Vielleicht gilt der 23. Oktober 2018 bald als der Tag, an dem sich das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen nachhaltig verschlechtert hat. Im Rahmen der Tagung des Deutsch-Polnischen Forums hatten sich die Präsidenten beider Länder zur Diskussion gestellt. Was die Vertreter der Zivilgesellschaften dann zu hören bekamen, löste von Kopfschütteln bis Fassungslosigkeit so ziemlich alle Formen der Verwunderung aus.
Vier Tage nachdem der Europäische Gerichtshof per einstweiliger Verfügung die Zwangspensionierung am obersten Gericht in Warschau stoppte, verteidigte Andrzej Duda die Justizreform vehement. Lust zur Differenzierung hatte er offenbar nicht. Deshalb stellte er alle zwangspensionierten Richter unter den Generalverdacht in Zeiten des Kommunismus das Recht zugunsten der KP gebeugt zu haben.
100 Jahre nach der wiedererlangten Unabhängigkeit Polens fragte er rhetorisch, weshalb die Briten die EU verlassen wollten. Doch nur, weil sie selbst bestimmen wollten, wie sie leben und nicht aus Brüssel fremdbestimmt werden wollten. Warum könne man sich nicht die Glühbirne kaufen, die man wolle?
Oder die Sache mit den Medien. Danach gefragt, weshalb am Tag nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im polnischen Rundfunk nicht einmal darauf eingegangen worden sei, antwortete Duda, dass er das nicht wisse. Aber wenn es eine Vergewaltigung in Polen gäbe, dann würden alle Medien im Land darüber berichten.
Spätestens bei dieser Aussage hielten nur noch die Vertreter der PiS zu ihm. Seinen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier hatte da schon lange so sehr gereizt, dass dem Bundespräsidenten sogar die gebotene diplomatische Höflichkeit sichtbar schwer fiel. Und all die Gäste, die wie Polens Regierung und Opposition die deutsch-russische Pipeline Northstream II für einen fatalen außenpolitischen Fehler halten, konnten Duda beim besten Willen nicht mehr folgen.
Der Riss, der all jene Deutschen und Polen, die Rechtsstaatlichkeit, die Europäische Union und die Pressefreiheit verteidigen, auf der einen Seite und den Polen, die den nationalistisch-populistischen Staatsumbau der PiS befürworten auf der anderen Seite trennt, ist tief. Vielleicht ist er seit Dienstag so tief, dass wir uns später an den Tag erinnern werden, an dem die Entfremdung manifest wurde.
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