Stuart Evers macht aus der Coolness des Rauchens wärmende Nostalgie

Stuart Evers: Zehn Geschichten übers Rauchen
Stuart Evers: Zehn Geschichten übers Rauchen

Es ist schon spannend, dass ein Buch mit diesem Titel inzwischen wie eine Provokation wirkt: „Zehn Geschichten übers Rauchen“. Noch vor einigen Jahren, als das Rauchen in Kneipen noch selbstverständlich war, wäre dieses Buch kaum aufgefallen. Doch jetzt hat es schon etwas Verruchtes, dass da Erzählungen erscheinen, in denen die Zigarette der stille, verklimmende Held ist.

Stuart Evers, ein Literaturkritiker und Lektor aus London, hat für sein Debüt zehn Kurzgeschichten geschrieben, die von Freundschaft, Liebe und Leid handeln. Sie sind jede für sich ein Kleinod. Und jede dieser Geschichten hat die Zigarette nicht unbedingt zum Helden. Da ist die Frau, die ihre erste große Liebe nach vielen Jahren der Trennung in ein Hotel bestellt. Früher da lebten sie nur für sich. Alles war Liebe. Und wie es damals so üblich war eine Liebe im Rauch. Das Date im Hotel wird nicht so wie erwartet. Denn der Mann riecht anders als damals. Sie, die nur überprüfen will, ob es richtig ist mit Mitte 40 einen anderen zu heiraten, vermisst genau diesen Geruch. Die Zigarette ist hier nur noch eine Erinnerung des Geruchssinns. Aber eine so prägende, dass sie etwas nostalgisches hat.

Stuart Evers Provokation entpuppt sich deshalb weniger als Coolness. Vielmehr ist sein gutes Stück Nostalgie. In den meisten Texten ist mit der Zigarette etwas Vergangenes verbunden. Und so macht er die Coolness zu etwas Rückwärtsgewandtem, zu einem Gefühl aus der Vergangenheit. Wie Evers aus der Erwartungshaltung des Lesers dieses Gefühl erzeugt, ist meisterhaft. Ganz nebenbei machen die Texte auch alle ganz einfach Spaß beim Lesen!

Nino Haratischwilis „Mein sanfter Zwilling“ zeigt die Abgründe der Liebe

Nino Haratischwili: Mein sanfter Zwilling
Nino Haratischwili: Mein sanfter Zwilling

Dieser Roman verstört, weil er das Zerstörungspotenzial der Liebe beschreibt. Dieses Buch fesselt, weil es die Suche nach Freiheit zum Thema hat. „Mein sanfter Zwilling“ verwirrt, weil er den Irrsinn einer Familie, einer Liebe und eines Krieges analysiert.

Nino Haratischwili ist erst 28 Jahre alt. Sie ist in Tiflis (Georgien) geboren und in Deutschland aufgewachsen. Sie hat bereits 13 Theaterstücke geschrieben, wurde dafür schon mehrfach ausgezeichnet und legt mit „Mein sanfter Zwilling“ ihren zweiten Roman vor. Für sie ist das Schreiben offenbar eine Sucht, zumindest aber eine Verpflichtung. Bei all den Stoffen, die sie bereits bearbeitet hat, ist klar, dass sie sich nicht mit der Aufarbeitung der eigenen Biografie beschäftigt. Sie sucht die großen Konflikt, die schweren Themen. Und kann sie fesselnd auf einem außerordentlichen sprachlichen und literarischen Niveau bearbeiten.

Im aktuellen Roman geht es um Ivo und Stella, die als (Stief)-Geschwister aufwachsen. Seit sie sich kennen, lieben sie sich. Allerdings ist das keine einfache, sanfte Liebe. Denn etwas steht zwischen ihnen. Deshalb ist ihre Beziehung von Trennungen und Gewalt, von Selbstzerstörung und unglaublichen Glücksmomenten geprägt. Sobald sie sich nahe kommen, können sie kein normales Leben mehr führen, dann müssen sie das Leben in Extase mit Sex und Drogen spüren, dann verschwindet das, was man gemeinhin für Glück hält. Denn in der körperlichen Pein, in der seelischen Qual, aber auch in der unglaublichen Zweisamkeit erleben sie eine ganz andere Dimension des Zusammenseins.

