Letzte Worte an meinen Vater

Vater, es war nicht immer einfach mit Dir. Du hattest Deinen Kopf, hattest Deine Überzeugungen, hattest Deinen Rahmen, den Du ausgefüllt hast. Weil Du das alles hattest, kam es zwangsläufig dazu, dass man sich mit Dir auch reiben musste.

Aber vor allem hattest Du ein großes Herz. Und viel Liebe für uns und die Menschen überhaupt. Deine Vorstellungen hast Du nicht rücksichtslos durchgesetzt. Es ging Dir nicht darum, als Missionar andere zu bekehren. Dazu hast Du Deine Mitmenschen in all ihrer Vielfalt zu sehr geliebt. Wenn jung und alt zusammenkamen, dann hast Du das genossen. Wenn Grüne und Christsoziale und Sozialdemokraten am gleichen Tisch ihren Schoppen tranken und diskutierten, dann hast Du das Leben so gespürt, wie Du es am liebsten hattest: als warm, herzlich und anregend. Denn da überwog das Menschliche das Prinzipielle. Genau da hast Du Dich wohlgefühlt.

Auf Deine Überzeugungen hast Du deshalb aber dennoch nicht verzichtet. Du hast sie nicht hintangestellt, um irgendjemanden zu gefallen. Vielmehr hast Du Dir die Freiheit genommen, in welchen Gruppen und Zusammenhängen auch immer, Du selbst zu sein. Das geht nur, wenn man einen eigenen Kopf hat. Und wenn man ein großes Herz hat. Dieses Herz hat das Verbindende gesucht und geliebt.

Manchmal hat uns Kinder dieses Herz für die anderen auch genervt. Etwa wenn wir nach dem Gottesdienst am heiligen Abend im Mannschaftsheim darauf warteten, dass Du endlich von der Runde zurückkommst, die Dich zu all jenen führte, die in der Kaserne Dienst hatten. Da wären wir lieber schon bei der Bescherung gewesen. Aber Deine Dienstauffassung und Dein Respekt für die Menschen, die da alleine ihre Pflicht taten, hat das nicht zugelassen.

Damals war das für ein Kind schwer zu verstehen. Heute nötigt es mir Respekt ab. Diese ganz natürliche Fähigkeit sich selbst für andere zurückzunehmen. Und sich für sie einzusetzen. Das hast Du ja auch immer für uns getan. Egal was passierte oder geschehen könnte, wir waren uns immer sicher, dass Du zusammen mit unserer Mutter zu uns stehen würdest. Auf diesem Fundament des Vertrauens konnten wir uns ausprobieren, konnten Freiheit und Verantwortung lernen. Wenn wir eine Frage hatten, warst Du da. Wenn wir Hilfe benötigten, hast Du sie organisiert. Dafür danken wir Dir.

Du warst neugierig auf das Leben und seine Veränderungen. Schon als junger Soldat in den 50er Jahren hast Du Dir immer den Spiegel gekauft, hast Dir ein unglaubliches historisches Wissen in der Bibliothek und mit eigenen Büchern angeeignet, hast uns auf Deiner Art Bildung nahe gebracht, ohne davon Aufhebens zu machen. Auch dafür danken wir Dir. Und dafür, dass Du auch von uns gelernt hast. Du bist nie stehen geblieben, hast auch uns und unsere Überzeugungen immer respektiert – und wenn es nötig war auch in Diskussionen mit anderen verteidigt. So hast Du schon 1990 in die Hammelburger Bürgersolaranalge investiert oder mit Mitte 50 noch angefangen Theater zu spielen.

All das zeigt, wie frei, offen und neugierig Du warst. Zusammen mit Deiner Herzlichkeit wirst Du uns deshalb nicht nur in Erinnerung bleiben. Nein. Du wirst uns auch in Zukunft Vorbild im besten Sinne des Wortes sein. Auch dafür wollen wir Dir danken.

Alle hier wissen, wie gern Du gefeiert hast, weil Du dann mit anderen Menschen zusammen sein konntest. Zum Feiern hat gegen Ende immer ein Lied gehört. Ganz oft hast Du „In wanna go home“ angestimmt, in dem es um die Sehnsucht nach Geborgenheit und Freiheit geht. Du hast Dir gewünscht, dass der Friedel das Lied für Dich singt. Er wird es jetzt tun. Wir alle denken dabei an Dich.

Klaus Oppermann (08/1934 – 02/2012)
Sein Humor fehlt uns genauso wie seine Liebe, sein Lachen und seine Herzlichkeit.

