Die unaufhaltsame Macht 
des Internets

Zwei Freiheiten schränkt jede Diktatur dauerhaft ein: Die Versammlungs- und die Meinungsfreiheit. Beide bedingen sich, um politisches Gehör zu finden und politisches Gewicht entfalten zu können. Seit es Facebook oder Twitter gibt, ist es nicht mehr nötig, sich real zu versammeln. Jetzt ist das Internet der Ort des politischen Aufbruchs. In Tunesien und Ägypten waren es netzaffine Frauen und Männer, die Diktaturen zum Einsturz brachten.

Wie bedeutsam das Internet als Versammlungsort, als Raum für politische Debatte und Aktion inzwischen ist, zeigt der Blick nach Libyen. Der dortige Gewaltherrscher Gaddafi hat seine Bevölkerung von der technischen Entwicklung des Internet abgekoppelt. Deshalb war es dort kaum möglich, so effektiv die Massen zu erreichen und zu mobilisieren. China steckt im Dilemma zwischen moderner Wirtschaft, die ungeahnten Wohlstand und globale Macht beschert und politischer Unterdrückung. Die KP Chinas versucht den Mittelweg. Internetzensur soll politische Aktivitäten unterdrücken, aber dennoch das für eine moderne Ökonomie notwendige Netz als Kommunikationsmittel erhalten. Auf Dauer wird das aber sicher nicht funktionieren.

Auch Deutschland hat im Zusammenhang mit dem Fall Guttenberg gelernt, dass Facebook & Co. mehr sind als Orte zum Austausch von Klatsch und Tratsch. Zum einen zeigte sich, wie schnell Hunderttausende für oder gegen Guttenberg mobilisiert werden konnten. Zum anderen ermöglichte das Netz eine neue Form der Transparenz. Während die Uni Bayreuth noch einen Termin für die erste Sitzung der Überprüfungskommission suchte, hatten freiwillige Helfer auf der Internetseite de.guttenplag.wikia.com aufgearbeitet, welche Textstellen der Dissertation abgeschrieben sind.

Diese Transparenz zeigte jedem, dass Guttenberg die Wahrheit nur scheibchenweise bekannte. Und brachte ihn maßgeblich zu Fall. Zudem erübrigt sich jetzt die Arbeit der Kommission hinter verschlossenen Türen. Transparenz, Schnelligkeit, Vernetzung und Mobilisierung haben eine neue Qualität erreicht. Damit muss sich jeder Staat, aber auch jeder einzelne Bürger auseinandersetzen. Aus der Politik sind sie nicht mehr wegzudenken. Zum Glück. MOZ-Kommentar…

Ein Sicherheitsdilemma

Schutz vor Angriffen im Internet ist ein wichtiges Thema. Datensicherheit und die Verlässlichkeit bei Vertragsbeziehungen sind ebenso bedeutsam wie die Abwehr von Angriffen Krimineller oder von Geheimdiensten. Insofern ist es richtig, dass die Bundesregierung das Thema endlich so ernst nimmt.

Der Staat ist dazu da, Bürger vor Angriffen aller Art zu schützen. Selbstverständlich bezieht sich das im Zeitalter des Internets auch auf den „Cyber-Raum“, wie ihn die Regierung jetzt nennt. Und dennoch schwingt bei den Plänen von Thomas de Maizière ein gerütteltes Maß Heuchelei mit.

Angriffe auf Computer oder Computersysteme funktionieren in der Regel über Sicherheitslücken in der Software. Das Beste wäre also, diese möglichst umfassend zu schließen, etwa durch ein Bundesamt zur IT-Qualitätssicherung. Doch dann würden auch die Lücken geschlossen, die Polizei und Geheimdienste benötigen, um Rechner von Kriminellen oder Terroristen ausspähen zu können. Insofern soll das neue Abwehrzentrum bekämpfen, was man selbst benötigt.

MOZ-Kommentar…

Nur wer mitmacht, weiß, wovon er redet

Nach „Safer Sex“ jetzt also „Safer Internet“. Die Botschaft ist klar: Die Jugend soll aufpassen, denn das Internet ist gefährlich. Das hat der gestrige Aktionstag zur Sicherheit im Internet wieder gezeigt. Damit Sicherheit irgendwie cool wirkt, wird sie von politisch Verantwortlichen ins Englische übersetzt. Aber ob die jungen Netzbürger so nachhaltig erreicht werden, ist mehr als fraglich.

Das liegt vor allem am latent erhobenen Zeigefinger. Der ist bei Jugendlichen noch nie sonderlich beliebt gewesen. Wenn er dann noch von Personen erhoben wird, die sich selbst noch nie auf Facebook, StudieVZ oder Jappy getummelt haben, wirkt er dann auch noch sehr schnell verknöchert.

