Köpfe vom Kapellenkreuzweg Kloster Altstadt

Das Hammelburger Franziskaner-Kloster Altstadt hat 1733 den Kapellenkreuzweg mit seinen 14 Stationen errichten lassen. Der Hammelburger Bildhauer Johann Jakob Faulstieg (1697–1768) entwarf die Kapellen und war mit seinem Helfer, dem Franziskanerbruder Wenzeslaus Marx (1708–1773) aus Leitmeritz, auch für die Gestaltung verantwortlich (mehr dazu im ausführlichen Wikipedia-Text…).

Wer den schönen Weg vom Kloster zum Schloss Saaleck hinaufgeht, schaut sich meist nicht die Details der Stationen an. Aber es lohnt sich. Allein die vielen unterschiedlichen Gesichter sind schon sehenswert – und sie zeigen, dass Johann Jakob Faulstieg mit dem Meißel umzugehen wusste. Viele der dargestellten Gesichter haben satirische Züge – das wird vor allem im Kontrast zu Jesus und Maria deutlich.

Hammelburg Einst und Jetzt:
(1) – Stadtpfarrkirche
(2) – Rotes Schloss vom Weiher aus
(3) – Am Kellereischloss
(4) – Hüterturm
(5) – Ruine Aura
(6) – Baderturm
(7) – Blick auf Kloster Altstadt und Schloss Saaleck
(8) – Kreuzigungsgruppe des Altstädter Kreuzwegs

Und: Heimat (4): Bilder aus Hammelburg

Heimat (16) – Italienische Klänge

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Es gibt auch eine akustische Heimat. Bei Landschaften, Geschmäckern, Gerüchen ist es mir immer klar gewesen, dass Sinneswahrnehmungen Heimatgefühle auslösen können. Das Ohr aber habe ich bislang vernachlässigt.

Gestern bei einem wunderbaren Konzert von Werner Schmidbauer, Pippo Pollina und Martin Kälberer ist in mir immer wieder eine wohlige Zufriedenheit aufgeschwappt. Das lag natürlich an der Musik, den Liedern, die diese drei begnadet ehrlichen Musiker darboten. Und die Verheißung, in den Süden entführt zu werden, tat bei -9 Grad und permanentem Schneegestöber ein Übriges. Aber da war noch mehr: Ein Konzertsaal in einer ehemaligen Zehntscheuer, wie es ihn in Berlin nicht gibt. Schwere Mauern aus dem Mittelalter, außen mit einem Treppengiebel gekrönt, innen in einen funktionalen, aber dennoch atmosphärisch dichten und Geschichte atmenden Saal verwandelt. Und italienische Musik.

Bayern 3 war wahrscheinlich schon vor über 30 Jahren der einzige Sender in Deutschland, der regelmäßig italienische Pop- und Rockmusik spielte. Vieles davon war grauenhaft, so wie Albano und Romina Power oder Eros Ramazotti, manches war großartig, wie Paolo Conte oder Lucio Dalla, aber unabhängig davon war diese Musik einfach italienisch. Und später anderswo – in Brandenburg, Hessen oder Berlin, war sie nie so zu hören wie damals im heimischen Radio.

Und so hat mich Pippo Polina gestern in eine akustische Heimat versetzt, von der ich bis dahin gar nichts wusste. Werner Schmidbauers oberbayrisch hat das noch verstärkt. Seltsam, diese Heimat. Überraschend und schön – wie der Süden von Schmidbauer, Pollina und Kälberer. Und das, obwohl ich von der italienischen Musik auf Bayer 3 nur sehr selten angetan war.

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“

Neues vom Durchgangsarzt: Es geht noch schlimmer

Das Warte-Desaster beim Durchgangsarzt ist steigerungsfähig! Heute war die Tochter nach der Schule gleich zu Beginn der Sprechstunde da. Es ging nicht anders. Auch wenn wir uns so fest vorgenommen hatten, da nicht mehr hinzugehen. Aber die Nachuntersuchung musste sein. Um 15:00 Uhr war das. Doch das Wartezimmer war noch voll. Und zwar von der Sprechstunde zwischen 8:00 und 11:00 Uhr! Schon zwei Tage vorher hatte sie angerufen, um zu erfahren, wann es günstig wäre.