Die Anlage dieses Stoffes wäre den meisten Autoren zu einer klebrigen Kolportage verkommen. Nino Haratischwili formt aus der Ich-Erzählung Stellas aber einen Roman, der sämtliche Zwischentöne der Liebe gekonnt ausformuliert. Sobald der Leser weiß, dass die Beziehung von Ivo und Stella schwierig ist, wird er immer weiter in den Sog dieser Liebe gerissen. Gekonnt hält sie die Ursache offen, ohne Langeweile zu produzieren. Am Ende des Buches ergeben Aufbau und die verschiedenen Szenen ein schlüssiges Bild, das den Leser grübelnd zurücklässt. Und das, weil das Buch so klar und ergreifend ist.

Auch die Szenen in Georgien, die sich mit dem Bürgerkrieg 1992 beschäftigen, sind deutlich mehr als Folklore. Sie sind integraler Bestandteil der Geschichte. Und sie bringen die Auflösung des Dramas. Nino Haratischwilis Roman ist ein großer deutscher Gegenwartsroman.

Nino Haratischwili: Mein sanfter Zwilling, Frankfurter Verlagsanstalt, 379 Seiten, 22,90 Euro.

Pamuks stilles Haus bewahrt schreckliche Familiengeheimnisse

Orhan Pamuk: Das stille Haus
Orhan Pamuk: Das stille Haus

Das stille Haus liegt direkt am Marmarameer. Als es gebaut wurde, stand es ganz allein. Doch inzwischen – 1980 – ist der schöne Fleck zu einem Ort mit Touristenrummel gewachsen. Alles verändert sich. Nur die Bewohnerin des Hauses nicht. Fatma ist 90. Aber eigentlich will sie noch immer so verstockt sein, wie als 17-jähriges Mädchen.

„Das stille Haus“ von Orhan Pamuk bündelt das Leben dieser Frau. Und aller Katastrophen, die aus ihrem Handeln gewachsen sind. Denn das Haus ist zwar still, weil es fast das ganze Jahr nur von der Tyrannin Fatma und ihrem Diener Recep bewohnt wird. Aber diese Stille birgt böse Geheimnisse.

Der Leser erfährt von diesen aus der Perspektive Fatmas, die auf ihr Leben zurückblickt. Recep ist der zweite Erzähler des Buches. Auch er blickt auf sein Leben zurück, ist aber viel stärker in der Gegenwart verankert. Denn er beobachtet seine Umgebung ganz genau. Und dazu gehören die drei Enkel Fatmas, die im Sommer 1980, kurz vor dem Militärputsch in der Türkei, wie jedes Jahr das Haus beleben. Metin, ein Student, und Faruk, ein Historiker sind die nächsten Stimmen, die dem Leser das Leben im und um das stille Haus erzählen. Enkelin Nilgün bekommt keine eigene Stimme. Sie wird vor allem als Objekt der Liebe Hasans beschrieben, der als fünfter und letzter Ich-Erzähler zu Wort kommt.

Hasan hat mit den Enkeln früher gespielt, da er der Neffe Receps ist. Und wie sich im Laufe des Romans herauskristallisiert auch mit den Enkeln verwandt ist. Denn Fatmas Mann ist Receps und Hasans Vater. In dem Roman geht es also um die großen Familienthemen Liebe, Hass, Verachtung, Gewalt und Verdrängung durch Suff. Dem verfiel Fatmas Mann, derm verfiel deren beider Sohn und Enkel Faruk ist auch auf dem besten Weg sein leben dem Raki zu weihen.

Orhan Pamuks zweiter Roman knüpft teilweise an seinen Erstling „Cevdet und seine Söhne“ an. Zum einen tauchte Fatma in diesem als Randfigur bereits auf. Zum anderen ist Cevdet auch Gesprächsthema. Dadurch wird Pamuks eigene Familiengeschichte weitergeschrieben. So wie eigentlich in allen seinen Büchern der autobiografische Anteil sehr groß ist. Sein literarischer Kniff, die Geschichte aus der Perspektive von fünf Ich-Erzählern zu beleuchten, erzeugt für eine große Spannung. Die unterschiedlichen Charaktere kommen durch ihre eigenen Worte besonders gut zur Geltung. Und ihr Denken.

