Stefan Maiwalds lustiger Blick auf Italien

Stefan Maiwald: Laura, Leo Luca und ich
Stefan Maiwald: Laura, Leo Luca und ich

Klischees sollte man ja tunlichst vermeiden. Stefan Maiwald gelingt das nicht. Doch das macht den Reiz seines Büchleins über seine Beziehung mit seiner italienischen Frau – und damit mit deren Familie – so reizvoll. „Laura, Leo, Luca und ich“ ist ein leicht geschriebenes Tagebuch im Rückblick. Es erzählt, was dem ehemaligen Redakteur  des Playboy so alles passierte, als er die flüchtige Urlaubsbekanntschaft zu lieben lernt und endlich heiratet.

Seine Beobachtungen kann er mit der nötigen Distanz zu schnurrigen Anekdoten verdichten, die nichts von egomanischer Beziehungsliteratur an sich haben. Maiwald liebt nicht nur Laura. Er liebt auch die ganze Familie. Auch wenn sie ihm auf die Nerven geht.
Das ist herrlich!

Stefan Maiwald: LAURA, LEO, LUCA UND ICH. DTV. 8,90 EURO

 

Die Geschichte vom einzigen „Club“

Die Legende vom Club
Die Legende vom Club

Der Club war ewig Rekordmeister. Bis zu seinem Abstieg direkt nach der  gewonnen Meisterschaft 1968. Die Nürnberger gehören wie nur wenige Vereine zu denen, um die sich Legenden und Geschichten aus nun fast 100 Jahren ranken.

Einst stellten die Clubberer zusammen mit Fürth alleine die  Nationalmannschaft. Davon und von der Gegenwart erzählt Christoph Bausenwein in seinem fantastischen Buch, das nicht nur für Club-Fans ein Lesefest ist. Bausenwein nimmt auch die Zeit des  Nationalsozialismus kritisch unter die Lupe und schafft es, ein umfassendes Porträt eines Vereins zu schreiben, das sich sehr gut liest und dennoch sehr faktenreich ist. Die  Neuauflage kann jetzt auch aktuelle Erfolge melden.

Bernd Siegler, Christoph Bausenwein, Harald Kaiser: DIE LEGENDE VOM CLUB –
GESCHICHTE DES 1. FC NÜRNBERG. WERKSTATT. 26,90 EURO

Diese Rezension ist am 2. Januar 2007 in 20cent erschienen.

Shtetl Superstars – das klingt nach Culcha Candela

Stehtl Superstars
Stehtl Superstars

Mit Russendisko wurde Yuriy Gurzhy bekannt. Er ist der musikalische Kopf hinter Wladimir Kaminers Berliner Tanzprojekt im Café Burger. Zusammen mit Lemez Lovas,
einem Londoner Musiker und DJ hat Gurzhy einen wunderbaren Sampler kompiliert: „Shtetl Superstars – Funky Jewish Sounds from around the World“.

Gurzhy und Lovas stammen aus der Ukraine. Hier haben sie auch die Reste einer jüdischen Musikkultur kennengelernt, die inzwischen über die gesamte Welt verbreitet ist. Die beiden haben danach gesucht, was aus dieser alten Musik in Funk, Ragga oder Rock zu finden ist. Das klingt dann nicht nach Klezmer. Das klingt vor allem nach richtig guter aktueller Musik, die mehr mit Culcha Candela zu tun hat als mit Giora Feidman.

Der musikalische Kosmos ist universell, auch wenn er sich auf traditionelle Wurzeln   bezieht. Für westliche Ohren gibt es noch viel zu entdecken. Gurzhy weiß das aus der Russendisko und Lovas aus seinem Projekt Radio Gagarin, das eine englische Hommage an das deutsche Projekt ist. Wie immer bei Trikont-Samplern ist auch diese CD mit einem super Booklet ausgestattet. Das ist informativ und macht Spaß auf viel mehr Shtetl.

Rainald Grebe singt für die Versöhnung

Rainald Grebe und die Kapelle der Versöhnung
Rainald Grebe und die Kapelle der Versöhnung

Rainald Grebe (35) hat den Deutschen Kleinkunstpreis 2005 zu Recht bekommen. Seine aktuelle  CD „Rainald Grebe & die Kapelle der Versöhnung“ strotzt vor Witz. Und das nicht nur bei den Texten.

Grebe gehört zu der seltenen Gattung Kabarettisten, deren Lieder auch musikalisch gut sind. Kombiniert mit diesen wunderbaren Texten entsteht so ein Album, das sowohl den Musik- als auch den Kabarettfan begeistert. Der Knüller auf der Scheibe ist zweifelslos „Brandenburg“. Das Lied über das Land, das Berlin umgibt, ist alles andere als eine Hymne. Es ist ein Abgesang, der traurige Wahrheiten benennt – und dadurch Trauer hervorruft.

