Berlin feiert die 17 Hippies

17 Hippis im Kesselhaus
17 Hippis im Kesselhaus

30 Instrumente sind es bestimmt, die das Dutzend Hippies, die sich 17 Hippies nennen, auf der Bühne zum Einsatz bringen. Von der leisen Blockflöte bis zur lauten Posaune, von der zarten Violine bis zur kreischenden Säge, von der zarten Ukulele bis zum wummernden Bass, die Palette der Instrumente ist genaus vielfältig wie die Bandbreite des Stilmixes.

Niemand in dem ausverkauften Konzert der „Phantom Songs-Tour“ kann angesichts der Vitatlität auf der Bühne ruhig bleiben. Alle feiern mit, wippen mit, klatschen mit uns singen mit. Wobei das mit dem Singen etwas schwer fällt. Die aktuelle Platte ist ja erst seit einigen Wochen im Handel. Selbst die besten Fans können die Texte nicht. Aber sie lassen sich alles auf das Neue ein. Das fällt bei den Hippies natürlich recht leicht, weil die neuen Songs ganz in der Tradition der älteren stehen. Das Publikum weiß, was es erwartet. Und die 17 Hippies enttäuschen es nicht.

Erstaunlich viele Songs feiern die reine Musikalität. Sie verzichten auf Gesang. Sie treiben in türkischen, jüdischen, französischen oder amerikanischen Rhythmen die Palette der Instrumente über die Bühne durchs Ohr der Zuhörer dirket in deren Beine. Das ist Unterhaltung, wie sie besser kaum sein kann. Wer die CDs der Hippies schon mag, wird von der Kraft der Live-Darbietung regelrecht weggefegt. Das Bühnenerlebnis ist eine unglaubliche Steigerung der Konserven.

Das liegt auch am perfekt abgemischten Sound. Nicht zu laut und doch laut genug ist kein einziges Instrument übersteuert. Jeder Sänger bekommt den Raum für seine Stimme, um in en kraftvollen Bläsersätzen oder dynamischen Streicherteppichen nicht unterzugehen. Kurz: Ein perfektes Konzert! Wobei perfekt hier nicht aseptischen meint, sondern das emotionale und musikalische Gegenteil.

17 Hippies werden ruhiger

17 Hippies: Pantom Songs
17 Hippies: Pantom Songs

Ganz ruhig geht es auf dem neuen Album der 17 Hippies zu. „Phantom Songs“ steht im Zeichen der Ballade. Faszinierend ist, was die vielköpfige Berliner Band daraus macht. Sie erhält ihren unverwechselbaren Sound, der sich aus Elementen klassischer Rockmusik genauso zusammensetzt wie aus denen von jüdischer, französischer und osteuropäischer Musik. Vor allem wenn die Bläser wie bei „Biese Bouwe“ den Ton angeben, wird der Sound kräftiger. Dann wird aus einem albanischen Volkslied eine hessische Ballade über Böse Buben auf einem wunderbaren Sound-Teppich aus Reggae und treibendem Balkan-Beat. Spannend ich auch “Across Waters”. Es klingt zunächst wie “Mr. E” von Barclay James Harvest. Die Harmonien ähneln sich sehr. Und so locken die Hippies den Hörer in Erinnerungen aus den 80er Jahren, um dann aber ein trauriges Lied über Kriegserlebnisse zu singen. Das ist musikalisch und textlich sehr gut gemacht und sorgt für Gänsehaut. Auch dieses zehnte Album ist mit seinen 13 Songs vollständig gelungen. Am 14. und 15. Mai stellt es die Band im Berliner Kesselhaus live vor. MOZ-Rezension…

17 Hippies machen Musik mit Tradition

17 Hippies
17 Hippies

„El dorado“ heißt das neue Album der 17 Hippies aus Berlin. 20cent hat sich mit Sängerin Kiki Sauer (43) über die Musik der Hippies und das neue Album unterhalten.

Die 17 Hippies waren gerade in den USA auf Tour. Wie kommt die Band da an?

Super. Amis haben schon viel gesehen. Sie haben keine Scheu vor genreübergreifenden  Sachen. Das, was wir machen, kennen sie noch nicht – vor allem unsere Energie auf der Bühne.

Gibt es auch Widerstand, weil Deutsche versuchen, jüdische Traditionen zu beleben?

Das haben wir bisher nicht erlebt.

Und wie ist es in anderen Ländern, in Frankreich?

Frankreich hat viele Bands, die ähnliche Musik wie wir machen. Im Gegensatz zu uns  Deutschen leben die Franzosen eine Tradition, auf die sie stolz sind. Jedes Dorf hat eine Band, die bei Festen für Party sorgt.

Was ist in Deutschland anders?

Unsere Tradition ist gebrochen. Wir können keine deutsche Volksmusik spielen. Das will keiner hören. Jedes Land braucht eigentlich seine Volksmusik, um sich zu identifizieren.  Bei den Deutschen ist das abgeschnitten worden. Mittlerweile lässt das nach.

Woran liegt das?

Zum Beispiel an Berlin. Berlin ist der Hotspot in Europa. Egal, wo wir hinkommen, ob wir in Montreal oder in Chicago spielen, alle wollen, dass wir von Berlin erzählen, weil es so toll sein soll. Auch in Frankreich ist Berlin ganz wichtig.

In Deutschland gibt es auch andere Bands wie La BrassBanda aus Bayern, die traditionelle Musik mit Balkanbeats kombinieren.

Die Hälfte der Band kommt aus der Rockmusik. Wir wollten eigentlich was anderes machen. Doch dann haben wir uns akustische Instrumente zugelegt. Und versucht, etwas
anderes, etwas Neues zu machen.

Wie entsteht aus unterschiedlichen Einflüssen ein Album?

Wir sind halt wir. Ich stelle mir das immer vor wie einen großer Topf. Da wird immer was reingeschüttet. Und umgerührt. Eigentlich ist es egal, aus welcher Tradition die Idee kommt, wenn wir es spielen, klingt es nach Hippies.

Wo kommen die Ideen her?

Eine Band, die so viel tourt – auch weltweit, nimmt viele Einflüsse auf. Jetzt waren wir in Amerika, im Herbst in China, im Mai in Algerien. Dazu kommt immer Europa mit
Frankreich, Spanien und ganz neu auch England. Dabei sind wir lang zusammen. Das führt dazu, dass wir wie eins denken. Wenn einer ein Stück schreibt oder wir Stücke von außerhalb – aus Polen oder Russland – dazunehmen, müssen wir etwas damit anfangen können. Dann wird es gut.

Wenn ich Ihre Stimme höre, tauche ich in Melancholie ein.

Ja, das ist meine zweite Seite. Ich weiß auch nicht, woher das kommt. Ich empfinde das meist dann gar nicht so melancholisch, wie es rüberkommt.

Dieses Interview mit Kiki Sauer ist am 5. Februar 2009 in 20cent erschienen.