Es sind nur zwei Takte und schon bewegt sich das ganze Lido. Das gute Dutzend der Fanfare Ciocarlia bläst in die Instrumente, die Kraft der ihrer Lungen erfüllt den Saal. Der Rhythmus von Pauke und Schlagzeug wird durch die Tuba massiv verstärkt. Die Melodiebögen von Trompeten, Saxophon und Klarinette liegen über dem stampfenden Sound. Sofort spürt jeder, dass diese Musiker ihre Stücke lieben. Und alles bewegt sich. Sofort.
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Mehrforte begeistert wieder beim Rosenfestkonzert
Die Konzerte des Eichwalder Chores Mehrforte beim Rosenfest sind eine schöne Tradition. Jedes Jahr treten die Laien, die von Chorleiter Thomas Merfort zu immer neuen Leistungen geführt werden, in der Eichwalder Kirche auf. Die Mischung von Klassikern der Pop-Musik bis hin zu Mozart und schwedischem Volkslied hat wieder viel Spaß gemacht.
Viele Worte muss man dazu gar nicht verlieren. Besser ist einfach zuzuhören!
Kaminer und Rotfront machen Literatur nach Tönen
Rotfront und Bestuhlung, das ist ungefähr so wie Eisern Union im Maßanzug. Im Festsaal Neukölln stehen Stühle. Und Rotfront ist angekündigt. Normalerweise heizt die Band mit dem ersten, spätestens dem zweiten Song so sehr ein, dass der ganze Saal in Bewegung, ja in Wallung kommt. Und spätestens nachdem vierten Lied der Schweiß fließt. Aber hier in Neukölln stehen Stühle, soll man sich setzen, um Rotfront zu hören.
Domowe Melodie berauschen mit Humor und viel Gefühl
Auf der Bühne sind sie furios, amüsant und voller Energie. Auf der CD steht bei den selben Songs die Schönheit im Vordergrund. Domowe Melodie spielen Chansons zwischen Jazz und Pop. Und das so schön, dass trotz der Sprachbarriere zwischen Polnisch und Deutsch ein Verstehen der Musik ganz leicht fällt.
Justyna „Jucho“ Chowaniak ist ganz eindeutig der Kopf der Kombo. Und das nicht nur, weil alle Stücke auf ihren Gesang ausgerichtet sind. Ihr Kopf, ihr Gesicht dominiert das Konzert. Sie verzieht es so, dass zwischen Lachen, Weinen und Wahnsinn fast alles möglich ist. So ausdrucksstark ist es, dass das gesamte Publikum im Frankfurter Kleist Forum gar nicht anders kann, als das Lachen, das Weinen, den Wahnsinn genauso zu empfinden. Und vor allem den, den Humor, mit dem sie mit ihren Kompagnons Staszek Czyżewski und Kubą Dykiertem nicht nur musikalisch kommuniziert, sondern vor alle mimisch.
Domowe Melodie ist eine echte Entdeckung links der Oder. Auf der anderen Seite sind die drei innerhalb nur zweier Jahre richtig aufgestiegen. Die ersten Lieder wurden noch im Wohnzimmer aufgenommen. Videos auf Youtube beförderten die Popularität, sodass die polnischen Besucher der Transvocale einige Lieder schon komplett mitsingen konnten. Und das völlig zu recht. Domowe Melodie ist eine echte Entdeckung. Schön wäre es, wenn sie auch in Deutschland ankommen könnten, zum Wohle und Amüsement des Publikums und der drei Musiker.
Les Yeux D’la Tête erfreuen das Lido
Was genau mich im Lido erwarten würde, wussten ich nicht. Irgendeine Mischung aus Frankreich und Balkan glaubte ich. Und tatsächlich war da viel Frankreich zu hören, auch immer wieder Balkan, aber auch Andalusien und jiddisches Osteuropa. Alles verpackt in einen eigenen Sound, der die vielen Einflüsse nicht demonstrativ vor sich herträgt, sondern zu einer sehr schönen, innigen und abwechslungsreichen Musik verbindet. Eine Musik, die mich genauso wie das restliche Publikum angenehm treiben und tanzen und träumen ließ.
Die sechs Pariser beherrschen ihre Instrumente und sind wunderbar aufeinander eingespielt. Vor allem die beiden Sänger mit ihren Gitarren schaffen es sofort mit dem Publikum zu kommunizieren. Das versteht zum Großteil kein Französisch und so versuchen sie mit einem herzlichen Pariser Englisch zu erklären, was sie da spielen. Aber das ist überflüssig. Denn die Musik, die ihre besondere Note durch das Akkordeon und das Saxophon bekommt, spricht für sich. Ihre Ironie wird genauso verstanden wie ihr Ernst oder ihre Innigkeit.