Günstig war es aber nicht. Im Gegenteil. Während beim letzen Mal nach drei Stunden Abwechslung durch das Röntgen organisiert wurde, blieb es diesmal beim Warten. Wahrscheinlich um zu verhindern, dass zu viel Veränderung den Heilungsprozess stört. Deshalb durfte sie wieder sechs Stunden warten. Bis 21:00 Uhr. Sechs Stunden ohne Informationen, sechs Stunden ohne Ansprache – dafür aber mit Praxis-TV. Doch selbst der durfte Feierabend machen. Um 20:00 uhr wurde er ausgeschaltet. Schade irgendwie, dass das mit den Patienten nicht so einfach geht.

Die – oder begleitende Mütter stellen ja Fragen. Auch nach den Wartezeiten. Was nicht so gut ankommt. Das ist nach so viel Arbeitsstunden der Ärztin irgendwie verständlich, aber besser macht es das auch nicht. Nach der Tochter waren übrigens noch gut zehn Patienten im Wartezimmer. Ob sie auch sechs Stunden gewartet haben? Oder gar sieben? Oder acht? Irgendwann verschwimmt das bestimmt. Vor allem wenn noch etwas Schmerz dazu kommt.

Zumutungen beim Durchgangsarzt in Wildau…

Ludwig Leichhardt ist Australiens Botschafter Peter Tesch ein Herzensanliegen

Ludwig Leichhardt. Foto: National Library of Australia
Ludwig Leichhardt. Foto: National Library of Australia

Er ist einer der großen deutschen Entdecker: Ludwig Leichhardt. Aber der Australien-Forscher ist in seiner Heimat Deutschland und Brandenburg ziemlich in Vergessenheit geraten. Geboren ist Leichhardt 1813 in Trebatsch im heutigen Landkreis Oder-Spree, in Cottbus besuchte er das Gymnasium. Anschließend studierte er in Berlin, Göttingen, Paris und London. 1844 bis 1846 durchquerte er als erster Teile Australiens. Dabei entdeckte er nicht nur Pflanzen, Tiere, Flüsse und Gebirge, Leichhardt fand auch Australiens wichtigstes Kohlevorkommen.

Für Australiens Botschafter Peter Tesch ist es ein Herzensanliegen, Leichhardt in seiner Heimat so bekannt zu machen wie in Australien, wo sogar ein Berg und ein Fluss nach ihm heißen. Für ein Vis-à-vis des Inforadio habe ich mit ihm über die Bedeutung Leichhardts in Vergangenheit und Gegenwart gesprochen.

Hier ist das vollständige Interview zu hören…

Zumutungen beim Durchgangsarzt in Wildau

Okay. Wir hätten auch früher da sein können. Nicht erst um neun Uhr, sondern schon um acht. Aber wahrscheinlich hätte das auch nicht viel gebracht. Tochters Handgelenk tat weh. Da sie auf dem Schulweg gestürzt war, war die freie Arztwahl ausgesetzt. Wir mussten zum Durchgangsarzt. Der in diesem Fall eine Frau in Wildau war.

Die Warteräume sind völlig überfüllt, als wir ankommen. Bei der Anmeldung warten wir in einer kleinen Schlange. Die Arzthelferin sitzt nicht an einem Schreibtisch oder Begrüßungstresen. Die Helferin der Durchgangsärztin sitzt in einem anderen Raum, um mit dem Bittsteller zu kommunizieren, öffnet sie ein kleines Fensterchen, nicht größer als eine Schießscharte. Blickkontakt ist nicht gewünscht,  nur das Profil der Protokollierenden ist zu sehen. So darf der Patient, der beim Durchgangsarzt in der Regel mit einem Bruch, einer Verstauchung oder Prellung – auf jeden Fall aber mit Schmerzen – aufschlägt, sein Behandlungsgesuch aufgeben. Bis ihm gesagt wird, dass er doch erst einmal Platz nehmen soll.

Wir saßen dann da. Nicht eine Stunde, auch nicht zwei, sondern tatsächlich geschlagene drei Stunden, in denen sich niemand um die Patientin kümmerte. Dann erst wurde die Tochter aufgerufen. Aber nicht um behandelt zu werden. Nein. Nur um einen Überweisungszettel zu bekommen. Zum Röntgen. Welch Überraschung! Drei Stunden warten, um zum Röntgen geschickt zu werden. Aber immerhin passierte etwas. Auch wenn diese Überweisung schon bei der Anmeldung hätte erfolgen können.

