Daniel wächst in einem Provinznest in Litauen auf. Sein Vater sitzt als Kommunist im Gefängnis. Die Großmutter ist seine Bezugsperson. Als sie stirbt, nimmt sich der Totengräber des Jungen an – und o wird auch Daniel zum Totengräber auf dem jüdischen Friedhof. Das ist die Ausgangslage des Romans „Ewiger Sabbat“ von Grigori Kanowitsch (* 1929). Das besondere an dem Buch ist die Perspektive. Denn Kanowitsch schildert das Lebe und die Welt immer durch die Augen Daniels.
Deshalb beginnt das 600 Seiten dicke Buch wie ein Schelmenroman. Der Junge ist naiv, versteht die Welt nicht richtig und wirkt so lustig und entlarvend. Aber mit zunehmenden Alter wird Daniel auch erwachsener. Sein Handeln bleibt zwar immer grundehrlich, manchmal auch naiv. Aber als junger Erwachsener weiß er, was passiert. Auch wenn die fehlende Bildung ihm vieles erschwert. Daniel sehnt sich nach seinem Vater. Als er erfährt, dass der im spanischen Bürgerkrieg gefallen ist, nähert er sich der kommunistischen Jugend an. Aber er wird nicht Teil von ihr. Erst während der Besatzung durch Nazis beginnt er, zu handeln. er versteckt Waffen auf dem Friedhof. Und im Ghetto versteckt er Kinder, rettet sie im Jauchewagen und ist bereit, sein Leben für das Anderer einzusetzen.
Dabei wird Daniel von Grigori Kanowitsch niemals als Held geschildert. Er und bleibt ist der einfache Totengräber. Aber ein Totengräber, der sich nach dem Leben sehnt und das Leben der anderen zu bewahren sucht. Kanowitsch, der selbst 1929 in der Nähe von Vilnius im Litauen als Jude geboren wurde (und heute in Israel lebt), hat mit der „Ewige Sabbat“ ein bewegendes Buch über das Leben und den Tod der Juden Litauens geschrieben. Er schildert die bittere Armut im Schtetl. Er beschreibt die Feste und die Freude der Juden genauso packend wie den Untergang im Ghetto. Obwohl das Buch 1979 in der Sowjetunion erschienen ist, schwingt keine Ideologie mit, wenn er den Krieg schildert. Die Soldaten der Roten Armee sind einfach Menschen, keine Helden. Alle sind Spielball der Geschichte.
Die große Kunst Grigori Kanowitsch‘ ist es, all das ganz unaufgeregt zu schreiben. Diese Zurückhaltung erzeugt beim Leser eine umso größere Wirkung angesichts der furchtbaren Erlebnisse Daniels. Die Andere Bibliothek hat das Buch genauso unaufgeregt gestaltet. Es ist der Text, der wirkt. Und das nachhaltig.
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