Timm Beichelt erforscht Fußball und Macht

(Foto: Andreas Oppermann)Timm Beichelt liebt den Fußball. Er ist davon fasziniert davon, wie sehr dieses Spiel die Menschen begeistert. Und er versucht zu verstehen, wie es möglich ist, dass trotz Kommerzialisierung, Korruption und Kumpanei mit den Autokraten dieser Welt die Faszination für den Fußball stärker bleibt, als der Widerwillen gegen die miesen Seiten des Sports. Als Politikwissenschaftler hat er genau in dieser Diskrepanz einen spannenden Forschungsgegenstand gefunden. „Ersatzfeldspieler – Zum Verhältnis von Fußball und Macht“ ist das lesenswerte Ergebnis von Beichelts Begeisterung und Forschung.

Michael Ebmeyer sortiert Schwarz-Rot-Gold bei der WM

Michael Ebmeyer: Das Spiel mit Schwarz-Rot-GoldHeute wehen sie wieder überall: die Fahnen in schwarz-rot-gold. Selbst 1990, als Deutschland das letzte mal Weltmeister wurde, gab es das in dieser Form nicht. Trotz „Wir sind ein Volk“ und deutscher Einheit war die deutsche Fahne damals noch nicht selbstverständlich. Der Autor Michael Ebmeyer hat dieses Phänomen in einem Essay beleuchtet. Und wirklich Erhellendes dazu geschrieben.

Für Ebmeyer waren deutsche Fahnen in den 80er-Jahren genauso fremd wie mir. Wer sich damit zeigte, stellte ein seltsam zurückgewandtes Weltbild zur Schau. Noch heute wirkt auf ihn die schwarz-rot-gold-selige Beflaggung nicht unbedingt sympathisch. Aber Ebmeyer verharrt nicht in solchem Denken. In seinem schlauen Büchlein sucht er, was der gerade heute wieder zu erlebende Umgang mit dem Staats-Symbol wohl bedeutet. Natürlich findet er rechte Dumpfbacken. Aber er erinnert auch daran, wann und wo sich die schwarz-rot-goldene Ausgelassenheit beim Fußball eingestellt hat. Das war erstmals bei der WM 2002 in Berlin. Und dann 2006 natürlich in Berlin und dem ganzen Land. Es waren vor allem Migranten, die sich mit der deutschen Fahne als Teil eines Landes präsentierten, das schon viel weiter war, als es viel politisch Verantwortlichen noch wahrhaben wollten.

Es waren diejenigen in der bunten Republik, die in der multikulturellen Nationalelf eine Möglichkeit zur Identifikation mit ihrer eigenen Heimat, mit Deutschland entdeckten. Und die dies genauso auslebten, wie mit ihren türkischen oder anderen Bezügen. Nämlich durch das Zeigen der Flagge. Ebmeyer schafft es, dies alles in einen Kontext zu stellen, der tatsächlich den Fußball und seine Identifikationskraft in den Mittelpunkt stellt. Dabei scheut er auch nicht davor zurück, Adorno in Frage zu stellen und Luhmann als theoretisches Rüstzeug zur Argumentation heranzuziehen. Und ist in diesem schmalen Bändchen ein intelligenter Essay zu lesen, der Spaß macht. Und nachdenklich. Und Hoffnung darauf, dass dieses schwarz-rot-gold vor allem eins nicht mehr ist: rückwärts gewandt und spießig. Sondern links, weltoffen und multikulti.

Michael Ebmeyer: Das Spiel mit schwarz-rot-gold. Kein & Aber, 7,90 Euro.