„Ich-AG“, „Beckenbauer“, „Guido Knopp“ oder „Mittelmäßiger Klaus“ haben die Gegenwart auf ganz andere Art im Blick. Grebes Stärke ist es, dass er mit Ich-AG, Beckenbauer, Guido Knopp oder Mittelmäßiger Klaus und Marcus Baumgart zwei wunderbare Musiker an der Seite hat, die seine Schärfe, seinen Zorn und seine Traurigkeit mitfühlen. Sie machen zusammen mit Grebe aus satirischen Texten kraftvolle Musik, die immer den richtigen Sound hat. Wer also Lust hat, zu lachen und richtig gute, abwechslunsgreiche Musik zu hören, der kommt an dieser CD wirklich nicht vorbei.

Diese Rezension ist am 5. September 2006 in 20cent erschienen. 

Hui Buh spukt auf einem Sampler

Hui Buh
Hui Buh

Achtung bei Hui Buh-CDs. Es gibt nämlich zwei. Da ist zum einen der Soundtrack. Zum anderen gibt es diesen feinen Sampler: Music inspired by Hui Buh. Auf ihm sind auch Songs aus dem Film – vor allem aber ist dieses Album ein richtig feiner Mix für den Sommer.

Culcha Candelas Titelsong des schrägen Films Follow me ist natürlich genauso drauf, wie Gentlemans n we go, das für den Film entstand. Diese Lieder geben den Stil des ganzen Albums vor. Hui Buh mag offensichtlich Musik, die sich an Ragga, Reggae und Dancehall orientiert. Sam Ragga Band feat. Jan Delay stimmen denn auch Die Welt steht still an. Und Seeed mit dem Ding findet sich ebenso darauf wie die Ohrbooten, Shaggy, Patrice und Mustafa Sandal feat Gentleman.

Das alles hat mit dem Film nicht viel zu tun. Es handelt sich eher um einen Marketing-Gag, wenn Musik auf einer CD zusammengestellt wird, die sich ein Gespenst, das aussieht wie Michael Bully Herbig vielleicht ganz gern anhören würde. Aber die Macher haben  zumindest guten Geschmack bewiesen. Ganz nebenbei werden dadurch sämtliche  Sommerhit-Sampler überflüssig. Alles Gute, ist hier drauf. Plus akustischen Pannen
vom Filmset!

Frank Schulz trinkt Null Komma Null Ouzo

Frank Schulz: Das Ouzo Orakel
Frank Schulz: Das Ouzo Orakel

„Ouzo Orakel“ heißt die Vollendung der Trilogie um den Norddeutschen Kolk. Das dicke Buch spielt in Griechenland zwischen selbst gewählter Einsiedelei und rauschhaftem
Urlaub. 20cent sprach mit Frank Schulz (49), dem Autor des extrem komischen Romans.

Wie viel Ouzo wurde beim Schreiben des Buches geschluckt?

Null Komma Null.

Haben Sie selbst in Griechenland gelebt?

Nein. Ich würde das gerne tun. Aber das muss bezahlt werden.

Vielleicht finanziert es ja der Roman?

Das wäre schön. Aber dann müsste er noch sehr oft gekauft werden.

Aber Sie haben vor Ort recherchiert?

Ja. Ich fahre seit 1987 in diesen Ort zum Urlaub. Und ich war letztes Jahr fünf Wochen extra für dieses Buch dort.

Dann gibt es Figuren wie den unvermeidlichen Sven?

Den gibt es nicht. Zumindest nicht als eine Person. Er setzt sich eher aus mehreren zusammen. Ich war vornehmlich wegen der Landschaftsbeschreibungen vor Ort.

Es hat relativ lange gedauert, bis die Trilogie abgeschlossen wurde.

An diesem letzten Band habe ich fünf Jahre gearbeitet. 800 Seiten müssen erst einmal geschrieben werden.

Gibt es für Sie literarische Vorbilder?

Es gibt natürlich bevorzugte Autoren.

Zum Beispiel Eckhard Henscheid?

Aber ganz sicher. Vor allem sein Roman „Geht in Ordnung. Sowieso. Genau.“ Ausgesprochene Vorbilder aber habe ich nicht.

In ihren Büchern schildern Sie Menschen, die sich in Nichtstun und Nutzlosigkeit ergehen. Das machen Sie aber mit einer stilistisch extrem ausgefeilten Sprache. Aus dieser Spannung entsteht der Witz. Ist die Arbeit daran für Sie auch lustig?

Zu 95 Prozent ist das harte Knochenarbeit. Habe ich einen witzigen Einfall, lache ich auch schon mal, wenn ich ihn notiere. Aber bis der eingebaut ist, ist der Witz für mich schon alt. Deshalb hält sich Amüsement an der eigentlichen Schreibarbeit sehr in Grenzen.

Haben Sie jemanden in Ihrem Umfeld, der überprüft, ob Ihre Einfälle lustig sind?

Eine Gag-Kontrolle? Nein. Das muss ich auf meine eigene Kappe nehmen.

Ist mit dem Ouzo-Orakel mit den Figuren Schluss? Oder leben sie noch einmal auf. Sie kommen ja auch noch ins Rentenalter.

