Christhard Läpple hat sich in ein Dorf in Brandenburg verliebt. In seinem Buch nennt er es Herzdorf, doch tatsächlich handelt es sich um Netzeband im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Hier hat sich der ZDF-Journalist vor 20 Jahren ein Haus gekauft. Und hier hat Läpple in einem Mikrokosmos erlebt, wie radikal der Bruch zwischen DDR und vereinigter Bundesrepublik war. Sein Buch handelt genau davon. Vom Aufbruch, von Widerständen, vom Scheitern und dem Wandel.
Läpple hat sich dafür entschieden, die Geschichte Netzebands nach der Vereinigung als eine groß angelegte Reportage zu erzählen. „Erzählendes Sachbuch“ nennt das der Verlag. Damit bringt er ein formales Unwohlsein in einen sperrigen Begriff. Denn wie in einem Roman sind alle Personen und sogar der Ort verfremdet. Angesichts der leichten Dechiffrierbarkeit ist dieser Kunstgriff dennoch nicht mehr als ein verfremdeter Name in einer Reportage, um einen Informanten zu schützen. Insofern geht der Wunsch eine exemplarische Nachwende-Geschichte zu erzählen nicht ganz auf.
Die Geschichte Netzebands ist ein besondere. Dass so viel Geld in die Infrastruktur eines Dorfes gesteckt wurde, dass eine zerfallene Kirche so schnell als Kulturkirche aufgebaut wurde, dass sich begeisterte Westdeutsche mit ihrem gesamten Vermögen bis zum Konkurs engagiert haben, all das ist nicht der normale Gang der Dinge gewesen.
Insofern ist das Buch Läppples deutlich anders, als beispielsweise „Unterleuten“ von Juli Zeh. Deren Roman erzählt eine Geschichte, wie sie in vielen Dörfern Brandenburgs und Ostdeutschlands nicht nur möglich, sondern in vielen Teilen sogar wahrscheinlich ist. Aber die Vorbehalte der Dorfbewohner, die Arroganz der Westdeutschen, die völlig unterschiedlichen mentalen Welten, die in Netzband/Herzdorf aufeinanderprallen sind dennoch sehr gut beobachtet und beschrieben. Hierin liegt der Reiz des Buches. Da Läpple seine Protagonisten selbst sprechen lässt und nur wenig versucht ihr Handeln und Denken zu interpretieren, schafft er eine dichte und schlüssige Beschreibung der Brüche, an denen viele zerbrochen sind. Es stört also gar nicht, dass Läpple kein Romancier, sondern ein guter Journalist ist.