Pamuks Familienroman erzeugt ein bedrückendes Bild von der Türkei, die sich dem Westen öffnete und der Tradition doch verhaftet blieb. Für diese Zerrissenheit stehen Fatma und ihr Mann. Zwei Generationen später spielt die Tradition keine Rolle mehr, aber der Faschist Hasan und die Kommunistin Nilgün stehen für eine neue Zerrissenheit, die der Militärputsch dann mit Gewalt zu kitten versuchte. All diese Dinge spielen im Roman nur eine untergeordnete Rolle – der Putsch sogar gar keine, da er erst nach Ende des Buches passiert. Aber das Private ist in diesem Buch eben immer auch gesellschaftlich relevant, ohne dass es gesagt werden muss. Diese Schicht erschließt sich dem Leser erst auf dem zweiten Blick, nachdem er einen packenden Roman gelesen hat, der sich bis zum Totschlag steigert.

Walter Mehrings Rat bei Sinnkrisen

Nach Ende des 2. Weltkriegs hat Walter Mehring seine „Verlorene Bibliothek – Autobiografie einer Kultur“ geschrieben. In ihr findet sich eine schöne Passage zum Sinn des Lebens und der Kunst:

„Wenn überhaupt in unser aller Dasein etwas einen Sinn hat, so ist es der: verliebt zu sein, – und wenn überhaupt noch ein Ziel erlebenswert ist, so das eine: sich in die Schönheit zu verlieben (die jeweilig jedes Liebhabers Geschmackssache bleibt), – und wenn überhaupt ein Liebesgebot allgültig ist, so dieses: Seid fruchtbar, das heißt: schöpferisch, – und mehret Euch, das heißt: Euch selbst; aber nicht die Mehrheit politischer Viehherden oder den Reinertrag industrieller Unternehmen.

Und wenn sich all des Tagewerkes Schweiß und Plackerei noch lohnt, so nur, am Feierabend ins Bett zu gehen – mit der innig Geliebten – oder wenigstens mit dem Traum an sie, um die ungewisse Begierde mit dem genauen Ausdruck zu gatten; um sich zu ergießen und zu genießen; um einander zu berühren und gerührt zu sein; um den Orgasmus, den Moment göttlicher Wonne zu verewigen. Warum eine Klanghochzeit – eine Reimpaarung, eine Farbverbindung – künstlerisch geglückt ist, läßt sich allgemein nicht erklären, weil man seine Liebe echt bloß der einzig Geliebten erklären kann: Liebeserklärungen an Staatsväter, Vaterländer, an die Plebs sind pervers, exhibitionistisch, unzüchtig.

Doch die Schönheit selber – einer Dichtung, wie einer Frau – ist polygam. und das jeweilige Schönheitsideal – als Mode und modus vivendi – antwortet dem Verlangen des einzelnen wie den Ansprüchen der Zeit.“

(Walter Mehring, Die verlorene Bibliothek. Claassen Verlag, Düsseldorf: 1978, S. 119 f.)  

Mehr Zitate von Walter Mehring gibt es auf Twitter oder im Walter Mehring Blog.

Von der wärmenden Kraft des Kitsches

Bahnromatik in Erkner
Bahnromatik in Erkner

Wenn die Sonne rot untergeht, wärmt sie das Herz. Der Kitsch taucht selbst tägliche Pendelstrecken in eine wärmende und versöhnliche Stimmung.

Verkehrsinsel in rotem Licht.
Verkehrsinsel in rotem Licht.

Selbst Werbetafeln, Verlehrsinseln und Telekom-Logos verschwimmen in Gefühlsseligkeit. Erkner wird zu einem Ort der Sehnscht, weil der Sonnenuntergang eine spezielle Schönheit erzeugt.

 Blick auf den Dämmeritzsee
Blick auf den Dämmeritzsee

Blickt das Auge auf Wasser, das die Wohlfühlsonne noch kräftiger spiegelt, macht das Herz einen Sprung. Ein Sich-Entziehen ist nicht mehr möglich. Egal wie der Gefühlshaushalt bestückt ist, der Blick sorgt für eine Besserung zu gut oder gar euphorisch.

Blick in den Oder-Spree-Kanal von der Schleuse Wernsdorf.
Blick in den Oder-Spree-Kanal von der Schleuse Wernsdorf.

