Island klagt Ex-Premier vor dem Reichsgericht an

Die Konzerthalle Reykjaviks vom Wasser aus.
Die Konzerthalle Reykjaviks vom Wasser aus.

Nach heftigen Debatten wird der ehemalige isländische Regierungschef Geir Haarde angeklagt. Er muss sich vor dem Reichsgericht für die große Bankenpleite vor zwei Jahren verantworten. Haarde ist damit der erste Politiker weltweit, der wegen des Finanzcrashs vor Gericht muss. Island geht mit dem Verfahren in die nächste Runde der Aufklärung. In der ersten untersuchte eine parlamentarische Untersuchungskommission die Vorfälle.

Der konservative Haarde stellte sich den Fragen der Parlamentarier ebenso wie die ehemalige sozialdemokratische Außenministerin Ingibjörg Sólrun Gisladóttir. Ihr, Haarde und zwei weiteren Ministern war von der Kommission „grobe Fahrlässigkeit“ bescheinigt worden. Dennoch konnte sich der Althing, Islands Parlament, nur zur Anklage Haardes durchringen. Hintergrund des Verfahrens ist die de facto nicht existente Bankenaufsicht Islands vor der Krise.

Der nordatlantische Inselstaat mit seinen 320.000 Einwohnern etablierte sich als Steuerparadies. Die Rahmenbedingungen dafür hatte die Politik geschaffen. Vor allem die drei Banken Kaupthing, Landsbanki und Glitnir profitierten davon. Sie lockten Kapital aus der ganzen Welt an. Doch als im Herbst 2007 die Finanzkrise begann, kamen die drei Banken ins Trudeln. Grund dafür war vor allem der rege internationale Handel mit riskanten Wertpapieren. Um den Bankrott abzuwenden, wurden die Banken im Oktober 2008 verstaatlicht. Kurz darauf zerbrach die Regierung.

Im Februar 2009 wechselten die Sozialdemokraten zu den Grünen. Seitdem ist die Sozialdemokratin Jóhanna Sigurdardóttir Ministerpräsidentin. Die Verstaatlichung hat dazu geführt, dass Island die Schulden der Banken übernommen hat. Vor allem die Niederlande und Großbritannien bestehen auf dem vollständigen Schuldendienst. Dabei geht es um gut 3 Milliarden Euro, die Privatanleger und institutionelle Investoren den Banken anvertrauten. Diese taten das natürlich wegen der hohen Zinsen, die Kaupthing und Co. versprochen hatten. Doch der Verweis auf die Risikobereitschaft der britischen und niederländischen Anleger verfängt nicht. Und so muss jeder Isländer statistisch etwa 10 000 Euro allein dafür aufbringen.

Viele Isländer werfen Haarde vor, dass der Neoliberale nichts gegen die aggressive Expansion der isländischen Banken unternommen hat. „Fahrlässigkeit“ lautet jetzt die Anklage vor dem Reichsgericht, das zum ersten mal seit seiner Gründung 1905 zusammentreten wird. Es besteht aus Juristen und vom Parlament gewählten Vertretern. Die mangelnde Erfahrung des Gerichtes und die damit verbundenen juristischen Probleme waren für die Gegner der Anklage Haardes das zentrale Argument gegen eine Anklage.

Ragnheidur Arnadottir, die konservative Fraktionschefin, sagt zudem: „Nichts hätte ab 2006 den Crash verhindern können.“ Auch die Sozialdemokratin Anna Margrét Gudjonsdóttir ist sich sicher, dass die Hauptverantwortlichen die Banker waren. Doch ihr Vorwurf an Haarde lautet: „Im Kabinett muss über Probleme diskutiert werden, über die Banken wurde nie geredet.“ Das Verfahren vor dem Reichsgericht soll nun klären, wie fahrlässig der Regierungschef war. Deren Auswirkungen merken die Isländer überall: Ihre Krone ist im Ausland nichts mehr wert. Die Preise für Strom und heißes Wasser mussten in Reykjavik erhöht werden. Die Arbeitslosenquote beläuft sich auf ungewohnte neun Prozent. Prestigeprojekte wie die Konzerthalle in der Hauptstadt verzögern sich. Und der Internationale Währungsfond zwingt Island zu einem harten Sparkurs.

