Emil Schulz hat einen Spitznamen. Er wird Schlump genannt. Das klingt ein bisschen wie Lump und etwas wie Schussel. Wie letzteres bewegt sich Schlump durch den 1. Weltkrieg. Er ist der einfache Soldat, der in der Etappe und im Schützengraben den gesamten Krieg an der Westfront erlebt. Hans Herbert Grimm hat den Roman „Schlump“ 1928 veröffentlicht. Gegen Remarques „Im Westen nichts Neues“ konnte er sich nicht durchsetzen, obwohl er vielfach sehr positiv rezensiert worden war. Im Mai 1933 landete „Schlump“ auf den Scheiterhaufen der Nazis. Und anschließend wurde das Buch vergessen.
Aber jetzt ist es wieder auf dem Markt. Kiepenheuer & Witsch hat den Roman neu aufgelegt und so einen erstaunlichen Roman über den Krieg wieder zugänglich gemacht. Schlump ist ein Schelmenroman. Aus der Perspektive des einfachen Soldaten wird der 1. Weltkrieg geschildert. Der Soldat ist nur einer unter Millionen. Er ist zu klein, um zu überschauen, was mit ihm und all den anderen passiert. Ganz naiv meldet er sich freiwillig in den Krieg, kommt nach Frankreich in die Etappe, bevor er an die Front muss und in einer der unzähligen Abnützungsschlachten im Schützengraben verwundet wird. Es folgt Lazarett, Etappe und schließlich der Waffenstillstand und ein abenteuerlicher Rückzug in die Heimat.
All das, was Schlump erlebt hat, haben Millionen von Soldaten erlebt. Hans Herbert Grimm offenbar auch. Denn viele seine Szenen sind autobiografisch gefärbt. Der Thüringer Lehrer wollte seine Erlebnisse zwar zu einem Roman verdichten. Aber er hatte auch Angst vor der eigenen Courage. Und so erschien das Buch anonym. Denn Heldengeschichten gibt es in dem Roman nicht. Und wenn, dann enden sie tragisch. Grotesk tragisch. Die einzigen positiven Geschichten sind die, in denen sich Schlump mit Naivität und Gerissenheit in der Etappe einrichtet, dem Schwarzhandel frönt und dennoch die Kameradschaft nie vergisst. Egal wie öde oder furchtbar das Leben des einfachen Soldaten Schlump ist, seinesgleichen gilt die Empathie.
Hans Herbert Grimm hat einen großen Roman geschrieben. Einen, in dem das Grauen des Krieges genauso eindringlich geschildert wird, wie die Absurditäten bei der Versorgung eines gigantischen Heeres. Weil Schlump wie ein naiver Schelm durch das Leben stolpert, nimmt er mit, was gut für ihn ist. Ob das französische, belgische oder deutsche Frauen sind – sie tun ihm gut. Aber Liebe empfindet er nicht in diesem Krieg. Die geht ihm erst viel später auf. Und genau in dem Moment verändert sich auch Schlump. Das Überleben wird zum Ziel. Jedes Heldengebaren ist endgültig überwunden. Und weil Schlump ein Schelm ist, überlebt er auch den ganzen Krieg.
Der Roman hat eine eigene Sprache, die den Leser sehr schnell zu einem Freund Schlumps macht. Selbst wenn der Geld fälscht, bleibt er sympathisch. Wie die anderen großen Schelme der (Anti-) Kriegsliteratur, der Grimmelshausen oder der Schwejk, ist der Schlump in der Lage, den Leser ganz für sich einzunehmen. Und so den Krieg aus einer ganz menschlichen Perspektive zu erleben. Das ist große Literatur, die Hans Herbert Grimm in seinem einzigen Roman geschrieben hat. Und es ist ein Glück, dass sich der Verlag getraut hat, das Buch wieder herauszubringen.