Eltern teilen dabei das Schicksal der Politiker. Wer seine Kinder vor den Gefahren des Internet warnen will, muss sich selbst auskennen. Nur wer selbst schon erlebt hat, wie bereichernd, erhellend und unterhaltsam soziale Netzwerke sein können, wird ihre Faszination verstehen. Nur wer sich selbst zu einem Knoten im Netz macht, lernt die Kommunikation dort kennen.

Leider prägen viele Erwachsene Vorurteile. Da werden Twitter und Facebook mit Klatsch und Tratsch gleichgesetzt. Dass im Moment darüber Aufstände und Revolutionen (mit-)organisiert werden, wird ausgeblendet. Das liegt an Unkenntnis und der eigenen Verweigerung, sich dieser Kommunikation zu stellen. Die Jugendlichen, die sich in dieser Kommunikationswelt auskennen, verstehen dagegen, wie es möglich ist, dass Informationen in kürzester Zeit die unterschiedlichsten Menschen über die Empfehlung von Freunden erreichen.

Natürlich ist es richtig, Datenschutz und Cyber-Kriminalität vorzustellen. Die Gefahren, die im Datenaustausch mit Freunden und Fremden liegen, müssen erklärt werden. Warnungen vor Leichtsinn im Netz sind nötig. Der jungen Generation sind diese durchaus bewusst, auch wenn sie gern verdrängt werden. Dennoch ist es viel wichtiger, dass all jene, die warnen ohne zu wissen, schleunigst Mitglied bei Facebook und Co. werden. Dann können sie auf Augenhöhe mit ihren Kindern über die Gefahren diskutieren, weil sie endlich wissen, wovon sie reden.

Facebook kann den eigenen Erfolg nur selbst zerstören

Facebook ist ein Phänomen. Die Internetseite hat nicht nur eine unglaubliche Anzahl an Nutzern. Sie ist auch unglaubliche 50 Milliarden Dollar wert. Und das völlig zu recht. Mit einer zweiten New-Economy-Blase hat diese Bewertung nichts zu tun.

Sagenhafte 500 Millionen Menschen aus aller Welt haben sich auf Marc Zuckerbergs Freundeseite registriert – und täglich werden es mehr. Jeder zweite von ihnen ist Tag für Tag in dem sozialen Netzwerk unterwegs, wo er mit seinen durchschnittlich 130 Freunden kommuniziert oder zumindest verfolgt, was sich bei ihnen Neues tut. Außerdem beobachten diese Nutzer auch, was es an Neuigkeiten von ihrer liebsten Zeitung, TV-Sendung oder dem präferierten Fußballverein gibt.

Anhand von Facebook-Einträgen konnten Soziologen schon entschlüsseln, an welchen Tagen sich Paare am häufigsten trennen. Die 2,5 Millionen Entwickler von Spielen und Applikationen auf Facebook schaffen es zudem, den Nutzern immer weitere Informationen über sich selbst zu entlocken; da diese Entwickler nicht von Facebook bezahlt werden, sondern von all den Firmen, die sich auf Facebook den Nutzern präsentieren.

Kein Wunder also, dass Facebook so viel wert ist. Denn im Unterschied zu den Internetfirmen, die vor gut zehn Jahren an den Börsen hoch bewertet wurden, hat Facebook nicht nur einen direkten Kundenkontakt. Facebook weiß auch deutlich mehr über den einzelnen Nutzer und über bestimmte Nutzergruppen. Mit diesem Wissen kann tatsächlich über Werbung Geld verdient werden. Weder Google noch eBay wissen so viel über ihre Mitglieder wie Facebook.

Da Facebook rasant weiter wächst, ist derzeit auch nicht absehbar, dass der Wert der Firma sinken könnte. Es gibt eigentlich nur einen Grund, der zu einem Kursabsturz führen kann: Wenn Face¬book die Sorgen der Nutzer um Datensicherheit weiter völlig ignoriert. Dann könnten sich die Nutzer genauso schnell von der Plattform zurückziehen, wie sie sie geentert haben. Wer an AOL oder Yahoo denkt, weiß, dass im Internet Marken schnell groß und mächtig werden können – und genauso schnell wieder verglühen können.