Nach dem Röntgen wieder warten. Da saßen wir wieder. Und waren uns sicher, dass es jetzt nicht mehr lange dauern kann. Aber was sind schon Sicherheiten bei der Durchgangsärztin in Wildau? Wenn überhaupt etwas sicher ist, dann ist es die Mittagspause. Die hält die Praxis ein. Um 13.00 Uhr kehrt Ruhe ein. Die Wartenden sind ja eh ruhig, haben sich nach so vielen Stunden des Ignoriert-Werdens ihrem Schicksal ergeben. Jetzt wird auch niemand mehr aufgerufen. Jede Hoffnung auf Behandlung entschläft.

Bis es nach einer halben Stunde wieder losgeht mit dem Aufrufen der Patienten. Wir werden kurz vor drei vorgelassen. Um dann erst einmal in einem Behandlungszimmer zu sitzen  – und zu warten. Aber jetzt sind es nur fünfzehn Minuten, in denen grimmig blickendes Personal den Raum passiert, bis sie endlich kommt: die Durchgangärztin! Ein Blick aufs Röntgenbild. Zur Sicherheit auch ein zweiter und ein dritter. Und dann endlich die Diagnose: Die Wachstumsfuge ist noch nicht dicht. Die Tochter wird also noch etwas wachsen. Und sonst? Schwer zu sagen, meint die Durchgangsärztin. Wir könnten es mit Gips oder Verband versuchen. Wie Tochter es will. Und dann sollten wir eine Woche schauen. Und in einer Woche gerne wiederkommen.

Wiederkommen? Und wieder warten? Sechs Stunden rumsitzen? Das geht uns sofort durch den Kopf. Aber wir sind zu ermattet, um Widerstand zu leisten. Das Warten betäubt den Geist. Erst an der frischen Luft belebt er sich langsam wieder. Erst zu Hause, regt sich die Empörung über dieses Praxis-Erlebnis. Und erst dann sind wir uns ganz sicher, dass wir in einer Woche hier nicht mehr warten werden. Hier nicht!

Neues vom Durchgangsarzt…

Walter Mehrings Bibliothek im Wiener Hotel Fürstenhof

Vom Westbahnhof sind es nur einige Meter bis zum Hotel Fürstenhof. Es liegt am Neubaugürtel 4. Als Walter Mehring Im September 1934 aus Paris kommend mit dem Zug in die österreichische Hauptstadt einfuhr, hat er als erste Unterkunft eine naheliegende Adresse gewählt. Aber offenbar hat es ihm in dem von Inhaber Julo Formanek in einem schönen Jugendstilhaus geführtem Hotel so gut gefallen, dass er dort blieb. Und das für immerhin dreieinhalb Jahre.

Vielleicht waren es anfangs auch ganz praktische Überlegungen, die ihn in den Fürstenhof führten. Dank der Nähe zum Bahnhof war der Weg für den Transport seiner Bibliothek nicht weit. Denn nach Wien wurde ihm die Bibliothek seines Vaters, die „Verlorene Bibliothek“, aus Berlin nachgeschickt – „ins Exil gerettet dank der Komplizität der Berliner Tschechoslowakischen Gesandtschaft, dank der Kollegialität ihres Attachés, des Lvrikers Camill Hoffmann (aus der Prager Dichterrunde der Werfel, Mevrink, Kafka, Capek, die alle etwas kabbalistisch angehaucht waren), – ihn aber hat man später in einem Brandofen vernichtet.“ (Walter Mehring: Die verlorene Bibliothek, Düsseldorf: Claassen Verlag, S. 17)

Und hier steht der ganze Text….

Süßes Wien

Apfelstrudel, Palatschinke, Torte, Kuchen, Konfekt – überall. In Wien kann man den Leckereien der Bäckereien, Konditoreien und Cafés nicht entgehen. Es sei denn, man weiß nicht zu genießen. In Schaufenstern, Spezialläden und den allgegenwärtigen Caféhäusern drängt sich all das, was sich mit Zucker Feines anstellen lässt, ins Auge. Und dann natürlich in den Mund, wo sich die Aromen dank des süßen Geschmackträgers herrlich verteilen, wo sich die Cremes und Strudel, die Kuchen und Torten zart auf der Zunge auflösen und gegen den Gaumen gedrückt Momente des Wohlgefühls auslösen. So ist das in Wien. Süß. Und gut. Und immer wieder beglückend.

