Eine Einschulung, die nichts Gutes verspricht

Ausrichtung in Reih und Glied mit der Garantie zum Verbiegen
So wie dieser Fahrradständer im Schulhof schön in Reih und Glied ausgerichtet ist, so sollen auch die Schüler vor allem zu zappelfreien und ordentlichen Schülern werden. Dabei garantiert der Fahrradständer verbogene Vorderräder. Wie wohl die Kinder verbogen werden?

Jetzt liegt der erste Schultag schon einige Tage zurück. In den tiefen Südosten Brandenburgs sind wir gefahren, um die Tochter von Freunden beim Gang mit der Schultüte zu begleiten. Und dieser Gang hatte es in sich: Nicht nur, dass hier in der Lausitz die Schülerinnen und Schüler mit Pauken und Trompeten von Lehrern, Eltern, Freunden und Verwandten in loser Marschordnung in die Schule gebracht werden. In Sichtweite der Dampfwolken von Schwarze Pumpe stimmt die kleine Kapelle das Steigerlied an, als es auf den Schulhof geht. Ganz so, als würden heute noch zukünftige Braunkohlekumpel gebraucht.

Und dann in der „Astrid-Lindgren-Grundschule“ mit dem integrierten kommunalen „Max-und-Moritz-Hort“. Nach dem Marsch in die Schule folgt die Einnordung der Rektorin: „Liebe Schulanfänger, liebe Eltern, verehrte Pädagogen.“ So fängt sie an. Sie macht in einem schlimmen Babysprech in ihrer Rede an die ABC-Schützen sofort klar, wer hier in diesen Räumen zu verehren ist – und wer allenfalls lieb sein kann. Denn um lieb zu sein, muss man auch gehorchen – und darf auf gar keinen Fall zappeln. Zwar könnten weder die Pippi Langstrumpf noch Max und Moritz ruhig sitzen, aber „wenn Du morgen schon nicht mehr zappelst, dann kriegst Du ein Lob.“ Ja diese Rektorin weiß, worauf es ankommt.

Nicht auf Kreativität, wie sie Pippi Langstrumpf hat, nicht auf das unkonventionelle Denken und die Phantasie der Namenspatronen. Nein, ruhiges Sitzen ist die Herausforderung, mit der sie die Schulanfänger ködert. Ihr Babysprech vermeidet jedes wirklich motivierende Wort, denn bedeutend ist die Anpassung an das, was die zu verehrenden Pädagogen verlangen.

Das macht sie auch den Eltern klar. Denn nach den sechs Jahren in der Fürsorge der Eltern kämen die Kinder jetzt in die Fürsorge dieser Frauen (auch wenn die männliche Form Männer als Lehrkräfte suggeriert, sind nur weibliche zu sehen – wenn auch mit wunderbar regionaler Haarmode in zwei Farben oder auch gern in grellem Rot). Aber ob das die Eltern beruhigt, dass die Kinder nicht den Raum bekommen sollen, um sich zu selbständigen, starken Persönlichkeiten entwickeln zu können? Sondern zu künftigen Fürsorge-Empfängern? Denn das meint der Begriff Fürsorge der Definition zu Folge ja: „Fürsorge bezeichnet die Sorge, auf die Menschen unter bestimmten Umständen ein Recht haben, und bezeichnet ebenfalls das aus der Ethik der Barmherzigkeit bzw. der Almosenpraxis erwachsene System der Fürsorge, Obsorge, Sozialhilfe oder Sozialen Sicherheit.“

Ich glaube nicht, dass die Frau wusste, was ihre Worte wirklich bedeuten. Aber ich bin ganz sicher dass sie das, was sie sagte, aus tiefster Überzeugung sagte. Und dass sie damit unter den Lehrerinnen und Lehrern Brandenburgs bei weitem nicht alleine steht.

P.S. Für unsere Schulanfängerin war es dennoch ein schöner Tag. Sie wurde schön gefeiert. Und freut sich auf die Schule – hoffentlich noch ganz lange.

Gedanken zur Konfirmation

Man sagt, dass Ihr mit der Konfirmation bei uns Erwachsenen angekommen seid. In allen Religionen und Kulturen gibt es solche Feste, bei denen die Kindheit abgeschlossen wird. Ethnologen nennen das Initiationsritus. Dabei geht es stets um die Ankunft in der Gemeinschaft der Erwachsenen. Was heißt das? Für Euch sicherlich, dass der Abschnitt Kindheit tatsächlich hinter Euch liegt. Wer von Euch kleinere Geschwister hat, merkt den Unterschied. Ihr beschäftigt Euch mit anderen Dingen. Ihr spielt nicht mehr mit Playmobil oder Barbie. Ihr hört andere Musik, Eure eigene und nicht mehr die von uns Eltern.

Die Mädchen – oder besser jungen Frauen – nehmen die Jungen – oder genauer jungen Männer – ganz anders wahr; die jungen Männer Euch junge Frauen. Alles verändert sich. Und Ihr besteht darauf, dass Ihr von uns Erwachsenen ernst genommern werdet. Und für uns heißt das, dass wir Euch auch so ernst nehmen müssen. Das fällt uns Vätern und ich denke auch den Müttern nicht immer ganz leicht. Aber so eine Konfirmation, so ein Initiationsritus ist nur sinnvoll, wenn wir als Eltern Euch in der Welt der Erwachsenen auch willkommen heißen. Wir beobachten und merken die Veränderung ja schon länger.

Der Tag heute erinnert uns daran, dass Ihr keine Kinder mehr seid. Unsere Fürsorge muss sich weiter in Respekt wandeln. Wir müssen Euch mehr zuhören, Euren Argumenten Raum geben und sie nicht zu schnell abtun. Das wird bestimmt knirschen. Aber wir glauben für alle Eltern sprechen zu können, dass wir das ersthaft versuchen werden. Wir müssen das ja auch noch üben, jetzt keine Kinder, sondern Erwachsene an unserem Tisch sitzen zu haben. Und das werden wir. Versprochen. (Mein Teil des heutigen Elterngrußwortes während Tills Kofirmation.)