MOZ-Kommentar…

Sicherheit und Freiheit im Netz

Cyberwar ist keine Sciene Fiction. Staaten müssen sich dieser Herausforderung stellen und für Sicherheit sorgen. In Zeiten des Internets bedeutet dies, Netze und Rechner vor Attacken zu sichern. Was sich die Nato kürzlich vorgenommen hat, will die Bundesregierung nun mit einem eigenen Zentrum gegen Cyberattacken national umsetzen. Das bekannteste Beispiel für den realen Cyberwar ist die Attacke mit dem Wurm StuxNet auf die iranischen Atomanlagen. Dabei gelang es den Absendern der schadhaften Software offensichtlich, die Urananreicherung nachhaltig zu verzögern.

Was angesichts der Bedrohung durch das iranische Atomprogramm sympathisch ist, hat eine Kehrseite: Auch wir in Deutschland werden verstärkt durch Attacken im Internet bedroht. Das betrifft das Ausspionieren von Behörden wie die Wirtschaftsspionage. Es ist also richtig, sich dagegen zu wehren. Aber dabei darf es keine unbeschränkte staatliche Datensammelwut geben. Ansonsten wäre der Vertrauensverlust von Nutzern und Firmen größer als der Gewinn an Sicherheit.

MOZ-Kommentar…

Magere Ergebnisse

Als großen Erfolg feiern die Regierungen der Welt den Klimagipfel von Cancún. Aber was wurde da beschlossen? Auf jeden Fall nichts, was das Klima tatsächlich rettet. Die Regierungen sind sich jetzt nur darin einig, dass die seit gut einem Jahrzehnt gesicherten Erkenntnisse der Klimawissenschaftler auch für sie gelten.

Wäre in Cancún kein Klima-, sondern ein Bankengipfel gewesen, dann hätten sich die Minister nicht mit der Bekämpfung der Bankenkrise beschäftigt. Sondern nur darum gerungen, ob es sie überhaupt gibt. Bei Banken beschäftigen sich Regierungen sofort mit Krisenbekämpfung. Sie zahlen unvorstellbare Summen für die Rettung. Beim Klima aber wird nur geredet.

Angesichts der messbaren Auswirkungen der Klimaerwärmung ist das fast schon kriminell. Immerhin geht es um Leib und Leben von hunderten Millionen Menschen. Oder ist diese Dimension zu groß, als dass sie begreifbar wäre? Für uns alle nicht, nur für die Regierungen? Sonst hätten wir doch alle schon Ökostrom und würden auch sonst klimafreundlich leben.

MOZ-Kommentar…

Eine Frage des Vertrauens

Die Europäische Union ermittelt gegen Google. Das ist eine gute Nachricht, weil die Internetfirma tatsächlich marktbeherrschend ist. Ob sie diese Dominanz auch wirklich missbraucht, ist allemal eine Untersuchung wert. Schon in der der Vergangenheit hat sich die EU-Kommission erfolgreich mit dem Softwaregiganten Microsoft und dem Chiphersteller Intel angelegt. Dabei wurde sogar eine Strafe von über eine Milliarde Euro verhängt.

Google sieht sich immer stärkerem Gegenwind ausgesetzt. Das Motto „Don’t be evil“, mit dem die Firma lange für die positiven Effekte des Internets stand, schwindet. Die Datensammelwut mit „Streetview“, die Verknüpfung von Email, Chat und sozialen Netzwerken in „Wave“ ist besorgniserregend. Da Google das alles macht, um solche Daten Werbetreibenden zur Verfügung zu stellen, ist Google zu Recht angreifbar.

Im konkreten Fall hat Google sogar mit der Glaubwürdigkeit der Suchergebnisse gespielt. Wenn das stimmen sollte, bekommt das Image nicht nur einen zusätzlichen Knacks. Dann verliert Google sein wichtigstes Kapital: das Vertrauen.

Eine Frage des Vertrauens

Die Europäische Union ermittelt gegen Google. Das ist eine gute Nachricht, weil die Internetfirma tatsächlich marktbeherrschend ist. Ob sie diese Dominanz auch wirklich missbraucht, ist allemal eine Untersuchung wert. Schon in der der Vergangenheit hat sich die EU-Kommission erfolgreich mit dem Softwaregiganten Microsoft und dem Chiphersteller Intel angelegt. Dabei wurde sogar eine Strafe von über eine Milliarde Euro verhängt.

Google sieht sich immer stärkerem Gegenwind ausgesetzt. Das Motto „Don’t be evil“, mit dem die Firma lange für die positiven Effekte des Internets stand, schwindet. Die Datensammelwut mit „Streetview“, die Verknüpfung von Email, Chat und sozialen Netzwerken in „Wave“ ist besorgniserregend. Da Google das alles macht, um solche Daten Werbetreibenden zur Verfügung zu stellen, ist Google zu Recht angreifbar.

