Der Mauerfall und die friedliche Revolution in der DDR jähren sich in diesem Jahr zum 25. Mal. Einer der Akteure in Frankfurt (Oder) war Karl-Ludwig von Klitzing. Schon am 1. November 1989, also acht Tage vor dem Mauerfall, forderte er vor 35.000 Demonstranten auf dem Frankfurter Brunnenplatz: „Wir brauchen eine vollkommene Demokratisierung, Reisefreiheit, Rede- und Pressefreiheit.“ Von Klitzing war Arzt und hat jetzt ein Erinnerungsbuch geschrieben.
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Neues vom Durchgangsarzt: Es geht noch schlimmer
Das Warte-Desaster beim Durchgangsarzt ist steigerungsfähig! Heute war die Tochter nach der Schule gleich zu Beginn der Sprechstunde da. Es ging nicht anders. Auch wenn wir uns so fest vorgenommen hatten, da nicht mehr hinzugehen. Aber die Nachuntersuchung musste sein. Um 15:00 Uhr war das. Doch das Wartezimmer war noch voll. Und zwar von der Sprechstunde zwischen 8:00 und 11:00 Uhr! Schon zwei Tage vorher hatte sie angerufen, um zu erfahren, wann es günstig wäre.
Günstig war es aber nicht. Im Gegenteil. Während beim letzen Mal nach drei Stunden Abwechslung durch das Röntgen organisiert wurde, blieb es diesmal beim Warten. Wahrscheinlich um zu verhindern, dass zu viel Veränderung den Heilungsprozess stört. Deshalb durfte sie wieder sechs Stunden warten. Bis 21:00 Uhr. Sechs Stunden ohne Informationen, sechs Stunden ohne Ansprache – dafür aber mit Praxis-TV. Doch selbst der durfte Feierabend machen. Um 20:00 uhr wurde er ausgeschaltet. Schade irgendwie, dass das mit den Patienten nicht so einfach geht.
Die – oder begleitende Mütter stellen ja Fragen. Auch nach den Wartezeiten. Was nicht so gut ankommt. Das ist nach so viel Arbeitsstunden der Ärztin irgendwie verständlich, aber besser macht es das auch nicht. Nach der Tochter waren übrigens noch gut zehn Patienten im Wartezimmer. Ob sie auch sechs Stunden gewartet haben? Oder gar sieben? Oder acht? Irgendwann verschwimmt das bestimmt. Vor allem wenn noch etwas Schmerz dazu kommt.
Zumutungen beim Durchgangsarzt in Wildau
Okay. Wir hätten auch früher da sein können. Nicht erst um neun Uhr, sondern schon um acht. Aber wahrscheinlich hätte das auch nicht viel gebracht. Tochters Handgelenk tat weh. Da sie auf dem Schulweg gestürzt war, war die freie Arztwahl ausgesetzt. Wir mussten zum Durchgangsarzt. Der in diesem Fall eine Frau in Wildau war.
Die Warteräume sind völlig überfüllt, als wir ankommen. Bei der Anmeldung warten wir in einer kleinen Schlange. Die Arzthelferin sitzt nicht an einem Schreibtisch oder Begrüßungstresen. Die Helferin der Durchgangsärztin sitzt in einem anderen Raum, um mit dem Bittsteller zu kommunizieren, öffnet sie ein kleines Fensterchen, nicht größer als eine Schießscharte. Blickkontakt ist nicht gewünscht, nur das Profil der Protokollierenden ist zu sehen. So darf der Patient, der beim Durchgangsarzt in der Regel mit einem Bruch, einer Verstauchung oder Prellung – auf jeden Fall aber mit Schmerzen – aufschlägt, sein Behandlungsgesuch aufgeben. Bis ihm gesagt wird, dass er doch erst einmal Platz nehmen soll.
Wir saßen dann da. Nicht eine Stunde, auch nicht zwei, sondern tatsächlich geschlagene drei Stunden, in denen sich niemand um die Patientin kümmerte. Dann erst wurde die Tochter aufgerufen. Aber nicht um behandelt zu werden. Nein. Nur um einen Überweisungszettel zu bekommen. Zum Röntgen. Welch Überraschung! Drei Stunden warten, um zum Röntgen geschickt zu werden. Aber immerhin passierte etwas. Auch wenn diese Überweisung schon bei der Anmeldung hätte erfolgen können.
Nach dem Röntgen wieder warten. Da saßen wir wieder. Und waren uns sicher, dass es jetzt nicht mehr lange dauern kann. Aber was sind schon Sicherheiten bei der Durchgangsärztin in Wildau? Wenn überhaupt etwas sicher ist, dann ist es die Mittagspause. Die hält die Praxis ein. Um 13.00 Uhr kehrt Ruhe ein. Die Wartenden sind ja eh ruhig, haben sich nach so vielen Stunden des Ignoriert-Werdens ihrem Schicksal ergeben. Jetzt wird auch niemand mehr aufgerufen. Jede Hoffnung auf Behandlung entschläft.
