Neugierig war ich auf das Buch, aber auch voller Ehrfurcht. Mehr als 600 Seiten Erinnerungen, Briefe und editorische Hinweise zu einer Frau, die vor 200 Jahren lebte, schüchtern im Alltag doch etwas ein. Wobei sich das nicht auf das Geschlecht, sondern auf die Zeit und ihre Zeitgenossen bezieht, die einem ja doch nicht alle geläufig sind. Aber schon nach den ersten Seiten der Erinnerungen von Henriette Herz sind die Hemmungen weg. Die jüdische Berlinerin, die in ihrem Salon alle wichtigen Geistesgrößen zu Gast hatte, schreibt selbstbewusst, aber zurückhaltend und zieht den Leser ganz schnell in ihr Leben. Dieses faszinierend zu nennen würde nicht genügen, um das auch aus heutiger Sicht noch Besondere zu beschreiben.
Schlagwort: Wilhelm von Humboldt
Partnerschaft auf Augenhöhe
Den Namen Humboldt tragen Schulen und eine Universität. Straßen sind so benannt. Ob damit Alexander oder Wilhelm oder beide geehrt werden, wissen selbst die Lehrer und Professoren nicht. Sicher ist nur, dass Caroline von Humboldt nicht gemeint ist. Hazel Rosenstrauch will das ändern. In ihrem Buch „Wahlverwandt und ebenbürtig – Caroline und Wilhelm von Humboldt“ zeichnet sie das Leben zweier faszinierender Persönlichkeiten nach – und einer außergewöhnlichen Partnerschaft.
Wilhelm von Humboldt ist als der große Bildungsreformer Preußens in die Geschichte eingegangen. Und das, obwohl er nur einige Monate Minister war. Die meiste Zeit in Diensten Preußens war er Gesandter in Rom, Paris oder London.
Doch in Rosenstrauchs Buch geht es weniger um die Leistungen des Mannes, als um das Sittenbild einer Generation, die von der Aufklärung erfüllt und von Sturm und Drang beseelt war. Und dafür ist Caroline von Humboldt sehr bedeutsam. Denn die Thüringer Landadelige steht für einen Typus Frau, den es im späten 18. Jahrhundert in der sich formierenden literarischen Öffentlichkeit nicht nur vereinzelt gab. Caroline war Teil des Freundeskreises, zu dem Schiller genauso gehörte wie Rahel Levin, die spätere Rahel Varnhagen von Ense. In diesen aufgeklärten Kreisen galt die Stimme der Frau sehr viel. Entgegen der Konventionen wurden sogar Scheidungen toleriert.
Das Paar Caroline und Wilhelm von Humboldt lebte eine Ehe auf Augenhöhe. Beide wahrten ihre Autonomie, beide hatten Beziehungen außerhalb der Ehe. Und doch stand für sie nie in Frage, zueinander zu gehören. Wie Hazel Rosenstrauch diese Beziehung anhand der Briefe nachzeichnet, zeugt von viel Einfühlvermögen und einer umfassenden Kenntnis der Zeit. Dabei blendet sie auch nicht die negativen Aspekte aus. Caroline wandelte sich von der aufgeklärt toleranten Frau zur nationalen Antisemitin, während Wilhelm dieser geistigen Seuche gegenüber resistent blieb. Aber auch in diesem Aspekt steht Caroline von Humboldt beispielhaft für die deutsche Geistesgeschichte – und Wilhelm bleibt auch hier die vorbildhafte Ausnahme.
Hazel Rosenstrauch: „Wahlverwandt und ebenbürtig – Caroline und Wilhelm von Humboldt“, Eichborn Verlag, Frankfurt/Main, 333 S., 24,95 Euro