Der Gast, der wird geehrt, auch wenn er noch so stört

Eigentlich gibt es den Schüleraustausch ja, damit sich Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Ländern kennenlernen, indem sie sich austauschen, indem sie miteinander reden und gemeinsam lachen.

Aber sie sitzt da und sagt nichts. Wenn man sie fragt, schaut sie nur. Manchmal kommt auch ein „Ja“. Häufiger aber ein „Nein“. Am wahrscheinlichsten aber sagt sie: „Wie Du willst.“

Zehn Tage geht das so. Ob beim Frühstück oder beim Abendessen, ob bei der Frage nach der Freizeitgestaltung oder dem gewünschten Lunchpaket. „Wie Du willst.“

Ist das Schüchternheit? Immerhin ist die Gastschülerin aus Frankreich das erste Mal bei einer deutschen Familie. Oder ist das Höflichkeit? Also der Versuch, dem Gastgeber nicht zur Last zufallen?

Aber genau dadurch wird sie zur Last. Weil sie nicht spricht! Weil sie keine Antworten gibt! Weil sie einfach nicht kommuniziert! Das stete Rätseln was sie wohl will, macht die ganze Familie  mürbe. Während sie passiv und inaktiv da sitzt, wächst in der Familie die Aggression. Eine Stichelei hier, ein Genervt-Sein da. Und das nicht nur bei mir.
Dagegen hilft nur das meditative Wiederholen eines schönen Satzes, den mein Vater immer sagte: „Der Gast, der wird geehrt, auch wenn er noch so stört.“ Denn auch Höflichkeit kann stören. Und Schweigen kann nerven. Ja Schweigen kann richtige Wunden schlagen. Aber: „Der Gast, der wird geehrt, auch wenn er noch so still und schweigsam nervt.“