Aber warum? Warum kann so ein Blick die Rationalität der Gedanken überlagern? Warum ist es nicht möglich, sich diesem Kitsch zu entziehen? Antworten auf diese Fragen gern als Kommentar auf dieser Seite…

Die Liebe: Trikont bannt die Stimmen Bayerns auf CD

Die Stimmen Bayerns: Die Liebe
Die Stimmen Bayerns: Die Liebe

Schöner lässt sich „Die Liebe“ in Bayern gar nicht illustrieren. Der etwas rundere Wirtshausstuhl links und der etwas größere rechts drücken ein Stück bayerisches Wesen aus. Zusammen sind sie ein Paar, nicht allzu romantisch, aber eindeutig als solches erkennbar.

Diese liebevolle Nüchternheit prägt auch etliche Texte, die vom Münchner Label Trikont auf der CD „Die Liebe“ zusammengestellt wurden. Schon der Einstieg mit Helmut Fischers Lied „Spatzl, schau wie I schau“ als Monaco Franze, seiner TV-Paraderolle, erzeugt ein erstes Erahnen von dieser bayerischen Liebe, die so gar nichts mit Schmalz und Gefühlsdueseligkeit zu tun hat.

Wenn Josef Bierbichler dann Wolf Wondratscheck rezitiert, wenn Martina Gedeck der praktischen Anne Pollinger von Ödon von Horvath ihre Stimme gibt oder wenn Gustl Bayrhammer Ludwig Thoma liest, dann schwingt bei aller Emotion auch immer dieser lakonische Unterton mit, der tatsächlich typisch bayrisch ist. Noch stärker schwingt er bei den Liedern auf dem Liebes-Sampler mit. Egal ob es sich dabei um so unterschiedliche Musik von Georg Ringsgwandl, LaBrassBanda, Willy Michl oder den Isarspatzn aus den 50er-Jahren handelt, bei ihnen allen ist der Grundton leicht melancholisch und sehr realistisch. Und dennoch voller Liebe und tiefem Gefühl.

Göttliche Erkenntnis

Ob es der Punkt zwischen den Fußballen ist oder der in der Falte unterhalb des kleinen Fingers, wenn man eine Faust ballt, weiß ich nicht mehr. Aber ich bin mir sicher, dass einer von beiden „Göttliche Erkenntnis“ heißt. Das zumindest meinte mein Arzt, der vor gut 30 Jahren gegen meinen Heuschnupfen und meine Kniebeschwerden – erfolgreich – mit Akupunkturnadeln vorging.

Beide Punkte sind sehr schmerzempfindlich, wenn eine feine Nadel in die Haut gedreht wird. Seit gestern bin ich mir dennoch sicher, dass es der Punkt am Fuß sein muss. Barfuß habe ich mir in der Küche einen winzigen Glassplitter genau in diese Stelle gerammt. Er war so klein, dass er in der Wunde kaum zu finden war. Dafür war der Schmerz umso größer, genauso wie damals bei der Akupunktur. Erkenntnis konnte ich zwar keine gewinnen. Wahrscheinlich kam der Schmerz dafür zu spontan. Jetzt aber weiß ich, dass er bei jedem Schritt wieder kommt. So wie ich früher beim Nadeln wusste, was mir blüht.

Das Wissen um den bevorstehenden Schmerz aber sorgt tatsächlich für die Bereitschaft, sich Größerem hingeben zu wollen. Und sei es nur den tröstenden Armen wärmender Geborgenheit. So wie früher als Kind, als Gott noch alles beobachtete. Und damit für vertrauensvolle Sicherheit sorgte. Und die Moral von der Geschicht? / Tritt niemals in die Scherbe nicht / nur wenn die Hilfe ist ganz nah / erträgt den Schmerz der Mensch / Ansonsten dreht er durch / denkt nicht mehr klar / wie bei der Liebe Leid / macht sich sonst Verzweiflung breit

Kurban Saids “Ali und Nino” ist zeitlos gut

Essad Bey: Ali und Nino
Essad Bey: Ali und Nino

Dieses Cover ist eigentlich abschreckend. Es sieht aus, wie ein furchtbarer Kitsch-Roman. Und doch ist dieser Roman von Kurban Said alias Essad Bey alias Lew Noussimbaum einer der schönsten und anrührendsten Romane der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und er ist ein wunderbarer Einblick in eine untergegangene Welt, an der Nahtstellen von Orient und Okzident.

