Günter de Bruyn auf den Spuren des erstaunlichen Dichters Zacharias Werner

de-bruynKeiner schreibt über Preußen wie Günter de Bruyn. Seine Bücher bilden immer märkische Geschichte ab. Das gilt auch für „Sünder und Heiliger“, in dem de Bruyn „das ungewöhnliche Leben des Dichters Zacharias Werner“ – so der Untertitel – nachzeichnet. Kurz vor seinem 90. Geburtstag ist die literarische Biografie soeben erschienen.

Am 1. November wird Günter de Bruyn 90 Jahre alt. 1926 als Kind der Weimarer Republik in Berlin-Britz geboren, den Nationalsozialismus auch als Luftwaffenhelfer mit Verletzung überlebt, die DDR als Neulehrer und Schriftsteller vollständig erlebt und nach der Vereinigung schreibend die Vergangenheit wiederbelebt. Und der Dichter, der sich in der Nähe Beeskows die Ruhe zum Denken und Schreiben suchte. All das ist Günter de Bruyn. Vor allem aber ist er ein Spurensucher, der in der Geschichte Geschichten entdeckt, die zu kennen auch heute noch unterhaltsam und sinnvoll ist.

Das aktuelle Buch handelt wieder von einem preußischen Leben im frühen 19. Jahrhundert. Dieser Epoche hat Günter de Bruyn einen großen Teil seines literarischen Lebens gewidmet. Mit Zacharias Werner hat er wieder eine Person in den Mittelpunkt gerückt, die allenfalls als Randfigur der Geschichte Spezialisten bekannt ist. Das Quellenstudium für das Buch war de Bruyn bestimmt eine große Lust.

Zacharias Werner war ein Kind angesehener Bürger in Königsberg. Dort ist er aufgewachsen und hat er studiert. Allerdings machte er keinen Abschluss und musste sich deshalb als kleiner preußischer Beamter verdingen, um im damals preußischen Warschau und anderen polnischen Städten seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Gestorben ist er schließlich 1823 in Wien, nachdem er zeitweise großen Erfolg als Dramatiker hatte, den Goethe so schätzte, dass er aus ihm gerne einen Nachfolger Schillers geformt hätte.

Die großen Pole, zwischen denen Werners Leben schwankte war sein libidinöses Verhältnis zu Frauen und seine Bekehrung zum Katholizismus. De Bruyn schildert beides ohne Spott und Häme. Aber er hat den Blick fürs Dramatische, etwa wenn er das Buch mit einer Flucht Werners aus Königsberg beginnt, weil der gegen den Widerstand von Familie und Gesellschaft mit einer Hure aus Frankfurt (Oder) zusammenleben wollte.

Als Priester dann füllt Zacharias Werner während des Wiener Kongresses die Kirchen der österreichischen Hauptstadt mit Menschen aller Stände, die seinen Predigten lauschten. Der Stoff enthält wieder einmal alle Dramen menschlichen Lebens. Wieder einmal blickt de Bruyn auf einen Außenseiter. Doch gerade dieser Blick, der Goethe und andere berühmte Zeitgenossen zu Nebenfiguren macht, erweckt die Epoche der deutschen Klassik und frühen Romantik zum Leben. Genau dadurch wird die Vielfalt der Epoche lebendig. Da der Stil de Bruyns auch in dieser literarischen Biografie knapp, klar und präzise ist, hat der Leser ausreichend Freiraum, um sich seine eigenen Gedanken über Vergangenheit und Gegenwart zu machen.

Günter de Bruyn: Sünder und Heiliger – Das ungewöhnliche Leben des Dichters Zacharias Werner; S. Fischer Verlag, 22 Euro.

Kommentar verfassen