Politische Kommunikation (2) – Kommunikations-Versagen bei Stuttgart 21

Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?

Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.

Politische Kommunikation (1) -Einführung

Kommunikations-Versagen: Stuttgart 21

Wenn wir das Versagen der politischen Kommunikation bei Stuttgart 21 betrachten, fällt vor allem auf, dass wesentliche Teile des Projekts nicht kommuniziert wurden. Im Kern ist Stuttgart 21 ein gigantischer Immobiliendeal, der den öffentlichen Grund der Bahn bei den dann überflüssigen Bahnanlagen privatisieren soll. Mit den Erlösen wiederum soll ein Teil des Bahnhofs finanziert werden. Angesichts der Grundstücksknappheit in vielen Großstädten ist es durchaus legitim, überflüssige Gleisanlagen zurückzubauen. Aber da das Eigentum der Bahn nach wie vor unser aller Eigentum ist es mehr als problematisch, wenn die Bürger davon nichts haben.

Im Schlichtungsverfahren sind wichtige Aspekte nachgebessert worden. Jetzt geht es auch um erschwinglichen Baugrund für Stuttgarter und – so viel ich weiß – sozialen Wohnungsbau. Wären solche Ideen frühzeitig entwickelt und kommuniziert worden, wäre das Projekt nicht nur als eines, das von oben für die Wirtschaft durchgesetzt wird, wahrgenommen worden. Außerdem gab es ja den Wunsch, ein Bürgerbegehren durchzuführen. Dieses wurde abgeschmettert. Hätte es stattgefunden, wäre die Befriedung Stuttgarts leichter möglich gewesen. Das Bürgervotum wird ja fast immer akzeptiert. Aber die Art und Weise wie es nicht zu dazu kam, ist ein nicht weiteres Element, das zum steigenden Misstrauen führte.

Ein Misstrauen, das schließlich sehr viele Bürger zu bürgerschaftlichen Engagement bewegte. Sie arbeiteten sich in Planungsrecht ein. Sie berechneten Zugfolgen. Wer kommt auf die Idee, Zugfolgen zu berechnen? Abende lang haben sich diese Bürger mit Fragen auseinandergesetzt, mit denen sich normale Bürger nicht auseinandersetzen. Das machen nur Bürger, die am Gemeinwesen interessiert sind. Dieser Aspekt wird in der Kommunikation der Verantwortlichen meist unterschlagen. Die Sachkenntnis der Bürger ist enorm. Ihr muss sich Politik stellen.

Auch wenn oft nicht klar ist, wer das eigentlich ist: verantwortlich in der Politik. Dafür ist Stuttgart 21 auch ein gutes Beispiel. Die Vermischung der Verantwortungsebenen macht es dem Bürger fast unmöglich, ein differenziertes Urteil abzugeben. Außerdem wird in den Medien kaum dargestellt, welche Ebene für welchen speziellen Teil verantwortlich ist. Die von Oben-Nach-Unten-Kommunikation verhindert das. Und zwar bewusst. Verstärkt wird das noch durch administrativ-formale Prozesse, die so verrechtlicht sind, dass es fast schon wirkt, als solle mit ihnen eine besondere Form der Bürgerferne hergestellt werden. Mit ihnen ist zwar formal alles korrekt gelaufen, aber am Bürger vorbei. Dem bleibt dann nur der Groll „gegen die da oben.“

Fortsetzung des Vortrags:
Politische Kommunikation (3) – Kommunikations-Versagen Flughafen Schönefeld
Politische Kommunikation (4) – Kommunikations-Versagen bei den Stromtrassen
Politische Kommunikation (5) – Veränderte Rolle der Tageszeitungen
Politische Kommunikation (6) – Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern
Politische Kommunikation (7) – Wie lässt sich regionale Öffentlichkeit dennoch herstellen?
Politische Kommunikation (8) – Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation
Politische Kommunikation (9) – Bürgerengagement im Netz