Von der Würde des Arbeitens in der Wiener Hofburg

Staatsempfang04

Da geht man ganz unbedarft in die Wiener Hofburg, um Altes zu besichtigen, und dann ist man unversehens Zaungast eines Staatsempfangs. Keine bunten k. u. k. Uniformen marschieren in Reih und Glied durch die Hofburg. Schnödes Feldgrau versucht den gleichen Pomp, den gleichen Ernst, die gleiche Würde auszustrahlen, wie es das alte Zeremoniell erfordert. Denn das ist so alt wie Teile der Mauern, in denen der slowenischen Präsident Borut Pahor heute begrüßt wird.

Staatsempfang des slowenischen Präsidenten in Wien am 6. Februar 2013
Staatsempfang des slowenischen Präsidenten in Wien am 6. Februar 2013

In anderen Hauptstädten gehört das Aufmarschieren von Ehrenkompanien zum folkloristischen Tourismusspektakel. Vor allem Monarchien spielen gern mit bunten Soldaten, die auf- und abmarschieren. Und das vor großer, alter Kulisse. Die österreichische Ehrenkompanie hat noch einige Insignien, die an die große Zeit erinnern, zum Beispiel Offiziere, die blanke Säbel ziehen und präsentieren. Beim Publikum, fast ausschließlich Touristen, kommt gut an. So ein Säbel ist ja auch viel würdevoller, als leere Hände beim Grüßen am Stahlhelm.

Staatsempfang03

Überhaupt ist es die Würde, die hier zelebriert wird. Auch wenn sie immer wieder schön gebrochen wird. Etwa wenn sich Österreichs Präsident Heinz Fischer und seine Frau Margit auf den Weg zur Begrüßung des Gastes machen. Sie beide strahlen so viel herzliche Bürgerlichkeit aus, dass das Feldgrau doch wieder den richtigen Hintergrund abgibt. Als Sloweniens Staatspräsident Borut Pahor dann kommt, als die Hymne gespielt wird, als nach dem Herzen und Drücken die Ehrenkompanie abgeschritten wird, ist das alles dann doch noch ein würdevolles Spektakel.

Staatsempfang02

Wenn da diese Frau nicht wäre. Mit ihrem Wägelchen, das sie ungerührt von Bläsern, Blech und Bundespräsidenten, über die Pflastersteine rattert, macht sie einen geradezu ungehörigen Krach. Weder die absperrenden Polizisten noch die neugierigen Touristen können sich das Grinsen verkneifen. So wird sie eingerissen, die würdevolle Fassade in der Ehrfurcht erheischenden Wiener Hofburg. Von einer Frau, die arbeitet – und keine Zeit für alte, höfische, Zeremonien hat.

Herrn Kukas Empfehlungen für gute Tage in Wien

Radek Knapp: Herrn Kukas Empfehlungen
Radek Knapp: Herrn Kukas Empfehlungen

Waldemar. Der Pole heißt Waldemar und kommt aus Warschau, um nach Wien aufzubrechen. Ganz schön viele Ws wollen da auf wunderbarliche Weise Witz und Wahrhaftigkeit weismachen. „Herrn Kukas Empfehlungen“ von Radek Knapp trägt manchmal schon ein weinig dick auf. Dann drückt der Roman auf das Gemüt wie ein Kaiserschmarrn, der in zu viel Butterschmalz zu lange ausgebacken wurde, auf den Magen.

Und dennoch ist die Geschichte von Waldemars ersten vier Wochen in Wien ein amüsantes Buch. Denn Radek Knapp, der vor fast 30 Jahren selbst aus der Hauptstadt Polens in die Österreichs aufbrach, spielt wunderbar mit den Klischees die Polen vom Westen, Österreicher und Deutsche von Polen und alle zusammen von sich selbst haben. Nur manchmal trägt er zu dick auf. Aber das ist dann zwei Seiten später schon wieder vergessen, weil dann ein schöner neuer Einfall ein Schmunzeln erzeugt.

Waldemar steht in der Tradition vieler Schelmen, die ganz naiv in die Welt stolpern und den Lesern so zu amüsanter Erkenntnis verhelfen. Nach 250 Seiten ist er erwachsen geworden – mit allem was dazu gehört: der erste Sex, die erste Liebe, der erste Job – und das alles fern der Heimat. Dass der Roman schon 1999 erschienen ist, stört nicht. Die Geschichte ist heute genauso wahrscheinlich wie damals – mit samt dem Inventar Wiens. Kein Wunder, dass das Buch vor fünf Jahren auch verfilmt wurde. Wer Polen, Wien, Österreich und oder Schelmenromane mag, der wird seinen Spaß mit Radek Knapps „Herrn Kukas Empfehlungen“ haben.

Radek Knapp: Herrn Kukas Empfehlungen; Piper