Jan Beißen macht das Frankenderby zum Regionalkrimi

Jan Beißen: LokalderbyWenn der Club gegen Fürth spielt, dann ist das sehr viel mehr, als ein normales Fußballspiel. Es ist das traditionsreichste Derby schlechthin, auch wenn die Spiele nur noch in der 2. Liga stattfinden. Früher aber wurde bei diesen Spielen die Deutsche  Meisterschaft entschieden. Und zeitweise bestand die Deutsche Nationalmannschaft nur aus Spielern dieser beiden Vereine. Insofern bietet ein solches Spiel tatsächlich einen sehr guten Rahmen für einen Krimi.

Heimat (21) – Nürnberg gegen Union Berlin

Der Club gegen Union in der Alten Försterei am 7. November 2015
Der Club gegen Union in der Alten Försterei am 7. November 2015

Die eigene Heimat muss nicht die Heimat der eigenen Kinder sein. Wer mit seinen Kindern umgezogen ist oder vor deren Geburt die Region der eigenen Kindheit verlassen hat, merkt das immer wieder an Kleinigkeiten. So richtig deutlich wird dies aber, wenn der Sohn zum selben Fußballspiel geht wie man selbst, sich aber in der Kurve des Gegners heimisch fühlt. Da steht man dann in der Alten Försterei bei einem Spiel von Union Berlin auf einmal im Gästeblock oder direkt daneben. Das eigene Kind singt unweit des Capos der Union-Ultras Lobgesänge auf die Eisernen. Und noch schlimmer: Es jubelt, wenn im Netz des 1. FC Nürnberg das Netz zappelt.

Das fühlt sich dann ein bisschen falsch an. Der eine feiert, während der andere die Arme über dem Kopf zusammenschlägt, weil der Torwart mit einem veritablen Patzer Union wieder ins Spiel bringt. In der Masse der Jubler oder der der Entsetzten ist rationale Neutralität nicht möglich. Es zählt nur das Gefühl der Zugehörigkeit. Der Franke feiert die Franken. Der Fast-Berliner die Köpenicker.

Es ist schon ein erstaunliches Phänomen, welche Kraft, welche Freude, welches Leiden ein Fußballspiel auslösen kann. Man uniformiert sich mit Trikot, Schal oder Vereinslogo. Man ist und will Teil einer Gruppe sein, die sich in der Regel aus regionaler Verbundenheit zu einem Verein bekennt. Und das lässt sich auch gar nicht ablegen. Jeder Versuch scheitert. Es ist allenfalls möglich, Sympathie für den Club des Sohnes zu fühlen. Aber echtes Fan-Sein ist eigentlich ausgeschlossen. Das wäre ja so, als würde man seine Heimat vergessen wollen. Wie absurd!

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“

Die Liebe des FCN zum Olympiastadion

Das Stadion ist ja eigentlich ein Stimmungskiller. Nirgendwo ist man weiter weg vom Spiel. Die Akustik ist miserabel – selbst die  lautesten Fangesänge verflüchtigen sich im weiten Rund des Berliner  Olympiastadions. Und dennoch ist es immer ein besonderes Fest, wenn der Club in Berlin spielt.

Das Pokalfinale 2007 gegen den Stuttgart war sicherlich das beste und aufregendste Spiel des FCN, das ich im Olympiastadion gesehen habe. Aber auch der Sieg gegen die Hertha, der den Hauptstadtclub Richtung 2. Liga brachte, war nicht schlecht. Das lag aber viel mehr am Spiel selbst als an der Stimmung, für die das Stadion eben kein guter Resonanzkörper ist. Ganz außergewöhnlich war die Freude, die Begeisterung beim Kellerduell 2010. Wie der Club durch das Tor in der Schlussminute durch Charisteas nach der Vorlage von Gündogan gewonnen hat, ist ein unvergesslicher Moment. Der Jubel der Clubberer, das Entsetzen der Herthaner, die Erleichterung bei mir – einfach großartig.

Genauso wie heute, als Nürnberg der Hertha wieder drei Punkte weg nahm. Als die Fans die Meisterschaft von vor 90 Jahren feierten. Als Josip Drimic einen Elfmeter verwandelte und davor schon wunderbar abstaubte – und damit in die Spitzengruppe der Bundesliga-Torschützen aufschloss. Als es wieder einmal Turbulenzen in Schäfers Strafraum vor der Ostkurve gab – und die Hertha-Fans wieder Raphael Schäfer auspfiffen, so oft es nur ging. Der sich aber nicht wirklich aus der Ruhe bringen ließ.

Wieder einmal hat der Club gewonnen. Wieder einmal ist die Stimme weg. Wieder einmal habe ich mich über die brutalst mögliche Kommerzialisierung des Fußballs geärgert, die man sich denken kann. Denn darin ist die Hertha Meister. Jetzt sogar mit Kapitalbeteiligung einer Heuschrecke von der Wallstreet. Zumindest in der Ablehnung dieser Beteiligung sind sich die Ultras in blau-weiß und rot-weiß einig. Auch das ist ein schönes Erlebnis in diesem Stadion, das dem Club so liegt. Und mir schon so viele schöne Auswärtssiege direkt vor der Haustür bescherte. Es ist eben eine besondere Liebe, die der Club zum Olympiastadion pflegt.