AfD rauf, Linke runter – so wählte Ostbrandenburg

Alle reden nach den Wahlen in Ostbrandenburg von der AfD. Die Anti-Europartei hat aus dem Stand vor allem bei der Europawahl tatsächlich ein erstaunliches Ergebnis erzielt. In Frankfurt holte sie gar mit 12,8 Prozent nach dem schwäbischen Pforzheim das zweitbeste Ergebnis überhaupt in Deutschland. In der Region, in der das Thema Grenzkriminalität den Alltag bestimmt, spielt der Verdruss über die zögerliche Landespolitik bei der Reform der Polizeireform sicherlich eine große Rolle. Viele Ostbrandenburger wollen mehr Polizei. Und sie wollen, dass sie von den etablierten Parteien ernst genommen werden.

Den Eindruck haben sie vor allem bei den Linken offenbar nicht mehr. Sonst ließen sich die dramatischen Verluste bei den Europa- und den Kommunalwahlen für die Linken nicht erklären. Sie stehen in Potsdam in der Verantwortung – und genau dafür werden sie jetzt bestraft, Hinzu kommt, dass viele ältere Linke nicht mehr kandidiert haben. Bei den Jungen ist die Partei aber bei weitem nicht so verwurzelt, wie bei den Alten.

Konkurrenz für die Linken kommt zudem von vielen lokalen Wählergruppen, die sich wie die Gegner der Altanschließergebühren in Bernau oder eine Gruppe junger Familien in Fürstenwalde von der grau gewordenen Partei der Linken nicht mehr vertreten fühlt. Sie haben entweder ganz konkrete Anliegen, gegen die sie protestieren. Und wenn sie protestieren, dann auch immer gegen die Verantwortungsträger der Linken. Oder sie haben neue Ideen und können mit den alten Strukturen von Parteien nichts anfangen.

Genau das könnte auch der Grund sein, weshalb die AfD auf kommunaler Ebene deutlich schlechter abgeschlossen hat als auf europäischer. Hier wirkt sich auch das dürftige Personalangebot massiv aus. Ein Personal, das sich wie mit dem Frankfurter Wilke Möller vorstellen kann, mit der rechtextremen NPD zusammenzuarbeiten.

 

Christine Küster erinnert sich an den 17. Juni 1953 in Fürstenwalde

Christine Küster aus Fürstenwalde.
Christine Küster aus Fürstenwalde.

Christine Küster lebt noch immer in ihrem Elternhaus. Von hier wurde sie vor 60 Jahren, am Abend des 17. Juni 1953 von der Volkspolizei abgeholt. Als junge Sekretärin der Bauunion-Spree protokollierte sie die Streikversammlung der Fürstenwalder Bauarbeiter. Unser Reporter Andreas Oppermann hat Chrstine Küster besucht und über ihre Erinnerungen an den Volksaufstand vom 17. Juni gesprochen.

Wie immer kommt Christine Küster auch am 17. Juni 1953 gegen halb sieben zur Arbeit. Anders als sonst, sind die Arbeiter der Bauunion-Spree in Fürstenwalde aber noch auf dem Hof. Sie diskutieren, was sie im RIAS gehört haben: Die Kollegen der Berliner Stalinallee streiken. Sie wollen sich keine höheren Normen bieten lassen.

Christine Küster: „Wir hatten einen alten Betriebsgewerkschaftsvorsitzenden (BGL),  der auch in der Partei war. Aber die Leute waren damals noch nicht so fanatisch. Es waren ja die Anfänge. Der wusste noch, wie man so Streiks organisiert. Wenn ihr jetzt streiekn wollt, dann müssen wir jetzt erstmal eine Versammlung machen.“

Christine Küster führt dabei das Protokoll. Und sie hält sich an die klare Anweisung des Genossen: „Aber, hat er gesagt, keine Namen dazu schreiben.“

Nach der Versammlung ziehen gut 200 Bauarbeiter ins Fürstenwalder Reifenwerk. Dort schließen sich ihnen die Arbeiter an. Gemeinsam ziehen sie ins Zentrum der Kreisstadt. Es werden immer mehr, die fordern: Freie Wahlen, Wegfall der Leistungsnormen und Preissenkungen für Lebensmittel in HO-Geschäften.

Christine Küster: „Es waren auf jeden Fall weitaus mehr, als am 1. Mai.“

Erst beim Rat des Kreises stockt der Zug. Die Tore sind  verschlossen. Niemand will mit ihnen sprechen. Deshalb kehren sie um, wollen zur SED-Kreisleitung und zur russischen Kommandantur.

Christine Küster: „Da kamen uns plötzlich Russen um die Ecke entgegen, mit Gewehr im Anschlag und Bajonett. Und dahinter kamen Panzer um die Ecke.“

Angst macht sich breit. Die friedliche Menge löst sich in Panik auf. Auch die junge Sekretärin flieht, wird sich jetzt erst bewusst, wie gefährlich Streik und Demonstration waren.

Als die Volkspolizei sie am Abend abholt, verrät sie keine Namen. Auch acht Tage später, als sie ein Stasi-Offizier anwerben will, verweigert sie die Zusammenarbeit.

Christine Küster: „Es war ein gutaussehender, Mann. Ein großer, blonder, hübscher Mann. Aber seine Art. Ich dachte, der sieht nur nett aus, wie so ein SS-Offizier, habe ich gedacht.“

Dennoch macht Christine Küster Karriere. Sie studiert, steigt in die Leitung der Bauunion auf und wird nach dem Ende der SED-Diktatur von den Arbeitern zur Betriebschefin gewählt. Für Kinder und Enkel schreibt die Fürstenwalder Rentnerin jetzt ihre Erinnerungen auf. Denn der 17. Juni hat ihre Haltung gegenüber der DDR geprägt:

„Ich habe schon früher nicht so viel von dem Staat gehalten. Aber danach war mir das klar.“

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