Machtergreifung: Ein Polit-Thriller über die AfD

Seit Jahren trägt der Verfassungs etliche Belege für Verstöße der AfD gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zusammen. Nun verarbeitet ein ehemaliger Anhänger seine Erfahrungen mit den rechtsextremen Tendenzen in einem Thriller. 

Kaum ist die Bundestagswahl vorbei, brechen bei der AfD auf offener Bühne die Grabenkämpfe der gegensätzlichen Flügel wieder auf. So geschehen beim Auftritt der Partei-Vorsitzenden am Montag bei der Bundespressekonferenz.

Fiktion auf realer Basis

Im Kern geht es dabei um die Anhänger des verfassungsfeindlichen Flügels, der sich offiziell aufgelöst hat, und um die Moderateren, die sich als bürgerlich verstehen. Mit der Gedankenwelt dieser AfD setzt sich aktuell auch der Roman „Machtergreifung“ von Ferdinand Schwanenburg auseinander.

Der Polit-Thriller erzählt, wie ein kleiner Zirkel von eingefleischten Nazis versucht eine „Deutschlandpartei“ so in den Griff zu bekommen, dass am Ende eine Machtergreifung möglich wird. Vorbild der Deutschlandpartei ist dabei natürlich die AfD. Der Führer der eigeschworenen Gruppe, von seinen Gefolgsleuten „Kommandeur“ genannt, ist ein kleiner Mann, der dem ehemaligen Brandenburger AfD-Chef Andreas Kalbitz in den Beschreibungen durchaus ähnelt. Und auch sonst gibt es viele Momente, Figuren und Ereignisse, die an die ganz reale AfD erinnern.

Der Blick ins Innere

Aber „Machtergreifung“ ist dabei immer Roman und kein Sachbuch. Der Autor fügt die politischen Entwicklungen in Österreich, vor allem aber in Deutschland, zu einem stimmigen, düsteren Bild zusammen. Für Leserinnen und Leser öffnet sich dadurch ein Blick ins Innere des rechtsextremen Flügels und seine Bezüge zum Nationalsozialismus. Der Autor wagt sich dabei an die Frage, was daraus werden könnte, wenn alle anderen Parteien versagen.

Wie es sich für einen Thriller gehört, wird in dem Buch auch gemordet. Der Kommandeur und seine Entourage ist dazu bereit, Kontrahenten auf jede nur erdenkliche Art aus dem Weg zu räumen. Das reicht von Diskreditierung über Erpressung bis hin zum Mord. Aber da, wo sich Schwanenburg von der Realität verabschiedet, denkt er das Auftreten und Agieren etlicher realer Köpfe des verbotenen Flügels konsequent zu Ende. Dazu gehört auch das Zusammenspiel mit der rechten Zeitung Junge Freiheit oder anderer Akteure im rechten Spektrum.

Autor aus der Szene

Ferdinand Schwanenburg ist mit der Szene vertraut und arbeitet für sein Buch unter einem Pseudonym. Eigentlicher Name des Verfassers ist Christian Hirsch. Er war Mitarbeiter dreier AfD-Landtagsfraktionen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Zuvor lebte Hirsch viele Jahre in Frankfurt (Oder). So studierte er an der Europauniversität Viadrina und war als Volontär bei der IHK Ostbrandenburg tätig. Er war freier Mitarbeiter im Frankfurter Studio des rbb und später Pressesprecher des ehemaligen Oberbürgermeisters Martin Wilke.

Er selbst sagt von sich, dass er am Tag nach der Bundestagswahl 2017 mit seiner „Ent-AfD-ifizierung“ begonnen habe. Und zwar als einer derjenigen, die zur Spaltung der AfD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern beitrug und dann von Oktober 2017 bis März 2019 Fraktionsgeschäftsführer der Fraktion Bürger für Mecklenburg-Vorpommern (BMV) im Landtag war – der AfD-Abspaltung. Im April 2019 wechselte Hirsch dann zurück in die Unternehmenskommunikation. Derzeit leitet er die Abteilung Medien und Politische Kommunikation eines mittelständischen Unternehmens in Niedersachsen. Seine Jahre bei der AfD und die Bekanntschaft mit rechtsextremen Abgründen arbeitet er nun mit dem Roman auf und macht glaubhaft, dass er sich von der Partei vollständig abgewendet hat.

Lohnt sich die Lektüre?

„Machtergreifung“ ist ein packendes Buch mit einigen Abstrichen. So dauert es, in die Geschichte einzusteigen. Dabei mutet es zum Teil hölzern an, wenn aus der CDU die Christpartei oder aus den Grünen die Ökopartei wird. Leserinnen und Leser, die sich auf die fast 500 Seiten einlassen, werden dafür aber mit einem erschreckenden, aktuellen und abgründigen Roman über die AfD belohnt, der eine Bewegung greifbarer macht als so manches Sachbuch.

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