Grüne diskutieren Energiewende

Auf ihrer ersten Sommerkonferenz haben die Brandenburger Grünen am vor allem über nachhaltige Wirtschaftspolitik diskutiert. Bundeschef Cem Özdemir versprach in Beeskow: „2013, wenn wir im Bund wieder Verantwortung übernehmen, machen wir die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke wieder rückgängig.“

Dieses Selbstbewusstsein kam bei den Brandenburger Grünen sehr gut an. Auch wenn es für die meisten anwesenden Parteimitglieder noch ungewohnt ist. Nicht einmal 800 Mitglieder hat die Partei im gesamten Land. Die meisten Aktiven kennen sich. In vielen Stadtverordnetenversammlungen und Kreistagen sind sie nicht einmal in Fraktionsstärke vertreten, etwa in Cottbus oder Oder-Spree. Dort sind sie Fraktionsgemeinschaften mit der SPD eingegangen. Eine eigenständige grüne Politik ist so kaum möglich.

Die meisten der 150 Teilnehmer der Sommerkonferenz am Sonnabend in der Beeskower Burg fühlen sich fast wie auf einem Familienfest. Umso ungewohnter sind die Gäste, die mit ihnen über Nachhaltigkeit, Wirtschaft und Konflikte zwischen Naturschutz und dem Ausbau Erneuerbarer Energien diskutieren.

Ralf Christoffers (Linke), Brandenburgs Wirtschaftsminister, hat die Einladung ebenso angenommen wie Doro Zinke, DGB Vorsitzende Berlin-Brandenburg, oder Kurt-Christian Scheel vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Sie alle suchen den Dialog mit der kleinen Partei, die vor einem Jahr nach langer Pause wieder in den Brandenburger Landtag eingezogen ist. Und natürlich mit der Partei, die bundesweit in den Umfragen derzeit auf bis zu 17 Prozent kommt.

Das derzeitige Hoch der Grünen freut Cem Özdemir auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist er sich bewusst: „Unsere Programme werden jetzt mit dem Taschenrechner gelesen.“ Unrealistische Forderungen sind ihm suspekt. Aber das Beispiel Erneuerbare Energien zeige auch, dass zunächst ungewöhnliche Ideen durchaus realistisch sein können: Heute sei es Konsens, dass die Energiegewinnung vollständig auf Erneuerbare Energien umgestellt werden müsse. Es gehe nur noch um den Zeitpunkt. Als sie das Thema von 20 Jahren erstmals auf die Agenda gesetzt hätten, wären sie nicht ernst genommen worden. Dank grüner Politik wie dem Erneuerbare-Energien-Gesetz arbeiteten heute 300 000 Menschen in der Branche; viele davon in Brandenburg.

Wie diese Rahmenbedingungen weiterentwickelt werden können, bestimmte die Diskussionen des gesamten Tages. Axel Vogel, Fraktionschef der Grünen im Landtag, forderte im Einklang mit Doro Zinke, dass das Vergabegesetz ökologische und soziale Aspekte beinhalten müsse. Der Entwurf der Landesregierung bliebe hinter dem Berlins zurück.

Da der Ausbau von Wind- und Solaranlagen auch Konflikte produziert, haben sich die Grünen in Beeskow auch darauf vorbereitet. Für die Uckermark hatte Vogel dabei einen ungewöhnlichen Vorschlag. Dort gibt es eine Initiative, die den Bau einer überirdischen Hochspannungsleitung unter die Erde verlegt wissen will. In Thüringen wird genau gegensätzlich diskutiert. Deshalb sollten die Projekte einfach getauscht werden. Beide Regionen wären mit dem Netzausbau versöhnt.

Über diesen pragmatischen Ansatz musste Christoffers schmunzeln, will ihn aber aufnehmen. Einen guten Rat hatte er für die Grünen obendrein: „Bei Konflikten hilft nur reden. Nur so können die Menschen überzeugt werden. Aber dann muss auch entschieden werden.“ Für Christoffers heißt das, dass nach Abwägung aller Sicherheitsaspekte Kohlendioxid bei Beeskow gespeichert werden könnte. Auch wenn Initiativen und Grüne strikt dagegen sind.

Raus aus der Nische

Mit dem Erfolg wächst die Verantwortung. Darüber sind sich die Grünen in Brandenburg einig. Zwar erlaubt es die Rolle als Oppositionspartei gegen vieles zu sein, was die rot-rote Landesregierung will.

