Eine bleibende Begegnung mit Zoran Djindjic

Zoran Djindjic und Angela Merkel bei der Bambi-Verleihung in Berlin. Foto: www.zorandjindjic.org/
Zoran Djindjic und Angela Merkel bei der Bambi-Verleihung in Berlin. Foto: www.zorandjindjic.org/

Mitten im Trubel der Promis und Sternchen fühlte er sich an diesem Abend im Berliner Estrel sichtlich wohl. Von allen Seiten nickte ihm die deutsche Prominenz zu – und das voller Respekt und Achtung vor der Leistung und Ausstrahlung Zoran Djindjics, des serbischen Ministerpräsidenten, der nach dem Morden auf dem Balkan für einen demokratischen Neuanfang Serbiens stand.

An diesem Festtag, an dem ihm, dem in Deutschland promovierten Philosophen, ein Bambi für seine Lebensleistung überreicht wurde, genoss er die Anerkennung. Djindjic wusste bei dieser Feier, dass sein Weg richtig war. Sein Händedruck war fest, sein Blick offen und heiter. Beim Interview, das ich mit ihm führte, saß jedes Wort. Und das nicht, weil er Politikersentenzen aneinanderreihte, sondern weil er in sich ruhte, weil er ganz er selbst war. Und weil er wusste, dass sich sein Kampf gegen Milisevic und die serbischen Nationalisten gelohnt hatte.

Gerade der eher absurde Rahmen, in dem Sabrina Setlur ihre Brüste fast freilegte und eine ungelenke Oppositionsführerin namens Angela Merkel die Laudatio auf ihn hielt, brachte Zoran Djindjic mit seiner natürlichen Autorität, seiner heiteren Klarheit umso stärker zur Geltung. Und dabei war er dem Reporter gegenüber offen und freundlich. Ja er, der zu recht geehrte stellte selbst Fragen. Er wollte wissen, wie schnell das Internet in Deutschland wächst. Djindjic wollte wissen, wie das Internet die Medien verändert und welche Chancen in einer freien Debattenkultur im Netz für die Demokratie stecken.

Die kurze Begegnung mit Zoran Djindjic ist eine bleibende. Auch noch nach so vielen Jahren. Heute vor zehn Jahren, am 12. März 2003, wurde er ermordet.

Fundstücke aus meinem Rucksack (1) – GPRS-Modem

GPRS-Modem aus meinem Rucksack
GPRS-Modem aus meinem Rucksack

Nach fast zehn Jahren geben die Nähte meines Rucksacks nach. Sie halten ihn nicht mehr überall zusammen. Fast ein Viertel meines Lebens begleitete er mich auf dem Rücken. Und im Arbeitsleben sogar deutlich mehr als die Hälfte. Grund genug, in seinen Tiefen zu suchen, damit nichts weggeschmissen wird, woran Erinnerung hängt.

Dieses Modem für den Laptop hatte ich vollkommen vergessen. Es ist in dieser schwarzen Hülle versteckt. Zusätzlich war es noch in einem schmalen Fach des Rucksacks. Dort hat es mindestens sieben Jahre vor sich hin geschlummert. Denn es ist noch aus T-Online-Zeiten. Und die endeten 2003. Damals war das echt klasse: mobiles Surfen mit dem Laptop! Und das in dieser irren Geschwindigkeit, die höher war als bei vielen Festnetzanschlüssen. Das Problem war nur, dass zwar UMTS-Lizenzen an die Telkos verkauft waren, aber selbst GPRS meist nicht verfügbar war. Vor allem im Zug.

