürger zu sichern. Nur auf diesem Weg lässt sich Sicherheit organisieren. Der umgekehrte Weg führt zwangsläufig zu weniger Freiheit.

Ohne Anfangsverdacht Handys zu orten, ist ein solcher Verlust an Freiheit. Es geht den Staat nichts an, wo sich seine Bürger aufhalten. Nur weil sie ein Handy besitzen, heißt das noch lange nicht, dass diese Selbstverständlichkeit abgeschafft werden darf. Hoffentlich hat Schöhnbohms Koalitionspartner SPD den Mut, ihn auszubremsen.