Les Yeux D’la Tête ist eine schöne Entdeckung, die nun häufiger auch daheim erklingen wird. Es ist halt doch immer wieder richtig, in Konzerte zu gehen, auch wenn man nicht genau weiß, was einen erwarten wird. Hier kann man mal reinhören…
Das gilt auch für die Vorband. Yukazu kommt aus Kreuzberg und stimmt die eigenen Lieder ebenfalls auf Französisch an. Dazu spielt ein Kontrabass, eine Klarinette, Gitarre, Schlagzeug und ein Akkordeon. Ergänzt um die beiden Stimmen der Sängerinnen ergibt das eine Hommage an Frankreich, die Sehnsucht weckt.
Mnozil Brass bläst Wagner aufs Zwerchfell
Auf diesem Foto sehen die Musiker von Mnozil Brass ja noch einigermaßen normal aus. Im Berliner Ensemble war der erste Eindruck ein anderer – sowohl optisch als auch akustisch. Drei skurrile Männer mit Trompeten, drei weitere mit Posaunen und einer mit Tuba standen da auf der Bühne und bliesen von Anfang an kräftig in ihre Instrumente. Dabei vollführten sie seltsame Tänzchen, Märsche und Slapstick-Comedy. Aber immer mit dem Mund am Instrument. Immer Sound erzeugend. Immer den Theatersaal mit dröhnenden Blechklängen ausfüllend.
Johannes-Passion im Berliner Dom
Da ist dieser Berliner Dom. Er ist riesig. Er ist vor etwas mehr als 100 Jahren schon genauso historisierend erbaut worden, wie es jetzt das neue, alte Stadtschloss auf der Straßenseite gegenüber werden wird. Und er ist gewaltig. Genauso wie die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach. Und wie die Bilder, die Christoph Hagel (Musikalische Leitung und Inszenierung) und Martin Buczko (Choreographie) mit ihren Tänzern vor dem Altar schaffen.
Die Musik und der Text allein würden schon lange nachhallen. Auch wenn der große Dom viel Akustik schluckt. Selbst die richtig lauten Passagen wirken etwas verhalten, obwohl die Solisten, die Berliner Symphoniker und der Berliner Symphoniechor ihr bestes geben – und wirklich gut sind. Aber der Tanz, die Bilder, die sich im Altarraum aufbauen, verändern und bei der Kreuzigung auch erstarren, kompensieren das. Die gut eineinhalb Stunden verdichten sich in Bildern und Klängen, die nachwirken.
Und das liegt auch an der Kulisse. Denn der Gedanke, dass dieser Dom von jenem Kaiser Wilhelm II. gebaut und als Kirche genutzt wurde, der neun Jahre nach der Einweihung den 1. Weltkrieg mitverschuldete und somit mehreren Millionen Menschen den Tod brachte, gibt den Bildern vom Leiden und Tod Jesu Christi eine ganz besondere Bedeutung.
Heimat (16) – Italienische Klänge
Es gibt auch eine akustische Heimat. Bei Landschaften, Geschmäckern, Gerüchen ist es mir immer klar gewesen, dass Sinneswahrnehmungen Heimatgefühle auslösen können. Das Ohr aber habe ich bislang vernachlässigt.
Gestern bei einem wunderbaren Konzert von Werner Schmidbauer, Pippo Pollina und Martin Kälberer ist in mir immer wieder eine wohlige Zufriedenheit aufgeschwappt. Das lag natürlich an der Musik, den Liedern, die diese drei begnadet ehrlichen Musiker darboten. Und die Verheißung, in den Süden entführt zu werden, tat bei -9 Grad und permanentem Schneegestöber ein Übriges. Aber da war noch mehr: Ein Konzertsaal in einer ehemaligen Zehntscheuer, wie es ihn in Berlin nicht gibt. Schwere Mauern aus dem Mittelalter, außen mit einem Treppengiebel gekrönt, innen in einen funktionalen, aber dennoch atmosphärisch dichten und Geschichte atmenden Saal verwandelt. Und italienische Musik.