Im konkreten Fall hat Google sogar mit der Glaubwürdigkeit der Suchergebnisse gespielt. Wenn das stimmen sollte, bekommt das Image nicht nur einen zusätzlichen Knacks. Dann verliert Google sein wichtigstes Kapital: das Vertrauen.

Internet contra 
Schutz 
des Privaten

Google steht wie keine andere Firma für den Nutzen des Internets. „Googeln“ ist in unseren Wortschatz eingegangen. Das Wort ist kürzer und knackiger als „im Internet suchen“. Google als Firma steht aber auch wie kein anderes Internet-Unternehmen für die Sammel- und Speicherwut von Daten. Deshalb wird der Konzern auch „Datenkrake“ genannt. Streetview heißt das neue Produkt, das wegen seiner Anschaulichkeit fasziniert. Jetzt ist es möglich, durch 20 Städte Deutschlands virtuell zu wandern. Häuser, Denkmäler, Ampeln oder Gartentore können von zu Hause aus betrachtet werden. So kann sich jeder mit Googles Bildern sein Bild von Orten machen, die er nie besuchte.

Das ist wieder einmal sehr praktisch. Und dennoch ist das Projekt wie kein anderes bisher umstritten. Hunderttausende haben das Haus, in dem sie leben, ver-pixeln lassen. Sie wollen nicht, dass sich die Daten aus 
Google-Streetview mit den Daten einer Kreditauskunftei kombinieren lassen. Oder sie wollen vermeiden, dass sie beim nächsten Vorstellungsgespräch auf die Graffiti neben der Eingangstür angesprochen werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass Streetview nur einen Augenblick dokumentiert. Da es nicht möglich ist, ständig neue Bilder von allen Straßen Deutschlands zu machen, ist der zufällige Zustand des Aufnahmetages wirkungsmächtiger als die Realität.

Solche Beispiele ließen sich etliche weitere anführen. In der Kombination unterschiedlichster Daten liegt eine ernstzunehmende Gefahr. Denn dadurch kann ein sehr aussagefähiges Profil über einzelne Menschen entstehen. Der nützlichen Transparenz steht der Schutz der Privatsphäre gegenüber.

Für Google ist Streetview ein Produkt, mit dem der Konzern Geld verdienen will. In der Vergangenheit hat die Firma immer wieder gezeigt, dass ihr Datenschutz kein Anliegen ist. Erst als Verbraucherschützer, Politik und Netz-Community die Sammelwut begrenzten, wurde Google einsichtig. Obwohl das auch bei Streetview so war, hat die Firma schon wieder geschlampt. Auch das ist ein Grund, sein Haus lieber ver-pixeln zu lassen.

MOZ-Kommentar…

Lärmattacke gegen Platzeck

Unerwartet kam der Protest nicht, dafür aber heftig. Die Flugroutengegner in Zeuthen (Dahme-Spreewald) pfiffen Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Sonnabend aus.

Den ganzen Vormittag dröhnt Fluglärm durch Zeuthen. Ein Traktor zieht mit einem Lärmsimulator durch den Ort, um alle Einwohner wachzurütteln. Die Initiative „Zeuthen gegen Fluglärm“ will veranschaulichen, worüber am Nachmittag mit Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gestritten werden soll. Die Aktion ist erfolgreich: Zwischen 2500 und 3000 Menschen sind auf den Beinen, um Platzeck den Vertrauensverlust in die Politik direkt spüren zu lassen.

Als der Ministerpräsident die Bühne vor dem frisch renovierten Feuerwehrhaus betritt, schallt ihm Lärm entgegen. Jetzt ist es nicht der Simulator, sondern ein Chor aus mehreren Tausend Demonstranten. Sie pfeifen ihn aus, skandieren „Baustopp“ und den Slogan der Veranstalter: „Back to the Routes“. Platzeck versucht es zunächst mit Besänftigungen. „Wir haben gelernt, dass das größte Infrastrukturprojekt im Osten Deutschlands Probleme mit sich bringt“, beginnt er seine Rede. Der Versuch, Gemeinsamkeit zu erzeugen, geht jedoch in höhnischem Gelächter unter.

Denn genau diese Erfahrung haben die Zeuthener gemacht. „Im Vertrauen auf die im Planfeststellungsverfahren benannten Routen haben hier Tausende Menschen ihre Lebensentscheidungen getroffen, sind umgezogen, haben sich neu angesiedelt, wurden Kindergärten und Schulen neu gebaut“, sagt der Vorsitzende der Bürgerinitiative „Leben in Zeuthen“, Martin Henkel, später. Aber seit dem 6. September ist dieses Vertrauen zutiefst erschüttert. Die Veröffentlichung des ersten Flugroutenkozepts für den Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) durch die Deutsche Flugsicherung hat aus einem ruhigen und beschaulichen Ort ein potenzielles Fluglärmopfer gemacht.

