John Peels kuriose Schellack-Legenden

John Peels Sampler
John Peels Sampler

Für viele Radiohörer war er der Mann, der den eigenen Musikgeschmack prägte. John Peel († 65). Bei der BBC legte er auf und hatte es in der Hand, ob aus Newcomern Stars (Sex Pistols, White Stripes, Laibach, The Cure) oder enttäuschte Hoffnungen wurden.

In seinen Sendungen legte er auch stets ein Stück aus seiner Schellack-Sammlung auf. Die kuriosesten davon sind jetzt als Sampler bei „Trikont“ erschienen. „The Pig’s Big 78s“ enthält Aufnahmen von 1908 bis 1955. Da erklingt frühe Musik-Comedy, da werden Hits der frühen Radiozeit vor dem Vergessen gerettet, da macht ein Geräusch-Imitator ein anfahrendes Auto nach. Kurz: Hier hat der Klang, der Ton in all seinen Farben seine Chance.

Das ist faszinierend und oft auch sehr amüsant. Vor allem ist es aber sehr lehrreich. Denn vieles von dem, was heute neu klingt, haben kreative Musiker schon vor 60 oder gar 80 Jahren aufgenommen! Das schöne Booklet von Sheila Ravenscroft, John Peels Frau, die
auch fürs Radio die Schellacks mitausgewählt hatte, rundet diese feine CD ab. Damit es auch jeder versteht, gibt es das informative Booklet gleich zweimal – in Deutsch und in Englisch!

Diese Rezension ist am 6. Mai 2006 in 20cent erschienen.

Rocket/Freudental liedern starke Töne aus dem Ländle

Nicht nur die White Stripes können zu zweit so richtig einen los machen. Das Österreicher Duo Attwenger kann das auch. Und auf dessen Label Trikont ist jetzt eine Zweierkombo aus Stuttgart mit einem neuen Album vertreten: Rocket/Freudental „Wir leben wie Gespenster“ heißt das überraschende Album, das vor Kreativität und Kraft nur so
strotzt.

Musikalisch schaffen sich  die beiden einen immer tanzbaren Klangraum zwischen Punk, Techno und Krautrock. Und textlich schaffen sie es, den Alltag des arbeitenden  Individuums auf der Suche nach dem permanenten Ausbruch als Endlos-Loop in vielen originellen Formulierungen immer neu zu erfinden.

Damit grenzen sie sich von den netten Jungs der Hamburger Schule deutlich ab. Denn Rocket/Freudental sind erfrischend direkt, ohne jemals platt zu sein. Die Poesie ihrer Texte ist Bestandteil ihrer Rhythmen. Und die treiben den Hörer immer weiter und weiter
in die nächste Tanzschleife. Rocket/Freudental sind ein Lichtblick. Sie leben zwar angeblich
wie Gespenster. Tatsächlich aber nehmen sie den von ihnen gefüllten Klangraum voll in Besitz – und damit auch den verblüfften Hörer.