Fragen kultureller Divergenz zum Schoppen

Ein herrlicher Sonntag. Die Sonne scheint. Das Freibad ist mittags noch lange nicht überfüllt. Das Bahnenziehen hat gut getan. Die Kühle das Wassers wirkte belebend. Und die Begegnung mit einem alten Freund ist eine Freude. Und zwar eine so große, dass irgendwann die Frage kommt: „Ein Frühschoppen wäre doch jetzt fein?“

Und so gehen wir zum Kiosk im Freibad, freuen uns auf das Bier, auf den Augenblick, in dem der erste Schluck die Kehle prickeld kühlt, auf die gesellige Satt- und Zufriedenheit, die sich einstellen wird. Bis die Frage der kleinen Tochter kommt: „Warum gehen Männer im Freibad eigentlich shoppen?“

Ja warum eigentlich? „Weil das früher üblich war. Vor allem am Sonntag nach der Kirche.“ Das antworte ich planlos vor mich hin – und merke erst dabei, dass das Kind etwas ganz anderes meinte. Shopppen! Einkaufen! Und nicht Schoppen, Frühschoppen. Das in Berlin geborene Kind kennt das gar nicht. Und hier? In Hammelburg wüsste wohl jedes Kind mit dem Wort etwas anzufangen. So sind sie, die kulturellen Unterschiede. Und um diese zu überwinden, lässt sich ein Prost nicht vermeiden. Mit einem frischen, kühlen Hefeweizen.

Heimat (9) – Fränkische Wirtschaft

In der Wirtschaft bei Betzenbach
In der Wirtschaft bei Betzenbach

Eine fränkische Wirtschaft ist etwas besonderes. Zum einen sind die Tische größer als in vielen anderen Regionen Deutschlands. Hier muss man sich zusammensetzen. Und dann gibt es hier Bier wie sonst nirgends in Deutschland. Da gibt es Kellerbiere, Weizenbiere, Helles und manchmal auch ein Rauchbier. Pils gibt es zwar auch, aber dieses bittere Getränk steht nie oben auf der Karte. Hier ist es ein minderrangiges Bier. Wie schön.

Außerdem stimmt in fränksichen Wirtschaften das Preis-Leistungsverhältnis. Dieses Biobier zum Beispiel wird in Betzenbach in der Fränkischen Schweiz für 2,80 Euro angeboten. Es ist wunderbar süffig, hat eine feine Wurzigkeit und kann sich bei der Kohlensäure beherrschen.

Wo das Bier günstig ist, können die Preise fürs Essen nicht explodieren. Die Karte ist reichhaltig, bietet von den Klassikern der fränkischen Küche, dem Schäuferla, den Bratwürsten und dem Karpfen, alles was den Gaumen erheitert. Etwa die Kalbsroulade, die mit Meerrettich gefüllt ist und mit einem Brezenknödel serviert wird. Alles für sich wäre schon ein Ereignis, aber in dieser Kombination schmeckt das Essen nach der Leberknödelsuppe besonders gut.

An den Autobahnen stehen in Oberfranken besondere Schilder: „Genussregion Oberfranken“. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Nur ein Satz voller Wehmut: Die Zahl der Wirtschaften nimmt auch hier ab. Wo vor 20 Jahren noch jedes Dorf eine hatte, gibt es jetzt schon Ecken in der Fränkischen Schweiz, in der die Suche nach der guten Wirtschaft den Hunger massiv anschwellen lässt. Aber wenn man dann an einem dieser Holztische sitzt, das Bier vor sich hat und auf das Essen wartet, dann ist eines gewiss: So eine Wirtschaft ist auch ein Stück Heimat.

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“

Heimat (5): Schlesisch Blau in Kreuzberg

Tafel am Schlesisch Blau
Tafel am Schlesisch Blau

Beim „Schlesisch Blau“ handelt es sich um eine Wirtschaft. Zwar kann man schlecht einfach vorbei kommen. Denn meist sind alle Plätze reserviert. Aber das Interieur und die unkomplizierte, direkte Bedienung erinnern kaum an ein Restaurant. Hier wird sich auf das Wesentliche konzentriert: Aufs Essen und aufs Trinken. Und auf die Kommunikation mit der Begleitung.

Das geht hier besonders gut, weil hier eigentlich nie Handys klingeln. Laptops und dergleichen sind verpönt. Man isst, trinkt, spricht. Oder anders ausgedrückt: man genießt. Die Suppen stehen auf dem Ofen. Jeder bedient sich. Den Salat gibt es aus den mit Brot ausgewischten Suppentellern. Der aus drei bis vier Gerichten ausgewählte Hauptgang ist ganz frisch gekocht. Deshalb beschränkt sich die Karte auch auf die tagesaktuell mit Kreide neu beschriebene Tafel. Statt fragwürdiger Quantität dominiert hier famose Qualität. Das betrifft nicht die Portionen. Die sind wirklich ausreichend. Aber die Auswahl ist eben beschränkt. Beim Nachtisch geht es meist sogar nur um ein Ja oder Nein, etwa zu einer Schokoladentart mit Zwetschgen.

Biere und vor allem Weine sind richtig gut. Die Auswahl bei letzteren sogar ausgewählt gut. Die gesamte Mischung aus Angebot, Publikum und Atmosphäre erzeugt ein sehr angenehmes Gefühl. Fast etwas wie Heimat. Hier fühlt man sich wohl. Hier schmeckt es und hier gibt es ein Stück Berlin seiner angenehmsten Art. Und das alles in Sichtweite der Ecke von Kreuzberg, in der sich der Widerstand gegen die Touristen häuft.

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“