Florian Illies entdeckt die Kraft des Jahres 1913

Florian Illies: 1913 - Der Sommer des JahrhundertsWas für ein furioser Beginn eines Buches. Der zwölfjährige Louis Armstrong schießt mit einem Revolver. Und als nächstes betritt der bis über beide Ohren verliebte Franz Kafka die Bühne. Und dann kommt Stalin in Wien an, Sigmund Freund streichelt eine Katze. Und so geht es weiter. Immer weiter. Ein bedeutender Name nach dem anderen wird von Florian Illies im Januar 1913 beobachtet. Sie alle haben vordergründig nichts miteinander zu tun. Aber doch sind sie miteinander verbunden. Zumindest mit der Gleichzeitigkeit ihres Lebens.

Die Idee von „1913“ ist simpel und genau dadurch so bestechend. Faszinierend, was alles 1913 passierte. Der Januar und der Februar ziehen den Leser in ein Jahr, in dem kulturell so viel passierte. Und natürlich lauert irgendwie der 1. Weltkrieg auf Thomas Mann, die Künstler der Brücke oder Pablo Picasso. Florian Illies ordnet sie und Adolf Hitler, Arnold Schönberg, Gertrude Stein und viele andere parallel an. Vielfach haben die Fäden, die er mit ihnen spinnt nichts miteinander zu tun. Und doch formt sich im Kopf des Lesers ein Bild von einer faszinierenden Zeit, in der sich Kunst, Musik, Literatur und die Gesellschaft neu formieren.

Genau das ist die große Leistung des Buches. Immer dann, wenn Illies die Ereignisse ohne eigenen Kommentar nebeneinander stellt, ist der Text stark. Der einzige, der dabei stört, ist Illies selbst. Sein bedeutungsschwangeres Raunen verstärkt die Wirkung nicht, sondern raubt ihr den Zauber. Der Autor vertraut seiner Idee und seiner Fähigkeit zu schreiben offenbar nicht. Und so stört er das Puzzle der Ereignisse und Erlebnisse aus dem Jahr 1913 mit seinem Wissen, stellt es aus und in den Vordergrund. Das ist schade. Denn Illies selbst stört das Buch, das er doch selbst geschrieben hat. Ja, er stört so sehr, dass der Sog des Textes immer dann verflacht, wenn er und nicht seine Protagonisten mit ihren verbürgten Erlebnissen auftaucht.

Doch trotz dieser Schwäche, die das Weiterlesen schwer macht, ist das Sammelsurium dieses außergewöhnliches Kalendariums ein beachtenswertes Buch.

„Die verlorene Bibliothek“ von Walter Mehring gibt es endlich wieder

Walter Mehring: Die verlorene Bibliothek - Autobiografie einer Kultur
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Der kleine Elster Verlag aus Zürich nimmt sich Walter Mehring an. Vor wenigen Tagen ist „Die verlorene Bibliothek“ hier in einer neuen Ausgabe erschienen. Inhaltlich handelt es sich um eine Neuauflage der Textfassung aus der von Christoph Buchwald herausgegebenen Werkausgabe im Claassen Verlag. Und damit um die letzte von Walter Mehring bearbeitete Fassung.