Wie die Nachricht vom Tod meines Vaters in der Familie meines Cousins ankam:

Fundstück im Antiquariat (2): Ludwig Börnes Verhaftung

Augsburgische Ordinari Postzeitung vom 8. April 1820
Augsburgische Ordinari Postzeitung vom 8. April 1820

Dieses Stück Papier ist eine fast 200 Jahre alte Zeitung. Ich habe sie heute gefunden und musste sie kaufen. Die wenigen Euro wären es schon wert gewesen, nur um so eine alte Zeitung zu besitzen. Richtig spannend ist aber, dass in ihr von der Verhaftung und Entlassung Ludwig Börnes berichtet wird. Der war 1820 im ständigen Kampf mit der Zensur. Nach Verabschiedung der Karlsbader Beschlüsse 1819 machte sich auch in Frankfurt/Main die Zensur wieder breit. Seine Zeitung „Die Waage“ fiel dem Zensor zum Opfer. Er selbst arbeitete danach als Redakteur der „Zeitung der Freien Stadt Frankfurt“. Das erregte die Behörden allerdings so sehr, dass der Liberale entlassen werden musste. Im März 1820 war Börne dann in Paris, wo er später bis zu seinem Tod genauso wie Heinrich Heine im Exil bleiben sollte. Ein Student wurde mit verbotenen Flugblättern aufgegriffen. Als Hersteller gab es Börne an. Das tat er, weil er den Schriftsteller und Journalisten noch in Frankreich wähnte. Doch er war schon wieder daheim. Und so sperrten ihn Polizei und Zensor ein. Es dauerte einige Tage, bis er verhört wurde und sich alles aufklärte.

Augsburgische Ordinari Postzeitung vom 8. April 1820
Augsburgische Ordinari Postzeitung vom 8. April 1820

Für Börne war die Verhaftung ein Einschnitt in sein Leben. Von da an orientierte er sich endgültig weg aus Frankfurt, wo er in der furchtbaren Judengasse geboren und aufgewachsen war und nach seinem Studium, das für den Juden nur dank der Besatzung durch Napoleon möglich war, als Journalist arbeitete. Es ist heute wirklich nicht mehr vorstellbar, was Deutsche einst auf sich nehmen mussten, nur weil sie eine eigene Meinung hatten. Besonders absurd war es, dass sich die DDR auf Börne als liberalen Vorläufer der kommunistischen Denker auch auf ihn bezog. Wie es überhaupt seltsam ist, dass sich eine  auf Exilanten bezieht. Auf Menschen also, die für den aufrechten Gang und ihre Überzeugung lieber die Heimat hinter sich ließen als in Demut vor der Obrigkeit zu buckeln. Insofern ist dieses Stück altes Papier ein kleines Lehrstück für die Wirrnisse des Lebens. Und eine Mahnung, dass wir uns immer gegen die engagieren, die uns den Mund verbieten wollen. Denn Demokratie und Freiheit sind nicht selbstverständlich. Ein Blick in die Bücher und Schriften Börnes lohnt sich auch deshalb immer. Er hat über den Vorfall auch eine herrliche Satire geschrieben. Außerdem sind seine Reportagen und Feuilletons stilistisch ein Genuss.

Weitere Fundstücke im Antiquariat:
Walter Mehrings Autograph
Ludwig Börnes Verhaftung
Kostbarkeiten bei Alfred Polgar
Ein Theaterzettel von 1931
Die Verlustanzeige von Karl Frucht
Andreas Oppermann erinnert 1860 an Palermo

 


Weniger Freiheit

Jörg Schönbohm will das Brandenburgische Polizeigesetz verschärfen. Natürlich würde sein Ministerium nie von Verschärfung sprechen. Bei der CDU ist lediglich von Anpassung an technische Möglichkeiten die Rede.

Doch gerade bei Polizei und Geheimdiensten gilt: Nicht alles, was möglich ist, darf auch angewendet werden. Die Polizei ist vor allem dazu da, die Freiheit der Bürger zu sichern. Nur auf diesem Weg lässt sich Sicherheit organisieren. Der umgekehrte Weg führt zwangsläufig zu weniger Freiheit.

Ohne Anfangsverdacht Handys zu orten, ist ein solcher Verlust an Freiheit. Es geht den Staat nichts an, wo sich seine Bürger aufhalten. Nur weil sie ein Handy besitzen, heißt das noch lange nicht, dass diese Selbstverständlichkeit abgeschafft werden darf. Hoffentlich hat Schöhnbohms Koalitionspartner SPD den Mut, ihn auszubremsen.