Wer „Wodka, Weiber, Wasserleiche“ als Titel für einen Krimi wählt, will dem Leser wahrlich weiß machen, dass Wörter wunderbare Ware sind. Wahnhaft fast werden Worte wagnerhaft wundersam gefügt, um wieder und wieder wabernd im Stabreim zu wallen. Und wenn alles gut geht, wundert sich der werte Leser, dass er trotz wuchtiger Wortanfänge auch noch ein witziges Werk wahrgenommen hat.
Schlagwort: Krimi
Veit Heinichen bleibt Proteo Laurenti treu
Als Veit Heinichen seinen Proteo Laurenti das erste Mal auf Ermittlungstour durch Triest schickte, war die Mischung aus Krimi und dem literarischen Entdecken einer historisch höchst spannenden Region eine starke Mischung. Nicht umsonst wurden die Krimis auch fürs Fernsehen mit Henry Hübchen als Commissario adaptiert. Doch der jüngste Krimi aus der Feder Heinichens lebt fast nur noch von der Beschreibung der Region, des Karsts, der Stadt Triests und den Hinweisen auf gute Winzer und Lokale. Der Fall selbst entwickelt keine unbedingte Spannung, die das Weglegen des Buches zu einer Qual machen würde.
„Der Zusammenhang“ von Leonardo Sciascia ist ein Labyrinth
Als Leonardo Sciascia seinen „sizilianischen Kriminalroman“ „Der Zusammenhang“ 1971 veröffentlichte, war die Mafia noch alles andere als ein gängiger Stoff für Literatur und Film. Aber der Sizilianer Sciascia wusste, was die Ehrenwerte Gesellschaft war. Er kannte die Mechanismen, mit denen sich die Ehrenmänner Einfluss und Macht sicherten. Und er wusste, wie das Geschwür Mafia den Staat befiel und aussaugte. Stoff genug also für einen guten Krimi.
Sören Bollmann schockt mit einem Serienmörder an Viadrina-Studentinnen
Sören Bollmann hat als Krimi-Autor seine Erfüllung gefunden. Schon zum dritten Mal schickt er seinen Frankfurter Kommissar Matuszek zusammen mit dessen Słubicer Kollegen Miłosz auf Mörderjagd. Diesmal steht ein Serienmörder im Mittelpunkt des Buches. Der verbreitet Angst und Schrecken vor allem an der Viadrina, der Frankfurter Universität. Denn die drei ersten Opfer sind allesamt Studentinnen.
Ein wahnwitziger Thriller über den Brexit von Andrew Marr
Nur noch vier Tage, dann wissen wir, ob die Briten weiterhin Europäer sein wollen oder nur noch Insulaner. Die Debatte um den Brexit hat alles, was ein Thriller benötigt; inzwischen mit der Labour-Abgeordneten Jo Fox leider auch ein Mordopfer. Als der Journalist Andrew Marr seinen Thriller „Der Premierminister“ schrieb, war ein tatsächlicher politischer Mord noch unvorstellbar. Umso lustvoller hat er darüber geschrieben.
Das Buch selbst ist ein wahnwitziges Gedankenexperiment, indem Downing Street 10, das Parlament, die Finanzindustrie und natürlich die Medien wichtige Zutaten. Natürlich darf das Königshaus nicht fehlen und der berühmte britische Humor. Ohne diesen wäre das Buch nicht auszuhalten. Aber der Witz und die Schärfe, mit der Andrew Marr, immerhin einer der wichtigsten britischen Politik-Journalisten, seine jahrzehntelange intime Kenntnis der politischen Akteure und Verhältnisse auf die Schippe nimmt, macht dem Leser sehr viel Spaß.
Leider ist es nicht möglich, das wichtigste des Buches zu erzählen, ohne die Wucht der Überraschungen beim Lesen des Buches zu zerstören. Denn jedes Mal, wenn man sich denkt, jetzt wird doch nicht dieses oder jenes passieren, geschieht noch etwas viel erstaunlicheres. Der Thriller macht einen atemlos. Und fassungslos, weil der Irrsinn angesichts der gerade stattfindenden Debatten um den Ausstieg aus Europa nicht mehr nur als ein Hirngespinst erscheinen, sondern mit Blick auf die Verbissenheit beider Seiten als Steigerung realen Geschehens erscheint. Natürlich hat das Buch auch Schwächen. Aber wer es jetzt anfängt zu lesen, wird vor dem 23. Juni noch fertig. Und hat dann wenigstens noch richtig Spaß am Brexit – auch wenn man ihn sich definitiv nicht wünscht.
Jan Beißen macht das Frankenderby zum Regionalkrimi
Wenn der Club gegen Fürth spielt, dann ist das sehr viel mehr, als ein normales Fußballspiel. Es ist das traditionsreichste Derby schlechthin, auch wenn die Spiele nur noch in der 2. Liga stattfinden. Früher aber wurde bei diesen Spielen die Deutsche Meisterschaft entschieden. Und zeitweise bestand die Deutsche Nationalmannschaft nur aus Spielern dieser beiden Vereine. Insofern bietet ein solches Spiel tatsächlich einen sehr guten Rahmen für einen Krimi.