Doch ist dieses Dagegensein nicht das, was die kleine Partei wirklich will. Auf der Sommerkonferenz in Beeskow hat sie den Anspruch formuliert zu gestalten. Schon jetzt hat sie ernsthaft überlegt, welche Konflikte das mit sich bringen wird. Ob der Gegensatz von Vogelschutz und Windkraft oder der generelle Protest von Initiativen gegen den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Grünen suchen den Dialog, um die reine Öko-Nische zu verlassen.

Das ist sinnvoll. Und kann dazu führen, sich im Land stärker zu verankern. Denn sollten aus den guten Umfragewerten auch gute Wahlergebnisse werden, ist ein breites und überzeugendes Personalangebot notwendig. Nicht einmal 800 Mitglieder wie derzeit sind dafür eindeutig zu wenig. MOZ-Kommentar…

Platzeck stellt MOZ-Buch über Brandenburg vor

Die Brücke über die Oder steht an diesem Wochenende im Mittelpunkt des Brandenburg-Tags in der Stadt Schwedt (Uckermark). Auf dem zweitägigen Landesfest wird auch das 20. Jubiläum von Brandenburg gefeiert. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) betonte gestern auf einer Pressekonferenz, dass er sich kaum eine bessere Stadt für die Feier vorstellen könne. „Schwedt steht stellvertretend für viele märkische Geschichten von Umbruch und Aufbruch“, sagte der Ministerpräsident. Insbesondere die Themen Deindustrialisierung und demografischer Wandel spiegeln sich in der Stadt an der Oder wider. Sie steht aber auch für eine neue Leistungsfähigkeit der Industrie und die Freundschaft zum Nachbarn Polen.

Schwedts Bürgermeister Jürgen Polzehl (SPD) rechnet am Wochenende mit bis zu 100 000 Besuchern. Nach der Eröffnung am Sonnabendvormittag, zu der auch Ministerpräsident Platzeck erwartet wird, stehen viel Musik sowie ein abendliches Spektakel auf der Oder-Brücke auf dem Programm. Am Sonntag ist ein Festumzug geplant. Erwartet werden zu dem diesjährigen Landesfest auch bekannte Künstler wie Ute Freudenberg und Jennifer Rush. Stadt, Land und Sponsoren finanzieren das Fest mit rund 400 000 Euro.

„Die Brücke ist nicht ohne Grund im Signet des Brandenburg-Tags,“ betonte Polzehl. Das Fest richte sich auch an die polnischen Nachbarn. Auf dem Logo treffen sich Adler und Pipeline zum Rendezvous. Für den Bürgermeister ist das auch eine Verbindung zwischen Nationalpark und moderner Industrie.

Die Märkische Oderzeitung gibt zu den Feierlichkeiten zwei neue Bücher der Edition „Einst und Jetzt“ heraus. Chefredakteur Frank Mangelsdorf stellte die Bände über das Land Brandenburg und die Stadt Schwedt gestern auf der Pressekonferenz in Potsdam vor. Die Bücher bietet auf jeweils 220 Seiten einen Überblick über die Entwicklung des Landes in den vergangenen 20 Jahren. Es werden Aufnahmen von Baudenkmälern oder der Infrastruktur gezeigt – und zwar stets ein Foto aus der Zeit um das Jahr 1990 und ein aktuelles Bild. „In kaum einem Landstrich hat sich in so kurzer Zeit so viel verändert“, sagte Mangelsdorf in seiner Rede. Diesen Wandel zu dokumentieren, ist ein Beitrag der Märkischen Oderzeitung zum Jubiläum. Am Brandenburg-Tag gibt es eine Sonderausgabe für 9,95 statt 17,95 Euro.

Wer sich ein Buch von Ministerpräsident Platzeck signieren lassen möchte, hat dazu bereits morgen im Anschluss an „Einer für Schwedt“ an den Uckermärkischen Bühnen Gelegenheit. Mit dabei ist auch das Autorenteam der Märkischen Oderzeitung. Am Sonnabend signiert MOZ-Chefredakteur Frank Mangelsdorf die beiden Bände von 15 bis 15:45 Uhr auf dem Landesfest im MOZ-Café.