Bis es nach einer halben Stunde wieder losgeht mit dem Aufrufen der Patienten. Wir werden kurz vor drei vorgelassen. Um dann erst einmal in einem Behandlungszimmer zu sitzen – und zu warten. Aber jetzt sind es nur fünfzehn Minuten, in denen grimmig blickendes Personal den Raum passiert, bis sie endlich kommt: die Durchgangärztin! Ein Blick aufs Röntgenbild. Zur Sicherheit auch ein zweiter und ein dritter. Und dann endlich die Diagnose: Die Wachstumsfuge ist noch nicht dicht. Die Tochter wird also noch etwas wachsen. Und sonst? Schwer zu sagen, meint die Durchgangsärztin. Wir könnten es mit Gips oder Verband versuchen. Wie Tochter es will. Und dann sollten wir eine Woche schauen. Und in einer Woche gerne wiederkommen.
Wiederkommen? Und wieder warten? Sechs Stunden rumsitzen? Das geht uns sofort durch den Kopf. Aber wir sind zu ermattet, um Widerstand zu leisten. Das Warten betäubt den Geist. Erst an der frischen Luft belebt er sich langsam wieder. Erst zu Hause, regt sich die Empörung über dieses Praxis-Erlebnis. Und erst dann sind wir uns ganz sicher, dass wir in einer Woche hier nicht mehr warten werden. Hier nicht!
Wenn dem Arzt der Anstand fehlt
„Das Melanom ist der gefährlichste Krebs.“ Da sagt der Hautarzt mit dem nötigen ernst. Lediglich zwei oder drei andere wären vergleichbar fatal. Deshalb sei die Vorsorge auch so wichtig. Das leuchtet ein. Deshalb lässt man sich die Haut vom Spezialisten absuchen. Mit dem bloßen Auge macht das der Herr im weißen Kittel. Denn die Benutzung einer Lupe würde 15 Euro extra kosten.
Nun mag es schon absonderlich sein, dass die Gebührenordnung für Kassenärzte die Verwendung der Lupe nicht vorschreibt. Vielleicht wird sie sogar bewusst ausgeschlossen, weil das die Ärztelobby durchgesetzt hat. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass der Arzt ernsthaft darauf verzichtet sie einzusetzen. Wie würde er denn reagieren, wenn der Handwerker sagt: „Elektrische Bohrmaschine kostet extra. Wir bohren von Hand!“
Wahrscheinlich würde genau dieser Arzt am Verstand des Handwerkers zweifeln. So wie ich am Anstand des Weißkittels. Wenn das Melanom so gefährlich ist, wie er und die Fachliteratur es sagen, dann müsste er die Suche danach doch so ernst nehmen, dass er dafür nicht die Hand extra aufhält.
Von der Veränderung des Schmerzes
Anfangs war der Schmerz ganz stechend. Schon beim Sturz war es so, als würde der Schmerz in Wellen von genau diesem Punkt an den beiden linken Rippen über dem Herzen ausstrahlen. So war es auch, als ich den Lauf fortsetzte und nach dem Heimkommen und in der ertsen Nacht. Bei jeder Bewegung schoss die gesamte Konzentration des Körpers auf diesen einen Punkt. Und von da breitete sich dieses Gefühl, das einen vollständig verkrampfen und das Gesicht verziehen lässt, aus.
Am Folgetag dann die Ärztinnen. Die erste tastete sich vorsichtig an die Stelle vor. Die zweite drückte den Brustkorb einfach von rechts und von links abrupt zusammen. Während das vorsichtige Annähern den heftigen Stich vorbereitete und der Kopf wusste, was jetzt kommt, war der Körper quasi gelähmt. Bei der Pressattacke setzte die Lähmung von Kopf und Körper mit dem abrupten Stich in den Rippen ein – und ließ erst nach, als sich die Schmerzwellen quasi ausliefen. Was besser ist? Ich kann es nicht sagen. In beiden Fällen war der Schmerz stechend und heftig.
Inzwischen ist aus dem plötzlichen Zutreten des Schmerzes ein dauerhafter geworden. Allerdings nicht mehr stechend, sondern verkrampft. Die Musuklatur, die seit acht Tagen die Rippen krampfhaft vor Erschütterungen schützt, ist nicht mehr locker. Deshalb schmerzt die linke Seite jetzt ständig. Zwar nicht mehr stechend, aber anhaltend. Was besser ist? Eindeutig der jetzt erreichte Zustand. Es gibt kaum unvorbereitete Überraschungsmomente, sondern nur erwartbares Zähne-Zusammenbeißen. Das führt zwar nicht zu Entspannungen, läßt sich aber deutlich besser ertragen. Obwohl so verkrampfte Zustände eigentlich alles andere als lustig sind. Sie lähmen, weil sie Spontanität durch Angst ersetzen.