Ein Zustand, an dem sich bis heute nichts geändert hat – zumindest bei den Zügen, die ich in der Post-T-Online-Zeit meist nutze. Vermisst habe ich das Ding in all den Jahren nicht. Deshalb wird es wohl in dieser Kiste landen, in der auch all die Kabel und Ladegeräte liegen, die man ja vielleicht noch irgendwann einmal gebrauchen kann…

Weitere Fundstücke aus meinem Rucksack:
Ein Button
Blasenpflaster
USB-Sticks

Gilad Atzmons Satire bricht israelische Tabus

Wer seinen Lebensunterhalt als Jazzmusiker verdient, weiß ganz genau, wie man mit unkonventionellen Einfällen schockieren kann. Allerdings ist die Gemeinde der Jazzfans so klein und eingeweiht, dass sie diese Provokationen gern mit Applaus honoriert. Das große Publikum, das sich tatsächlich auch provozieren lassen könnte, straft die Jazzer mit konsequenter Ignoranz.

Ein provokanter Schelmenroman
Gilad Atzmon verdient sein Geld als Schlagzeuger in der Londoner Jazz-Szene. Die Lust an der Provokation lebt er in seinem ersten Roman so richtig aus. Sein
Schelmenroman „Anleitung für Zweifelnde“ ist ein Generalangriff auf die israelische Gesellschaft der Gegenwart. Sämtliche Tabus Israels verletzt Atzmon mit einer Wucht, die den Leser manchmal erschauern lässt. Doch das Ergebnis ist nicht nur erheiternd, es ist so richtig erhellend.

Distanzierter Blick auf Israel
Gunther Wanker ist der obskure Schelm von Gilad Atzmon. Er ist ein Israeli deutscher Abstammung, der recht bald erkennt, dass die Politik der Besatzung und Unterdrückung der Palästinenser den inneren Verfall der israelischen Gesellschaft befördert. Wo Freiheit und Selbstbestimmung einst die zionistischen Einwanderer beflügelte, herrscht jetzt nur Angst und der Wille zur Unterdrückung der Palästinenser. Wanker blickt aus dem Jahr 2032 auf die Geschichte seines Lebens und seines Volkes zurück. Beides mit großer Distanz.

Erkenntnisse aus der Peepshow
Denn Wanker ist der Begründer der Peepologie. Einer Wissenschaft, die ihre Erkenntnis in der Peepshow gewann. Wanker nimmt das Guckloch des Voyeurs als Erkenntnisquelle. So wie der Voyeur immer nur das Ziel seines Verlangens außer Griffweite sehen kann, so kann das israelische Volk seinen Wunsch nach Frieden auch immer nur in der Vorstellung sehen.  In der Wirklichkeit verhindert der Blick auf einen möglichen Frieden den echten, weil der Blick durch den Sehschlitz vor allem die eigene Vorstellung transportiert, nicht aber die des Partners, mit dem dieser Frieden geschlossen werden müsste.

Satirische Attacke bringt Erleuchtung
Atzmon attackiert mit der Handlung und dem Stoff seines Romans also das Selbstverständnis der israelischen Gesellschaft. Doch wie bei jeder guten Satire, ist das nicht zersetzend. Dieser Vorwurf kommt immer von denen, die aus den gerade aktuellen Zuständen Gewinne ziehen. Diese Satire ist eine prickelnde Erleuchtung – nicht nur über Israel. Auch über die kulturellen Verwerfungen der eigenen Gesellschaft.

„Anleitung für Zweifelnde“ von Gilad Atzmon ist bei dtv erschienen. Das Buch hat 180 Seiten und kostet 12,50 Euro.

SPD schlägt Verfassungskommission vor

Franz Müntefering will eine neue Kommission einsetzen. Allerdings soll sich die Verfassungskommission zur „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ nicht aus Experten der Universitäten, der Wirtschaft und anderer Institutionen zusammensetzen. Bundeskanzler Gerhard Schröder bevorzugte in den vergangenen Jahren vor allem Experten-Gremien wie die Hartz- und die Rürup-Kommission. Der SPD-Fraktionsvorsitzende hingegen will eine Kommission aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates.

