Erich Wolfgang Korngold ist erst 19 Jahre alt, als er die Oper „Die tote Stadt“ schreibt. Fast 100 Jahre später ist das Werk noch immer faszinierend. Das liegt vor allem an einer Musik, die immer wieder an große Filmmusik erinnert. Und das, obwohl sie älter ist als jede Filmmusik. 1919, dem Jahr er Erstaufführung, folgten bekanntlich noch etliche Jahre Stummfilme, bis sich der Tonfilm durchsetzte. Die Komische Oper hat „Die tote Stadt“ jetzt neu inszeniert und dabei genau diese Qualitäten herausgearbeitet.
Robert Carsen setzt ganz auf die Betonung der Innerlichkeit. Paul, der um seine Frau Maria trauert, lässt sich auf die Sängerin Mariatta ein. Sie erinnert ihn an seine Maria. Beide verschmelzen für ihn miteinander, bis am Ende der Wahnsinn attestiert wird. Auf dem Weg dahin treten Marietta, Tänzer und Freund Frank auf, die versuchen auf Paul Einfluss zu nehmen.
Gesanglich bewältigen die beiden Hauptdarsteller, Sara Jakubiak und Aleš Briscein, bewältigen ihre langen Partien sehr gut. Aber Briscein kann schauspielerisch die inneren Kämpfe bis zum Wahn nicht ausdrücken. Das ist insofern nicht verwunderlich, als wir Paul sehr lange auf der Bühne sehen und der innere Konflikt sich langsam aufbaut und steigert. Aber umso bedauerlich ist es, wenn der Hauptdarsteller immer wieder in den großen Posen verharrt, keinerlei kleine Gesten und mimischen Akzente setzen kann. Ihm fehlt schlicht die Varianz, um den Wahnsinn, der aus der aufrichtigen Trauer entsteht, glaubhaft ausdrücken zu können. Das wäre schon im Theater schlimm, in dieser Oper aber ist es dramatisch, weil die Intensität des Gesangs und die Darstellung des Gefühls so eklatant auseinanderklaffen, dass es fast schon ungewollt komisch wirken kann.
Sara Jakubiak hat es da leichter. Sie spielt das pralle Leben, den Sex, die Lust und die Freude. Das lässt sich leichter darstellen. Wenn dann noch als Revue-Nummer inszenierte Tanz-Szenen dazukommen, wird die Ausdrucksvielfalt noch einmal massiv erweitert. Diese Chance nutzt Jakubiak dankbar. Nur das Orchester unter der Leitung von Generalmusikdirektor Ainārs Rubiķis macht es ihr – und Briscein – immer wieder schwer. Wenn er die Musik etwas leichter und leiser erklingen lassen würde, hätten die Sänger immer die Chance zu bestehen. So geht er Gesang in der kräftigen, aufwühlenden und abwechslungsreichen Musik von Erich Wolfgang Korngold manchmal unter. Der Komponist hätte das nicht gewollt.
Korngold musste vor den Nazis fliehen. In Hollywood wurde er zum Oscar prämierten Filmkomponisten. Anklänge lassen sich schon in „Die tote Stadt“ erahnen. Aber Korngold war auch ein großartiger Komponist von Opern und Orchesterwerken. Es ist verdienstvoll, dass die Komische Oper Korngold wieder spielt. Hoffentlich bald auch mit weiteren Werken. Die Musik ist es wert, weiter gehört zu werden, auch und gerade weil die Nationalsozialisten genau das unterbinden wollten.