Platzeck steht trotz der Gegenwehr ruhig auf der Bühne. Im Laufe der Woche hat er sich schon 90 Minuten mit den Sprechern der Initiative unterhalten. Henkel hat in einer Rundmail an die Mitglieder dazu aufgerufen, Platzeck fair zu behandeln. Doch die Plakate, die Platzeck einen Lügner nennen, sind dennoch sichtbar. Und selbst als er einräumt, einen Fehler gemacht zu haben, sorgt das nicht für Zustimmung.

Der Fehler, zu dem sich Brandenburgs Regierungschef bekennt, ist folgender: „Wir haben nicht klar genug formuliert, dass der Planfeststellungsbeschluss und die Flugroutenfestlegung nichts miteinander zu tun haben.“

Aber genau das wurde bei allen Anfragen Betroffener in der Vergangenheit stets gesagt. Simon Litzmann von der Lichterfelder Initiative gegen die neuen Flugrouten bringt das so auf den Punkt: „Wir fühlen uns belogen.“ Denn wer sich in der Vergangenheit über die Auswirkungen von BBI informierte, sei auch von den offiziellen Stellen auf die Flugrouten des Planfeststellungsverfahrens verwiesen worden. Litzmann fordert deshalb unter dem Applaus der Zuhörer Rechtssicherheit auf Grundlage der von den Verantwortlichen zitierten Beschlüsse. Und dies würde ein Rückkehr zu den alten Flugrouten bedeuten.

Matthias Platzeck versucht, dem Unmut die Spitze zu nehmen, indem er verspricht, dass Brandenburg einer Lockerung des Nachtflugverbotes im Bundesrat nicht zustimmen werde. Die Bundesregierung plant diese Lockerung gerade. Für die Demonstranten ist Platzecks Versprechen allerdings das Mindeste. Denn bis vor Kurzem war es für sie gar nicht vorstellbar, Fluglärm in der Nacht zu hören.

Platzeck stellt der Kundgebung in Aussicht, dass der Lärmschutz wichtiger sein müsse als die Wirtschaftlichkeit. Er spricht davon, dass die Flugzeuge Umwege fliegen müssten, um die Anwohner zu schonen. Und er regt an, dass die Startbahnen nicht bis zum Ende ausgereizt werden müssten. Was er nicht sagt: Das Flugsicherheitsgesetz verlangt eindeutig, dass bei der Festlegung der Flugrouten erst die Sicherheit, dann die Wirtschaftlichkeit und als drittes erst der Lärmschutz berücksichtigt werden muss.

Platzeck sagt dem Publikum auch nicht, dass er allenfalls mit einer Gesetzesinitiative über den Bundesrat dafür sorgen könnte, dass sein Versprechen einer anderen Gewichtung eingehalten werden kann. Und so bleibt er unverbindlich, was bei den Zuhörern für weiteren Verdruss sorgt.

Immerhin verspricht der Ministerpräsident, dass es keine Benachteiligung Brandenburgs geben werde. Damit weist er die Forderung von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nach einer Verschonung Berlins zurück.

Als er von immer wiederkehrenden Baustopp-Rufen unterbrochen wird, fordert Platzeck Sachlichkeit. „In Stuttgart hat der Bau des Bahnhofs noch gar nicht begonnen“, sagt er. Aber hier sei der Flughafen fast fertig. Das Geld könne doch nur einmal ausgegeben werden. Deshalb seien Stuttgart 21 und BBI gar nicht vergleichbar.

Der Baustopp wird vor allem von den Demonstranten gefordert, die von den alten Flugrouten betroffen wären. Die Einwohner der Gemeinden Eichwalde, Schmöckwitz oder Wernsdorf, die ebenfalls zur Kundgebung in Zeuthen gekommen sind, können mit der Forderung „Back to the Routes“ nichts anfangen. Sie erklären sich wie der Eichwalder Bürgermeister Bernd Speer zwar solidarisch. Formulieren aber auch ganz klar: „Für uns ist ein Zurück zu den alten Routen nicht die Lösung.“

Die Redner der Bürgerinitiatven weisen nach Platzecks Rede auch auf seine Funktion als BBI-Aufsichtsrat hin. Als solcher könnte er den Verzicht auf parallele Starts durchsetzen. Denn diese erzwingen das Abknicken der Flugrouten. Doch da ist Platzeck schon nicht mehr da.