Video: Interview mit Franz Müntefering (SPD)

Brief an die Fraktionsvorsitzenden
In einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden des Bundestages und den Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, schreibt Müntefering: „Zuständigkeiten und Finanzverantwortlichkeiten der einzelnen Ebenen sind nicht immer transparent oder sinnvoll zugeordnet.“ Deshalb schlägt er eine Kommission aus 16 Mitgliedern des Bundestages und 16 Mitgliedern des Bundesrates vor, je einem pro Bundesland. Einen ähnlichen Vorschlag gibt es vom rechtspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Röttgen. Er hatte bereits konkrete Änderungsvorschläge zur Reform des Föderalismus präsentiert. Auch ihm erscheint eine Kommission in dieser Zusammensetzung sehr sinnvoll. Allerdings hat Müntefering Röttgens Vorschläge noch nicht gelesen. Das sagte er im T-Online-Interview.

Bund oder Länder stärken?
Alle Parteien sind sich einig, dass die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern neu organisiert werden muss. Jede Bundesregierung ärgert die Blockademacht der Bundesländer im Bundesrat. Das musste die Union unter Kanzler Helmut Kohl bitter erfahren, als die damaligen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine, Gerhard Schröder, Hans Eichel und Johannes Rau die Mehrheit der SPD-regierten Länder nutzten, um eine Reihe von Gesetzen scheitern zu lassen. Seit der Landtagswahl von Sachsen-Anhalt im Frühjahr 2002 erlebt nun der ehemalige Blockierer Schröder, wie unangenehm es ist, gegen eine andersfarbige Mehrheit im Bundesrat regieren zu müssen. Ob Zuwanderung oder Subventionsabbau – ohne die unionsregierten Länder Edmund Stoibers, Roland Kochs und Christian Wulffs geht kaum noch etwas in der Bundesrepublik.

Blockademacht der Länder brechen
Röttgen schlägt in seinem Reformentwurf eine Stärkung der Länder vor. Sie sollen mehr Zuständigkeiten erhalten. Im Gegenzug soll die Blockadefähigkeit reduziert werden, damit der Bund seine Vorhaben auch unverwässert durchsetzen kann. Derzeit ist bei zwei Dritteln der Gesetze eine Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Selbst wenn sich einige Länder enthalten, ändert das nichts an den Mehrheitsverhältnissen. Es muss immer die Mehrheit der Länderstimmen gewonnen werden. Müntefering plädiert im Interview für eine Vereinfachung dieses Abstimmungsmodus.

Mehr Bildung zum Bund
In einem ersten Vorschlag von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries war dagegen eine Stärkung des Bundes vorgesehen. So sollte dieser bei de ureigenen
Länderthema Bildung und Kultur größere Zuständigkeiten erhalten. Etwa beim Thema nationale Bildungsstandards, mit denen Bildungsministerin Edelgard Bulmahn auf die schlechten Ergebnisse der Pisa-Studie reagierte. Müntefering will dagegen auch in diesem Bereich die Länder stärken.

Kein Wettbewerbsföderalismus
In der Steuerpolitik spricht sich Müntefering gegenüber T-Online gegen „Wettbewerbsföderalismus“ aus. Zwar sollten Kommunen und Länder innerhalb bestimmter Grenzen bei der Erhebung von Steuern Spielräume haben. Aber „die Bundesländer sollten sich nicht wie verfeindete Regionen behandeln,“ sagte Müntefering zu T-Online. Bei Themen wie der Gesundheitspolitik spricht sich Müntefering gegen die Beteiligung der Länder aus. „Dass wir da die Zustimmung der Länder benötigen, will mir nicht recht einleuchten“, sagte der SPD-Fraktionschef.

Auftakt im Herbst
Müntefering schlägt nun vor, dass bereits vor Ende der Sommerpause im August ein Gespräch der Fraktionsvorsitzenden stattfindet, in dem das weitere Vorgehen
bis zur Einsetzung der Kommission geklärt werden soll. Parallel dazu solle der Bundestagspräsident mit dem Bundesrat Kontakt aufnehmen. Wenn es nach
Müntefering geht, soll die Kommission schon im Herbst im Anschluss an eine Bundestagsdebatte die Arbeit aufnehmen. Mit einem Abschluss der Diskussion
rechnet er in ein bis zwei Jahren.