Bayern 3 war wahrscheinlich schon vor über 30 Jahren der einzige Sender in Deutschland, der regelmäßig italienische Pop- und Rockmusik spielte. Vieles davon war grauenhaft, so wie Albano und Romina Power oder Eros Ramazotti, manches war großartig, wie Paolo Conte oder Lucio Dalla, aber unabhängig davon war diese Musik einfach italienisch. Und später anderswo – in Brandenburg, Hessen oder Berlin, war sie nie so zu hören wie damals im heimischen Radio.
Und so hat mich Pippo Polina gestern in eine akustische Heimat versetzt, von der ich bis dahin gar nichts wusste. Werner Schmidbauers oberbayrisch hat das noch verstärkt. Seltsam, diese Heimat. Überraschend und schön – wie der Süden von Schmidbauer, Pollina und Kälberer. Und das, obwohl ich von der italienischen Musik auf Bayer 3 nur sehr selten angetan war.
Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“
Rotfront feiert in der Geburtstags-Sauna
Das Café Burger dampft. Es bebt. Es dröhnt. Und das alles rhythmisch voller Energie. Zehn Jahre feiert Rotfront im Stammlokal. Drei Nächte, drei Konzerte und jedesmal nur 200 bis 300 Fans, weil mehr beim besten Willen nicht in die Kneipe passen. Die sind aber mehr als genug. Nach dem Konzert ist jeder verschwitzt, egal ob er sich bewegt hat oder nicht. Wie in der Sauna rinnt der eigene und der Fremdschweiß. Denn Yuriy Gurzhy und seine sieben bis zehn Helfer an den Instrumentebn und Mikrophonen heizen in dieser Winternacht richtig ein. Das abgegriffene Sprachbild trifft es in diesen kalten Winternächten ganz genau.
Rotfront mit der Mischung aus Raggae, Klezmer, HipHop, Ska und Balkan Brass macht die schönste und kraftvollste Berliner Heimatmusik. Weil sie so international ist, weil sie die Stadt feiert und weil sie das mit einer Leidenschaft und Spielfreude macht, die ohne jede Aggression auskommt. Danke Rotfront für dieses Konzert. Danke das feine, das ich schon vor einigen Jahren im Café Burger erleben durfte. Und danke für alle weiteren!
Zensuren beim Jahresendkonzert der Grundschule Eichwalde
Die Kinder singen und alle freuen sich. Wenn die Grundschule zum Jahresendkonzert (es heißt tatsächlich so) lädt, dann überhören Mutter und Vater schon mal den nicht ganz getroffenen Ton. Dann singen die Kinder mit Inbrunst vor einem Publikum, das sich genau darüber freut, dass sie sich das trauen. Dieser doppelte Stolz von Kindern und Eltern ist mehr als nur schön – er ist bereichernd und verbindend. Ja, er erzeugt so etwas wie ein Gefühl von Schulfamilie.
Wenn da nicht dieses Gerede von Zensuren wäre. Spricht man die Zuschauer mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ oder „Hallo Leute“ an? Eine der Schüler-Modeatorinnen hat folgende Antwort: „Wenn es gut klappt, können wir doch gute Zensuren bekommen.“ Und gut klappt es natürlich nur, wenn es „Sehr geehrte Damen und Herren“ heißt. Was hat das Gerede von Zensuren auf einem Schulkonzert zu suchen? Warum wird das ganze dann später noch gesteigert: „Wenn wir ein Gedicht in Englisch aufsagen, können wir vielleicht zwei Zensuren bekommen!“. Eine für Vortrag und eine für Englisch!
Warum müssen die Kinder selbst an diesem Abend weit nach Schulschluss noch über Zensuren schwadronieren? In einem Moment, in dem auch schlechtere Schüler Anerkennung für ihre musikalische Darbietung bekommen. Dann, wenn weder Eltern noch Schüler – und hoffentlich auch die Lehrer – nicht an Noten denken?
Vielleicht war es ja nur ironisch gedacht? Aber selbst wenn das der Fall war, zeigt es doch, dass in der Wahrnehmung der Verantwortlichen dieser Grundschule Noten das wichtigste sind. Sonst gäbe es ja gar keinen Grund, das Thema in das Schulkonzert zu schleppen.
Das übrigens war schön. Auch wenn die Erwartungen auf ein weihnachtliches Konzert nicht erfüllt wurde. Dafür war von HipHop bis Adele und dem Cowboy Jim aus Texas eine enorme Bandbreite zu hören. Und ganz am Ende dann auch noch ein Weihachtslied, bei dem die ganze Halle mitsang.