Wirklich verblüffend an diesem Buch aus der 30er-Jahren ist aber, dass in ihm alle Konfliktlinien des Kaukasus der Gegenwart zu finden, obwohl er vor und während des 1.Weltkrieges spielt. Kurban Said erzählt von der Liebe eines Orientalen und einer Europäerin in Baku, als die Stadt eine internationale war. Seine Sätze sind klar und präzise und transportieren dennoch eine kaum fassbare Sympathie für das unterschiedliche Heimatgefühl aller Personen. Niemand wird verurteilt. Alle werden einfach als Menschen beschrieben, die Sehnsüchte haben und Liebe suchen.

Bei Ali und Nino ist es eine Liebe, die alle Grenzen und Fesseln sprengen kann – und am Ende doch scheitern muss. Auch wenn sie viele wunderbare Momente erlebt. Kurban Said hat einen Roman geschrieben, der sich ganz auf das Erzählen konzentriert. Obwohl es gerade die gesellschaftlichen Zustände sind, die das Leben und Lieben von Ali und Nino so stark beeinflussen, ideologisiert der Autor nicht. Und dadurch wird das Ungeheure der Geschichte noch viel klarer. Diese Gabe, so erzählen zu können, hatten und haben in Deutschland nicht viele Autoren. Deshalb die Empfehlung: Auch seine anderen Bücher lohnen sich. Demnächst dazu hier mehr. Und das kann das Buch auslösen…

Orhan Pamuks Museum der Unschuld atmet Istanbul

Orhan Pamuk: DAs Museum der Unschuld
Orhan Pamuk: Das Museum der Unschuld

Orhan Pamuk (56) hat seine vielen Preise zurecht. Ob Literaturnobelpreis oder Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, Pamuk hat die Kraft Geschichten zu erzählen. In Das Museum der Unschuld geht es um Kemal, der sich in die blutjunge – noch dazu entfernt verwandte – Füsun verliebt. Aus der Affäre wird für Kemal eine Passion, die
ihn fast seine gesamte Existenz kostet. Während Füsun einen andern Mann heiratet, versucht Kemal alles zu sammeln, was irgendwie mit Füsun zu tun hat. Daraus entsteht sein Museum.

Pamuk beschreibt nicht nur die Istanbuler Gesellschaft wunderbar. Vor allem gelingt es ihm, die Leiden an dieser Liebe auf den Leser zu übertragen – selbst wenn der den Kopf schüttelt wegen allzu viel Liebe. Das ist großartig, aufwühlend, verstörend uns ein Denkmal für die Unbedingtheit der Liebe.

Orhan Pamuk: DAS MUSEUM DER UNSCHULD. HANSER , 19,95 EURO

 

Hayat kickt und liebt in einer anderen Liga

Eine andere Liga
Eine andere Liga

Brustkrebs bei einer jungen Frau. Das ist ein Stoff, den man eigentlich nicht abends auf DVD sehen will. Aber wenn er so humorvoll, so intensiv umgesetzt wird, wie in „Eine andere Liga“, dann lohnt sich das Anschauen nicht nur, es ist ein richtiges Erlebnis.

Hayat ist 20 Jahre alt. Sie liebt Fußball, ist in ihrer Mannschaft eine wichtige Stütze. Doch dann kommt die alles zerstörende Diagnose: Brustkrebs. Karoline Herfurth spielt Hayat. Der Film beginnt damit, wie sie nach ihrer Brustamputation wieder beim Training erscheint. Doch da ist sie nicht mehr willkommen. Ihr Platz ist besetzt und Angst haben die anderen Fußballerinnen auch. Wie sollen sie mit Hayat umgehen?

Die lernt zufällig den Trainer des FC Schanze kennen. Benannt nach dem Multikultiviertel Hamburgs kicken vor allem Mädchen verschiedenster Herkunft in der Mannschaft. Richtig ernst nehmen sie den Sport aber nicht. Erst als sie merken, wie wichtig Hayat der Sport ist, legen sie sich auch ins Zeug. Der Trainer (Ken Duken) und die kranke Spielerin verlieben sich natürlich ineinander.

Wie Karoline Herfurth die Angst vor dieser Liebe spielt, ist großartig. Und wie Ken Duken sich ihr annähert und die Zurückweisungen aus Angst versteht, ist wunderbar. Regisseur Buket Alakus gelingt es, in 99 Minuten die drei Geschichten von Hayats Krankheit, Fußball-Leidenschaft und Liebe zu einem sehenswerten Film zu bündeln. Ein ernster Film, voll heiterer Bilder.

Eine andere Liga ist bei Neue Visionen erschienen. Die DVD kostet ab 19,90 Euro und ist im Handel erhältlich.