Die Trilogie ist komplett. Momentan habe ich auch keine Lust mehr, mich mit Bodo Morten zu beschäftigen. Aber vielleicht taucht die eine oder andere Figur ja noch einmal in einer Erzählung auf.

FRANK SCHULZ. DAS OUZO-ORAKEL. EICHBORN. 24,90 EURO.

Es wird eng

Der Fall El Masri wird immer obskurer. Die Aussage des Telekom-Mitarbeiters aus Skopje hat es in sich. Wenn ihm die deutsche Botschaft tatsächlich sagte, dass der Fall bekannt sei, dann wird es eng für Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Der war als Kanzleramtsminister von Gerhard Schröder für die, Geheimdienste verantwortlich. Wenn die Botschaft von El Masris Entführung durch die CIA wusste, dann muss es auch Steinmeier bekannt gewesen sein. Und wenn nicht, dann hatte er einen der sensibelsten Sicherheitsapparate der Republik nicht im Griff. Und das in der Hochphase
des Kampfes gegen den Terror.

Aber vielleicht war es eher so, dass den Amerikanern niemand reinreden wollte – auch wenn die Menschenrechte deutscher Staatsbürger mit den Füßen getreten wurden. Wer sich so verhält, wäre als Minister untragbar. Die Unschuldsvermutung gilt wahrscheinlich  nicht mehr lange.

Dava Sobel bringt uns die Planeten nah

Dava Sobel: Die Planeten
Dava Sobel: Die Planeten

Dava Sobel (69) ist eine erstaunliche Autorin. Sie schafft es, aus trockenen, naturwissenschaftlichen Themen im wahrsten Sinne des Wortes allgemein bildende Bücher zu schreiben. Und das in einer Art, die verhindert, dass die Bücher nicht zu Ende gelesen werden. Die Planeten nähert sich den Verwandten der Erde nicht nur auf der Ebene der Beschreibung ihres Zustandes, ihrer Zusammensetzung und anderer chemischer und
physikalischer Befunde. Sobel erzählt auch, was die Planeten für die Menschen in der Vergangenheit bedeuteten, wie sie entdeckt wurden und was das für unser Weltbild bedeutet. Wie schon Längengrad und „Galileos Tochter“ ist das aktuelle Buch „Die Planeten“ einfach jedem zu empfehlen.

Dava Sobel: Die Planeten. Berlin Verlag, 29,96 Euro

Weniger Freiheit

Jörg Schönbohm will das Brandenburgische Polizeigesetz verschärfen. Natürlich würde sein Ministerium nie von Verschärfung sprechen. Bei der CDU ist lediglich von Anpassung an technische Möglichkeiten die Rede.

Doch gerade bei Polizei und Geheimdiensten gilt: Nicht alles, was möglich ist, darf auch angewendet werden. Die Polizei ist vor allem dazu da, die Freiheit der Bürger zu sichern. Nur auf diesem Weg lässt sich Sicherheit organisieren. Der umgekehrte Weg führt zwangsläufig zu weniger Freiheit.

Ohne Anfangsverdacht Handys zu orten, ist ein solcher Verlust an Freiheit. Es geht den Staat nichts an, wo sich seine Bürger aufhalten. Nur weil sie ein Handy besitzen, heißt das noch lange nicht, dass diese Selbstverständlichkeit abgeschafft werden darf. Hoffentlich hat Schöhnbohms Koalitionspartner SPD den Mut, ihn auszubremsen.

John Peels kuriose Schellack-Legenden

John Peels Sampler
John Peels Sampler

Für viele Radiohörer war er der Mann, der den eigenen Musikgeschmack prägte. John Peel († 65). Bei der BBC legte er auf und hatte es in der Hand, ob aus Newcomern Stars (Sex Pistols, White Stripes, Laibach, The Cure) oder enttäuschte Hoffnungen wurden.

In seinen Sendungen legte er auch stets ein Stück aus seiner Schellack-Sammlung auf. Die kuriosesten davon sind jetzt als Sampler bei „Trikont“ erschienen. „The Pig’s Big 78s“ enthält Aufnahmen von 1908 bis 1955. Da erklingt frühe Musik-Comedy, da werden Hits der frühen Radiozeit vor dem Vergessen gerettet, da macht ein Geräusch-Imitator ein anfahrendes Auto nach. Kurz: Hier hat der Klang, der Ton in all seinen Farben seine Chance.

Das ist faszinierend und oft auch sehr amüsant. Vor allem ist es aber sehr lehrreich. Denn vieles von dem, was heute neu klingt, haben kreative Musiker schon vor 60 oder gar 80 Jahren aufgenommen! Das schöne Booklet von Sheila Ravenscroft, John Peels Frau, die
auch fürs Radio die Schellacks mitausgewählt hatte, rundet diese feine CD ab. Damit es auch jeder versteht, gibt es das informative Booklet gleich zweimal – in Deutsch und in Englisch!

Diese Rezension ist am 6. Mai 2006 in 20cent erschienen.