Ingke Brodersen und Rüdiger Dammann erzählen die Geschichte der Juden in Deutschland

Die Geschichte der Juden in Deutschland wird sehr stark auf die Vertreibung und Vernichtung durch die Nazis reduziert. Aber Juden leben schon seit 2000 Jahren hier. Ingke Brodersen und Rüdiger Dammann haben auf 220 Seiten eine kurze Geschichte im Überblick geschrieben.

Sie gehen natürlich auf die Entwicklung des Antisemitismus ein. Aber sie zeigen auch, wie Juden und Christen friedlich zusammenlebten. Und sie machen deutlich, welche wichtige Rolle viele Juden bei der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Entwicklung Deutschlands spielten. Ein gut geschriebenes, leicht verständliches und unverzichtbares Buch.

Brodersen/Dammann ZERRISSENE HERZEN – GESCHICHTE DER JUDEN IN DEUTSCHLAND. FISCHER VERLAG. 19,90 EURO.

Matthias Matusseks abstruses Traktat „Wir Deutschen“

Matthias Matusseck: Wir Deutsche
Matthias Matusseck: Wir Deutsche

15 Jahre war Matthias Matussek als Spiegel-Korrespondent im Ausland. Dann kehrte er zurück und hat „Wir Deutschen“ geschrieben. Ach wäre er doch nur weggeblieben, dann gäbe es dieses abstruse Traktat nicht.

Inzwischen ist Matussek Kulturchef beim Spiegel. Er hat eine lupenreine Karriere als  Konvertit hinter sich. In den 70er Jahren war er Mitglied abstruser K-Gruppen (also westdeutscher kommunistischer Sektierer). Und jetzt ist er glühender Nationalist.
Matussek feiert Selbstverständlichkeiten als Argument für einen neuen deutschen
Nationalismus. Er freut, sich, dass die Landschaft so schön ist, dass das Brot gut
schmeckt, die Infrastruktur gut ist und das Land sicher ist. Und Rockmusik mit intelligenten deutschen Texten hat er auch gehört. Das ist doch allerhand.

Man muss schon sein gesamtes bisheriges Leben blind durch Deutschland gegangen
sein, um all diese Schönheiten erstaunlich zu finden. Wer daraus einen neuen deutschen Nationalismus ableitet, der sollte dringend mal kalt duschen. Denn die Infrastruktur ist auch ohne Nationalismus so fein aufgebaut worden.  Matusseks Buch ist besonders  ärgerlich, weil es so viel Unsinn so verdammt gut erzählt. Denn der Kerl kann schreiben. Ob das all die Nationalisten zu würdigen wissen, denen Matussek mit seinem Text dient, ist aber fraglich.

Matthias Matussek : Wir Deutschen. S. Fischer; Gebunden. 352 Seiten.18,90 Euro. 

Vollborn und Georgescu warnen Eltern vor Marken

Mirita Vollborn und Vlad Georgescu: Konsumkids
Mirita Vollborn und Vlad Georgescu: Konsumkids

Über 1611 Euro verfügen deutsche Kinder zwischen acht und 14 Jahren jährlich. Und an dieses Geld will natürlich die industrie. Marita Vollorn und Vlad Georgescu haben eine Streítschrift gegen die Kommerzialisierung der Kindheit geschrieben. Konsumkids untersucht die Strategien der Marketingspezialisten, mit denen sie schon im Kindergartenalter beginnen, Marken in die Köpfe der Kinder zu brennen. Das beginnt mit dem Fernsehprogramm für die Kleinen und endet mit dem vermeintlichen Zwang zu Markenklamotten in Schule und Freundeskreis. Für Eltern ist dieses Buch lesenswert,
auch wenn es manches zu schwarz malt. Einige Erziehungtipps runden Konsumkids ab.

Marita Vollborn/Vlad Georgescu: Konsumkids – Wie Marken unseren Kindern dne Kopf verdrehen. S. Fischer: 13, 90 Euro

Pass Thru Fire – Alle Texte von Lou Reed

Lou Reed: Pass Thru Fire
Lou Reed: Pass Thru Fire

Lou Reed ist nicht nur einer der genialsten Rockmusiker. In den letzten Jahren veröffentlichte er auch immer wieder Foto-Bände. Seine Lust am grafischen ,Gestalten ist auch Pass Thru Fire anzumerken. Schon während seiner Zeit bei Velvet Underground kam der Texter und Komponist mit Grafik in Berührung. Und zwar der von Andy Warhol. Seine Sammlung aller Songtexte aus 40 Jahren Rockmusik ist davon geprägt.

Denn Lou Reed druckt die nicht nur ab. Er spielt grafisch mit den Buchstaben, der Schrift und der Reproduktion, sodass nicht nur ihr Lesen fesselt, sondern das Betrachten zu einer Komposition fürs Auge wird. Die Übersetzungen von Manfred Allié runden die englischen Originale gekonnt ab.

Lou Reed: Pass Thru Fire – Alle Songs; S. Fischer, 27,90 Euro

Josef Haslinger erzählt wunderbar von Zugvögeln

Eigentlich ist der Untertitel Erzählungen für Josef Haslingers Buch „Zugvögel“ die falsche Ergänzung. Beobachtungen würde den Kern der Geschichten besser treffen. Denn beobachtet hat Haslinger ganz genau. Beobachtet, wie misstrauisch der amerikanische Polizist dem Autofahrer begegnet, beobachtet, wie es dem Fremden in der Ostdeutschen Pampa ergeht, beobachtet, wie die Landbevölkerung mit einem „Fehlgeleiteten“
umgeht …

Im Zentrum dieser Reiseberichte stehen keine historischen Sehenswürdigkeiten oder Landschaften, sondern immer die Menschen. Und diesen gibt Haslinger mit wenigen
Worten eine charakterliche Tiefe und Abgründigkeit. Sie ist allerdings nicht immer frei von Klischees.

Josef Haslinger: Zugvögel, S. Fischer; 18,90 Euro