Heimat (22) – Der DDR-Polizeiruf „Draußen am See“
Wenn einen ein alter, nur mäßig überzeugender Polizeiruf 110 daran hindert ins Bett zu gehen, dann muss er im Zuschauer etwas Besonderes auslösen. „Draußen am See“ zeichnet sich weder durch Thrill, Action oder gar Humor au. Im Gegenteil: Gestelzte Dialoge, langsame Schnitte und eine in Teilen ans Absurde grenzende Handlung sind eigentlich Garanten fürs sofortige Ausschalten.
Dennoch hab eich den DDR-Krimi geschaut. Denn er zeigt den Zeuthener See so, wie er 1983 aussah. Die Insel zwischen Zeuthen und Schmöckwitz Werder hat noch keinen Ring aus Holzpfählen, um zu verhindern, dass das Naturschutzgebiet von Bootsfahrern gestört wird. Die Uferlinie ist noch nicht ganz so verbaut wie heute – vor allem in Schmöckwitz. Aber dennoch ist es die Uferlinie, der ich beim Paddeln folge. Der Kohlekahn, mit dem man in der Fahrrinne immer rechnen muss oder das Bootshaus Roll mit seinen vielen Stegen.
Dass der DDR-Polizeiruf einmal für mich Heimat-Fernsehen sein könnte, hätte ich mir nie vorstellen können. Und doch sind die Bilder vom Zeuthener See genau das. Sie lösen ein frohes Erkennen zutiefst vertrauter Anblicke aus. Und das so sehr, dass sich bestimmt die Recherche lohnt, ob noch mehr Filme hier am See gedreht worden sind.
Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“
Maxim Leo schickt Kommissar Voss zum Auentod
Alles beginnt mit einer polnischen Hochzeit. Kommissar Voss feiert zusammen mit seiner Freundin, der Pflegerin seiner Mutter, mit viel Wodka einige Kilometer hinter der polnischen Grenze. Am nächsten Morgen wird Maja entführt. Aus einem fröhlichen Kurzurlaub wird ein Kriminalfall mit viel persönlichen Gefühlen.
Maxim Leo schickt seinen Ermittler aus der Nähe von Bad Freienwalde in sein zweites Abenteuer. Diesmal spielt die Grenze eine wesentliche Rolle, die mit dem Verschwinden Majas, einem vermeintlichen Selbstmord eines IT-Spezialisten und vielen gestohlenen Autos zu tun hat. Aber das wird erst langsam klar. Maxim Leo hat seinen neuen Krimi aus dem Oderland mit vielen klugen Beobachtungen gefüllt. Aber die Dichte der Fälle, in die Voss verwickelt wird, hätten vielleicht auch für zwei Bücher gereicht.
Das Beste am neuen Krimi ist die Entdeckung Polens. Und dabei der unverstellte Blick von Maxim Leo auf das Nachbarland. Leo hat in Polen die Augen geöffnet und die deutschen Vorurteile versucht zu vergessen. Wenn überhaupt, dann bricht er sie auf amüsante Art. Dennoch vergisst er nicht, die Spannung aufzubauen. Die Polizeiarbeit ist in sich logisch, auch wenn sich Voss nicht wirklich an die Regeln hält. Die persönliche Verstrickung in den Fall vernebelt ihm den freien Blick auf das Geschehen. Der meint stets, zu wissen, um was es geht. Aber Maxim Leo hat immer noch eine Drehung mehr zu bieten. Und genau das macht das Buch fast zu voll von Ideen und Tätern und Handlungssträngen. Dennoch lohnt sich der zweite Fall von Kommissar Voss.
Sören Bollmann schreibt einen Krimi über Grenzkriminalität
Jetzt also Einbruch! Sören Bollmann kommt mit seinem zweiten Krimi in der Realität an. Hieß der erste noch „Mord in der halben Stadt“, kommt nun „Einbruch in der halben Stadt“. In Frankfurt (Oder) wird durchaus mehr eingebrochen als gemordet. Für die Phantasie des Autors und der Leser gibt es bei diesem Buch also vielmehr Anknüpfungspunkte als beim ersten. Aber ganz will sich Bollmann darauf wohl nicht verlassen. Zu einem Krimi gehört ein Toter. Und so gibt es auch in diesem einen. Obwohl er eigentlich überflüssig ist. Sowohl für die Spannung, als auch für die Leser und erst recht für die Geschichte, die der Frankfurter hier erzählt.
Martin Suter verabreicht einen Trip auf Pilzen
Ein Trip auf Pilzen serviert Martin Suter in diesem Buch aus dem Jahr 2000. Erfolgreicher Wirtschaftsanwalt kommt in die Midllife Crisis, trennt sich von der Lebensabschnittsgefährtin und verliebt sich eine sehr viel jüngere Frau, die noch dazu so ganz anders ist als die bisherige. So weit, so gewöhnlich. Martin Suter aber entwickelt aus diesem Stoff, in dem viele Leserinnen und Leser Geschichten aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis oder sogar des eigenen Erlebens erkennen können, einen ganz außergewöhnlichen Krimi.